IAA-SERIE: AUTOINDUSTRIE UNTER STROM (15)

Spannungsaufbau für Ladesäulen

Energiekonzerne als Marktführer - Noch kein Gewinn - Wirrwarr bei Tarifen, Zugang und Abrechnung

Spannungsaufbau für Ladesäulen

Energiekonzerne wie Innogy und Eon gehören zu den größten Betreibern von Ladesäulen für Elektroautos. Das Netz wird immer dichter und die Technik für das Laden und Bezahlen ausgefeilter. Doch das große Geld lässt noch auf sich warten. Die Infrastruktur für Elektroautos ist eine Wette auf die Zukunft.Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt Ein Unternehmen, das mit dem Betreiben der Ladeinfrastruktur für Elektroautos gutes Geld verdient, gibt es noch nicht. Stattdessen tummelt sich eine Vielzahl von Anbietern mit mehr oder minder großen Zukunftshoffnungen auf ein künftig gutes Geschäft auf diesem Markt. Die Energiewirtschaft ist derzeit der größte Anbieter mit circa 7 000 öffentlich zugänglichen Ladepunkten in Deutschland. Die RWE-Tochter Innogy gilt als der größte einzelne Anbieter. Insgesamt werden 4500 Ladepunkte für Elektroautos von Innogy gestellt.Doch Innogy wird bald vom Konkurrenten Eon übernommen. Auch Eon baut das Geschäft mit der Elektromobilität über die Konzerneinheit “Eon Drive” kräftig aus – in zehn Ländern Europas und mit zehn Städten und 20 großen Unternehmen als Partner, darunter etwa BMW, Streetscooter und Sixt.Kurz nach der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit dem dänischen Anbieter von Schnellladestationen Clever stieg der Essener Energiekonzern bei der finnischen Software-Start-up Virta ein, einem Entwickler und Anbieter von IT-Systemen für das Laden von E-Autos. Virta bietet die Technik für individuelle Abrechnungen und die Steuerung von Ladeprozessen an und trägt dazu bei, erhöhte Schwankungen im Energiesystem auszugleichen, die durch das Wachstum erneuerbarer Energien verursacht werden.Bis Ende 2020 will der Konzern die Zahl der Ladepunkte in Europa von derzeit 4000 – davon 400 in Deutschland – auf 30 000 erhöhen sowie 180 ultraschnelle Ladestationen in Schweden, Frankreich, Deutschland, Dänemark, Italien und Großbritannien errichten; die erste steht als Prototyp schon am Autohof Strohoder in Geiselwind an der A3. Daran lässt sich ein Elektroauto mit 400 Kilometern Reichweite binnen 25 Minuten aufladen. Zusammen mit Tank & Rast bietet Eon schon jetzt 90 Schnellladestationen an deutschen Autobahnen an.Die meisten Elektroautofahrer nutzen jedoch eine private Lademöglichkeit. Nur wer lange Strecken fährt, lädt nach Erhebungen des Energiebranchenverbands BDEW unterwegs an gut 16 000 öffentlich zugänglichen Ladepunkten, davon 12 % Schnellladesäulen. Das Bundesverkehrsministerium hat mit der Autobahn Tank & Rast GmbH vereinbart, alle ihre 400 eigenen Raststätten an Bundesautobahnen mit Schnellladesäulen und Parkplätzen für Elektrofahrzeuge auszustatten. Basis ist gelegt”Damit ist die Basis für die steigende Stückzahl von Elektrofahrzeugen geschaffen”, heißt es bei der Nationalen Plattform Elektromobilität. Über den richtigen Stecker müssten sich die Nutzer keine Sorgen machen. Seit 2016 müssen in Deutschland alle neuen Ladepunkte einheitlich mindestens mit dem Combined Charging System (CCS) ausgerüstet, barrierefrei und ohne vorherige vertragliche Bindung zugänglich sein – mit dem Ende des Jahres 2017 musste die entsprechende Richtlinie in der gesamten EU umgesetzt werden. Steckervielfalt und inkompatible Ladepunkte gehören damit der Vergangenheit an, CCS ist in Europa, den USA sowie weiteren wesentlichen Automobilmärkten etabliert.Soweit die guten Nachrichten. Doch laut Bundesnetzagentur gibt es bei mehr als 200 000 Elektroautos auf deutschen Straßen nur rund 5 000 öffentliche Ladesäulen. Der Zugang und das Handling zu diesen Säulen ist für Besitzer von E-Autos noch immer kompliziert und teuer. Das ist das Ergebnis des zweiten Ladesäulen-Checks 2018 des Ökostromanbieters Lichtblick in Zusammenarbeit mit dem Recherche- und Marktforschungsinstitut Statista. “Verwirrende Tarifstrukturen, unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen sowie eine Vielfalt von Abrechnungsmethoden verkomplizieren den Alltag der Kunden. In vielen Gegenden haben sie darüber hinaus nur einen Anbieter zur Verfügung”, heißt es in dem Bericht.Anbieter wie der europaweit aktive französische Ladesäulen-Kartenanbieter Chargemap lassen sich von verschiedenen Ladesäulenbetreibern die Standortdaten und teilweise auch Statusdaten in Echtzeit anliefern. Wenn es um eine Übersicht über die Preise geht, wird es schwierig: Haushaltsstrom schlägt für den Privatkunden mit durchschnittlich 29 Cent je Kilowattstunde zu Buche. Die Kilowattstunde Ladestrom kostet laut Lichtblick-Studie beim größten deutschen Ladesäulenbetreiber Innogy 66,9 Cent, bei den Drewag-Stadtwerken Dresden jedoch nur 13,5 Cent je Kilowattstunde. E-Fahrer müssen auch mit Zusatzkosten rechnen, etwa bei EnBW mit einer einmaligen Registrierungsgebühr von 20 Euro. Spontan schwierigEin wirklich spontanes Anfahren der Ladesäulen ist laut der Lichtblick-Studie erst bei drei von elf Betreibern möglich, nämlich bei Innogy, EWE und Mainova. Zu den ehrgeizigen Zielen der Branche gehört daher das “punktuelle Aufladen”. Gemeint ist damit, dass jeder Fahrer jederzeit laden und spontan bezahlen kann. Die Arbeitsgruppe Normung, Standardisierung und Zertifizierung der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) empfiehlt dafür den Aufbau einer europaweit einheitlichen Struktur zur ID-Vergabe, um ein interoperables, länderüberschreitendes Laden an allen Ladestationen zu ermöglichen. Die NPE erwartet bis 2020 einen deutlich höheren Bedarf von 7 100 öffentlich zugänglichen Schnellladesäulen und 70 000 Normalladepunkten. Außerdem fehle der klare Fokus auf das Schnellladen: Die Experten empfehlen, bereits bei der Planung der heutigen Säulen den Netzanschluss für das Ultra-Schnellladen mit 150 bis 350 kW auszulegen.In der Masse sind es vor allem die Energieversorger, die sich den Aufbau von Normalladestationen fördern lassen. Sie sind es auch, denen der Bund bei den Schnellladern unter die Arme greift. Städte, Märkte und Gemeinden haben ebenfalls zahlreiche Anträge gestellt. Geförderter Spitzenreiter ist die Firma Innogy mit 2 490 Normalladestationen. Das niederländische Unternehmen Fastned, das entlang der Autobahnen Schnellladestationen einrichtet, erhielt Geld für 130 Stationen.Seit einiger Zeit verstärkt auch der VW-Konzern seine Bemühungen, das Stromtanken an den Ladesäulen zu vereinfachen. Der neue “Elektro-Volkswagen” ID3 etwa soll das Bezahlen von Ladevorgängen direkt aus dem Auto heraus beherrschen. Damit sich solche Pläne besser umsetzen lassen, stieg die Volkswagen-Konzerntochter Elli, die Ladelösungen für VW-Fahrer entwickelt, bei einem Spezialunternehmen ein. Elli übernahm eine Minderheitsbeteiligung an dem Cloud-Software-Start-up Has to be und hält rund ein Viertel der Anteile.Der US-Ladesäulenbetreiber Chargepoint will über eine strategische Partnerschaft im deutschen Markt Fuß fassen. Das Unternehmen ist mit dem Mannheimer Versorger MVV Energie eine Vertriebskooperation eingegangen. Ziel der Zusammenarbeit ist eine schnellere und bessere Marktdurchdringung.Auch der Ladesäulen-Betreiber der Autobauer Ionity rechnet mit regem Wettbewerb im Geschäft mit Stromtankstellen und will einer der großen Anbieter werden. Das Unternehmen will im Wettbewerb um Stromtankstellen zum Vorreiter werden. Bis 2020 soll es 400 Standorte in verschiedenen Ländern geben. Zuletzt erschienen: Tankstellenbetreiber überlassen “E-Zapfsäulen” anderen (16.8.) E-Mobilität bringt Zulieferer an ihre Grenzen (13.8.)