Spacs kommen nach Deutschland
Spacs sind Blankoscheck-Unternehmen, die zunächst als leere Mantelgesellschaft an die Börse gehen und Kapital einsammeln für die spätere Übernahme eines nicht börsennotierten und vermeintlich unterbewerteten Unternehmens. In den USA boomen diese Vehikel, nach Deutschland sollen sie zurückkehren.cru Frankfurt – Nach dem Milliarden-Hype um Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) in den USA kommen die Blankoscheck-Übernahmevehikel nun auch nach Deutschland zurück. Der in Zürich ansässige und europaweit tätige Wagniskapitalgeber Lakestar, der vom Deutschen Klaus Hommels – einem ehemaligen Apax-Private-Equity-Manager – geführt wird, will Anfang 2021 den ersten deutschen Spac seit mehr als einer Dekade in Frankfurt an die Börse führen. Mit dem IPO ist Morgan Stanley beauftragt. Das Vehikel soll mehrere hundert Millionen Euro bei Investoren einsammeln und mit dem Eigenkapital, das noch um Fremdkapital ergänzt wird, junge Technologieunternehmen übernehmen. Das wird aus Finanzkreisen bestätigt. Lakestar lehnte auf Anfrage einen Kommentar dazu ab.Investmentbanker hoffen darauf, dem deutschen IPO-Markt mit der neuen Anlageklasse wieder Leben einzuhauchen, nachdem in diesem Jahr nur sieben Unternehmen in Frankfurt neu an die Börse gekommen sind. Der Spac-Boom in den USA hat dagegen zuletzt alle Rekorde gebrochen: Noch 2019 waren 59 neue Spacs an die Börse in New York gekommen und hatten 14 Mrd. Dollar eingesammelt. Im Jahr 2020 wuchs die Zahl der Spac-IPOs sprunghaft auf 224 an, die 75 Mrd. Dollar einsammelten und damit mehr als jemals zuvor. Zum Vergleich: Das war fast die Hälfte des gesamten IPO-Volumens in den USA. 104 der Spacs, die in der Regel jeweils rund 300 Mill. Dollar einsammeln, haben bereits eine Übernahme getätigt oder sind gerade dabei. Meist geht es bei den Akquisitionen um Tech-Firmen. Mehr als 70 Mrd. Dollar an “Dry Powder” sind noch nicht investiert. Das geht aus Daten von Morgan Stanley hervor.Früher investierten hauptsächlich Hedgefonds wie Polar, Bluecrest oder Monashee in Spacs. Inzwischen sind auch Assetmanager wie T. Rowe Prise, Federated oder Neuberger Berman dabei. Zu den Private-Equity-Sponsoren zählen River Stone, Apollo und TPG.Lakestar, der Initiator des nun geplanten Comebacks für Spacs in Deutschland, war hierzulande zuletzt unter anderem als Finanzier der Berliner Fußball-App One Football aufgefallen – und als Lead Investor bei der jüngsten Finanzierungsrunde des Satelliten-Trägerraketenunternehmens Isar Aerospace aus München, die ein Volumen von 75 Mill. Euro hatte. Isar Aerospace, ein Spin-off der Technischen Universität München, strebt an, das erste private europäische Unternehmen auf dem Satellitenmarkt zu sein. PwC ist skeptischDie bis vor zwei Jahren wegen früherer Flops und manchmal auch Betrügereien als Zockervehikel verschrieenen Spacs sind Blankoscheck-Unternehmen, die zunächst als leere Mantelgesellschaft an die Börse gehen und mit ihren Aktien, die in den USA stets zum Standardpreis von 10 Dollar pro Stück verkauft werden, frisches Geld einsammeln für die spätere Übernahme binnen Zweijahresfrist eines nicht börsennotierten und vermeintlich unterbewerteten Unternehmens – nach Rückfrage bei den Aktionären. An der Spitze steht meist ein bekannter Gründer (“Sponsor”), der als cleverer Investmentguru gilt – zum Beispiel der Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Die Spacs ähneln Private-Equity-Fonds, investieren aber meist nur in ein einziges Unternehmen. Sie sind schneller und leichter aufzulegen, weil die Struktur standardisiert ist und die Bewertungsdiskussion entfällt.Kritik ziehen die Spacs allerdings dadurch auf sich, dass ihre Gründer einen Anteil von typischerweise 20 % der Aktien gratis erhalten – was auf der später möglichen Kursentwicklung an der Börse lastet und den Anreiz für den Gründer mindert, ein gutes Unternehmen zu finden – da er ohnehin mit seinem Anteil einen guten Schnitt macht.Skeptisch zur Übertragbarkeit des US-Modells nach Deutschland äußert sich der Wirtschaftsprüfer PwC: “Inwieweit der starke Anstieg der Börsengänge von Spacs in den USA auch die IPO-Aktivität hierzulande spürbar und nachhaltig beeinflusst, bleibt abzuwarten”, sagt Carsten Stäcker. “In Deutschland hinterließen die bisherigen drei Börsengänge solcher Investmentgesellschaften vor zehn Jahren wenig Freude bei den Anlegern.”Etwas optimistischer gibt sich M&A-Anwalt Tobias Larisch von der Kanzlei Latham & Watkins: “An der Wall Street haben wir einen regelrechten Hype um Spacs erlebt. Wir sind gespannt, ob dieser Trend im kommenden Jahr auch in Europa und Deutschland aufgegriffen wird.”Regelrecht euphorisch äußert sich dagegen ein Investmentbanker, der nicht namentlich genannt werden möchte: “Es gibt keinen Grund, warum neue Spacs nicht auch in Deutschland gut funktionieren sollten – der regionale Markt ist für Innovation offen und Investoren begrüßen alternative Anlageformen. Ein paar konkrete Projekte sind in der Tat bereits in Vorbereitung, aber ein besonders großes Augenmerk muss auf die Qualität des Sponsors, die richtige Struktur und den Sektorfokus gelegt werden. Besonders der Tech- und Gesundheitssektor bieten sich hierbei an.” Als Käufer unterwegsZudem könnten Spacs auch noch auf einem anderen Weg nach Deutschland kommen – als Käufer hiesiger Unternehmen: US-Blankoscheck-Unternehmen auf der Suche nach Transaktionen könnten laut Goldman Sachs Group in den nächsten zwei Jahren zu Fusionen und Übernahmen in Höhe von 300 Mrd. Dollar führen. Investmentbanker berichten, dass Spacs sich inzwischen auch schon in Deutschland nach Übernahmezielen umschauen. Angetrieben werde der Deal-Boom von der Renditejagd angesichts niedriger Anleihezinsen.