RECHT UND KAPITALMARKT

Sonderinsolvenzrecht als Bürde für viele Banken

Pflicht zu Sanierungsplänen trifft Institute unabhängig von ihrem Zustand - Geschäftsmodell von regionalen Häusern in Frage gestellt

Sonderinsolvenzrecht als Bürde für viele Banken

Von Christopher Seagon *)BRRD – hinter diesem Kürzel steht die Bank Recovery and Resolution Directive, eine geplante EU-Richtlinie zur Restrukturierung von Banken. Anfang nächsten Jahres soll das Europäische Parlament entscheiden, ob sie umgesetzt wird. Der Entwurf sieht Regelungen insbesondere dazu vor, wie Banken in der EU künftig saniert und abgewickelt werden sollen und wer die Kosten zu tragen hat. Zur Eindämmung systemischer Risiken ist dies begrüßenswert, wenngleich die Praxistauglichkeit einzelner Instrumente abzuwarten bleibt. Für Sparkassen, Genossenschafts- und Regionalbanken wird die BRRD indes eine erhebliche Bürde sein.Jede Bank soll künftig mit Hilfe eines von ihr zu erstellenden Sanierungsplans umfassend darlegen, wie sie auf vorab festgelegte Szenarien zu reagieren gedenkt. Geht es nicht mehr um die Rettung einer Bank, sondern deren geordnete Abwicklung (nicht: Liquidation, das heißt Zerschlagung) soll sich diese nach einem Abwicklungsplan der Bankenaufsicht richten. Hierfür haben die Institute die notwendigen Informationen laufend und nicht nur einmalig bereitzustellen. Notfallpläne als PflichtDie Pflicht zur Erstellung von Notfallplänen ist ein begrüßenswertes Novum, wenngleich eine Bankensanierung oder -abwicklung schwer planbar ist. Denn wie Kunden und Mitarbeiter der Bank reagieren, lässt sich nur begrenzt prognostizieren. Zudem wird es eine Weile dauern, bis sich eine Verwaltungspraxis herausbildet. Dies betrifft vor allem den Umfang solcher Pläne und seine Schwerpunkte. Daneben können Sanierungspläne einen weiteren wichtigen – wenn auch selten erwähnten – Zweck erfüllen: die dokumentierte Verantwortlichkeit des Managements für “seinen” Sanierungsplan. Dieser hat eine disziplinierende Wirkung und insofern eine Vorwirkung, als sich Geschäftsleiter eingehend mit dem operativen Geschäft und – im Falle einer Schieflage – mit dessen Sanierung befassen müssen. Wie Erfahrungen mit Krisen in der Realwirtschaft zeigen, geschieht die detaillierte und vor allem sanierungsrealitätsnahe Planung zu selten. BrückenbankkonzeptUm eine Bank abzuwickeln, sieht die BRRD unter anderem ein Brückenbankkonzept vor. Danach sollen systemrelevante Teile einer Bank auf eine Brückenbank mit Fortführungsperspektive übertragen werden. Über den in der Altbank verbleibenden Rest wird ein klassisches Insolvenzverfahren nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung eröffnet.Als weiteres Abwicklungsinstrument soll das sogenannte Bail-in eingeführt werden, um das Eigenkapital zu stärken und die Verschuldungsquote zu senken. Zwei Varianten sind vorgesehen: Eigen- und Fremdkapital herunterschreiben oder Fremd- in Eigenkapital umwandeln, also ein Debt Equity Swap.Dass die BRRD mehrere Alternativen zur Abwicklung vorsieht, ist zu begrüßen. Ein Brückenbankkonzept als einziges Instrument – wie im derzeit geltenden Restrukturierungsgesetz für Banken vorgesehen – würde nicht ausreichen. Denn es dürfte nur in Ausnahmefällen greifen und vermutlich nur bei regional tätigen Instituten mit marginaler Auslandsberührung zur Anwendung kommen.Für die Auswahl des richtigen Abwicklungsinstruments gilt: Jede Lösung sollte so einfach und so rasch wie möglich umsetzbar sein. Das Risiko eines Scheiterns ist indes hoch, wenn ein weiterer Rechtsträger (Brückenbank) gegründet werden muss und eine nichtautomatische Entscheidung über die Übertragung oder Nichtübertragung von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten erforderlich ist.Hinzu kommt, dass behördliche Verwaltungsakte begrenzte Reichweite haben. Innerhalb der EU mögen andere Mitgliedsstaaten noch zu ihrer Anerkennung verpflichtet werden können; anders verhält es sich jedoch mit Drittstaaten. So würden Verträge nicht erfasst, die US-Recht unterliegen – man denke etwa an Derivate-Kontrakte der International Swaps and Derivatives Association. Und eben in Letzteren dürften von Fall zu Fall hohe Abwicklungsrisiken zu erwarten sein.Von hoher Praxisrelevanz dürfte das Bail-in auf behördliche Anweisung sein. In beiden geschilderten Varianten ist weder die Gründung eines weiteren Rechtsträgers noch die Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten notwendig. Die Reduzierung von Anteilsinhaber- und Gläubigerrechten ist in beinahe jeder Restrukturierung von Bedeutung. Allerdings erfolgt dies typischerweise auf dem Verhandlungsweg in Form eines freiwilligen Verzichts, und nicht auf behördliche Anweisung wie in der BRRD vorgesehen. Beim geplanten Bail-in per Debt Equity Swap ist die Sachlage etwas anders: die Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital dürfte das Restrukturierungsinstrument der Zukunft bei Banken sein, wenn es durch die Bankenaufsicht angeordnet werden kann. Derartige Lösungen sind einfach und schnell umsetzbar, wie namhafte Beispiele wie die zypriotische Laiki-Bank und die niederländische SNS REAAL zeigen. Mittel ex anteMilliardenschwere Rettungsmaßnahmen für Banken in Form von Garantien, Eigenkapital (auch als stille Einlage) und Abwicklungsanstalten kann es nach der BRRD auch künftig geben – allerdings sollen dafür nicht mehr die Steuerzahler, sondern die Banken selbst aufkommen. Die in Deutschland bereits eingeführte Bankenabgabe zur Finanzierung ebensolcher Abwicklungen ist – anders als die politisch brisante Finanztransaktionssteuer – zweckgebunden.Benötigt ein Brückeninstitut also künftig Garantien zur Liquiditätsbeschaffung oder neue haftende Finanzmittel zur Stärkung ihres Eigenkapitals, so steht hierfür nicht mehr der Steuerzahler ex post, sondern der Bankensektor ex ante zur Verfügung. Nur im Krisenfall kann der aus der Bankenabgabe gespeiste Abwicklungsfonds per Sonderumlageverfahren Geldmittel ex post generieren.Statt der lange diskutierten Einführung einer Finanztransaktionssteuer spricht mehr dafür, die Bankenabgabe moderat zu erhöhen, zumal sie jedenfalls eher der Sicherheit des deutschen Finanzsystems dient. Dies ist bei den laufenden Verhandlungen um den Single Resolution Mechanism (SRM) auf europäischer Ebene, bei denen es unter anderem um die Finanzierungsmodalitäten künftiger Bankenabwicklungsfälle geht, angemessen zu berücksichtigen.Die Erstellung und laufende Aktualisierung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen wird personal-, zeit- und damit kostenintensiv. Die BRRD sieht zwar vor, dass der Detaillierungsgrad eines Sanierungsplans je nach Größe einer Bank abnehmen darf – allerdings besteht die Pflicht zur Erstellung jederzeit. Während vormals die Intensität staatlicher Eingriffsmöglichkeiten mit der Schwere des Verstoßes beziehungsweise des Problems der Bank korrelierte, soll künftig die Pflicht zur Erstellung und Fortschreibung eines Sanierungsplans die Bank unabhängig von ihrem Zustand treffen.Dies kann das Geschäftsmodell von regionalen Instituten infrage stellen. Das geplante Bail-in führt zu einem ähnlichen Effekt. Wenn Banken künftig dazu verpflichtet werden können, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Verbindlichkeiten “eligible” zu halten, das heißt dass Eigen- und Fremdkapital dazu geeignet sein müssen, im Krisenfall auf behördliche Weisung heruntergeschrieben beziehungsweise in Eigenkapital umgewandelt zu werden, wird dies zu weiterem Margendruck führen. Eine HerkulesaufgabeIn der Praxis wird es für die Geschäftsleiter betroffener Banken darauf ankommen, sanierungsrealitätsnahe Strategien zum Erhalt des lebensfähigen Restgeschäfts zu entwickeln. Sowohl bei einer Brückenbankstruktur als auch bei einem Bail-in besteht die eigentliche Kunst darin, Werterhaltung für die Altbank zu erzielen, so denn diese überhaupt darstellbar ist – eine Herkulesaufgabe jedenfalls für die handelnden Geschäftsleiter.—-*) Christopher Seagon ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Partner von Wellensiek Rechtsanwälte.