So viele Börsengänge wie seit 2007 nicht mehr

Global 300 Mrd. Dollar Emissionsvolumen im Jahr 2020 - Rekordwert in USA - Europa und Deutschland hinken hinterher

So viele Börsengänge wie seit 2007 nicht mehr

cru Frankfurt – Rund um die Welt haben Unternehmen im Jahr 2020, das am Kapitalmarkt einer Achterbahnfahrt glich, mit Börsengängen mehr frisches Kapital eingesammelt als in jedem anderen Jahr mit Ausnahme von 2007. Hohe Bewertungen haben vor allem Tech-Firmen und Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) in den USA an die Börse gelockt. Gemäß den Daten des Analysehauses Refinitiv stieg das Emissionsvolumen global auf 300 Mrd. Dollar, davon ein Rekordwert von 156 Mrd. Dollar in den USA.Insbesondere Elektroauto-Firmen gehen derzeit an die Börse, bevor sie ihre ersten Umsätze haben. So haben Unternehmen wie Nikola und Fisker bereits vor dem Verkauf ihrer ersten Produkte eine Bewertung von mehreren Milliarden Dollar erreicht. Jetzt hat das kalifornische Batterie-Start-up Quantumscape neue Maßstäbe gesetzt: Gegründet 2010 von Wissenschaftlern der Stanford University und mit finanzieller Unterstützung von VW wurde Quantumscape, die erst ab 2026 Umsatz machen wird, im November per Spac-Fusion an die Börse gebracht und ist schon jetzt mit 43 Mrd. Dollar bewertet.Im Kontrast dazu schrumpfte das IPO-Volumen in Europa laut Refinitiv 2020 um 10 % auf 20 Mrd. Dollar – nur halb so viel wie 2018 -, und in Deutschland wurde mit rund 1 Mrd. Euro so wenig eingesammelt wie seit 2009 nicht mehr. Allerdings stehen in Deutschland 17 Unternehmen für 2021 in den Startlöchern für ein IPO – darunter der Hamburger Online-Bekleidungshändler About You, eine Tochter von Otto, sowie der Berliner Spezialchemiekonzern Atotech (Notierung in New York) aus dem Besitz von Carlyle und der Softbank-gestützte Berliner Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1.Da die Hälfte der Weltbevölkerung, fast vier Milliarden Menschen, 2020 zeitweise angewiesen wurde, zu Hause zu bleiben, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern, haben die Kapitalmärkte virtuelle Technik einsetzen müssen, um den Kapitaltransfer zu gewährleisten und so die Zukunft der Unternehmen zu sichern, die Bilanzen zu stärken und Wachstumskapital bereitzustellen. Ein Jahr der Achterbahnfahrt”Die Pandemie, der Stillstand der Weltwirtschaft, der globale Aktienmarkteinbruch um 30 % in sechs Wochen, die tiefste Rezession seit den 1930er Jahren, die US-Präsidentschaftswahlen, die Impfstoffe, der Wechsel von Growth zu Value und nun Rekordhochs für US-Aktien – das Jahr 2020 war volatil und unberechenbar”, kommentiert Analyst Fabian de Smet von der Berenberg Bank. “Da der Volatilitätsindex Vix auf über 85 gestiegen ist und der Stoxx 600 an 94 Handelstagen in diesem Jahr um mehr als 1 % nach oben oder unten schwankte, ist das Zeitfenster für Aktienemissionen im Jahr 2020 sehr eng geworden.”Der Bedarf an sofortiger Liquidität war nach dem globalen Lockdown im ersten Halbjahr so groß wie nie zuvor, und europäische Unternehmen haben in diesem Jahr bisher 73 Mrd. Euro an frischem Eigenkapital aufgenommen – so viel wie seit 2017 nicht mehr. Insgesamt wurden im Jahr 2020 in Europa 121 Mrd. Euro durch 479 Transaktionen aufgenommen, was einen Anstieg von 59 % gegenüber 2019 bedeutet. Kapitalerhöhungen machten 61 % der Gesamtemissionen in Europa aus.Die Corona-Pandemie hat den technischen Wandel bei der Durchführung von IPOs beschleunigt. “Ohne den Lockdown hätte es viele Jahre gedauert, den veralteten europäischen Prozess zu ändern, der sowohl reise- als auch zeitintensiv war”, urteilt die Berenberg Bank. Da in Europa IPO-Emissionen in Höhe von 8 Mrd. Euro aufgrund der Coronakrise verschoben wurden, als der “Angstindex” Vix in der Spitze auf mehr als 85 kletterte und die Aktienmärkte abstürzten, gingen die IPO-Erlöse bis zum Ende des ersten Halbjahres um 55 % gegenüber 2019 zurück. Europas erste vollständig virtuelle IPOs – Pexip (188 Mill. Euro), Pharma SGP (127 Mill. Euro) und GVS (498 Mill. Euro) – im ersten Halbjahr führten die kleine Wiederbelebung der Emissionstätigkeit an. Boom für KapitalerhöhungenInsgesamt wurden laut Berenberg Bank 2020 in Europa 59 IPOs gepreist, die 14,8 Mrd. Euro einbrachten – ein Rückgang um 25 % gegenüber 2019. Die IPO-Aktivität in der nordischen Region steigerte das Emissionsniveau nach einer starken Belebung im zweiten Halbjahr. Europas IPOs dürften 2021 laut Berenberg wieder anziehen, unterstützt sowohl durch Private-Equity-Exits als auch durch nichtbörsennotierte Unternehmen, die Wachstumskapital suchen – in Sektoren wie Gesundheit, Telekom und E-Commerce.