"Stabile und langfristig denkende Ankeraktionäre"
Am Sonntag jährt sich zum 25. Mal das Börsendebüt des Gabelstaplerherstellers Jungheinrich. Mit dem Zugang zum Kapitalmarkt schuf das seit Ende 2014 im MDax notierte Familienunternehmen aus Hamburg die Basis für die Finanzierung seines Wachstums, wie Hans-Georg Frey, seit Mai 2007 an der Jungheinrich-Spitze, im Interview erläutert. Das Wachstum will der weltweit drittgrößte Gabelstaplerhersteller in den kommenden Jahren noch forcieren.- Herr Frey, am 30. August 1990 ist Jungheinrich an die Börse gekommen, 37 Jahre nach Gründung des Familienunternehmens. Welche Gründe gab es für den Börsengang?Mit dem Zugang zum Kapitalmarkt hat Jungheinrich 1990 die Voraussetzungen zur Finanzierung seines künftigen Unternehmenswachstums in einem herausfordernden Wettbewerbsumfeld geschaffen. Damals hatten wir 1,4 Mrd. DM Umsatz, heute sind wir fast beim vierfachen Volumen. Zudem hat das Unternehmen seinerzeit eine einfache, übersichtliche und zukunftsweisende Organisationsstruktur und eine klare Führungsstruktur geschaffen, die der Größe des Konzerns angemessen war.- Inwiefern hat die Börsennotierung die Unternehmenskultur verändert?Unsere Gruppe hat mit den Familiengesellschaftern Lange und Wolf den Charakter eines Familienunternehmens immer beibehalten und gleichzeitig Wachstum und Internationalisierung vorangetrieben. Aufgrund der höheren Anforderungen an börsennotierte Unternehmen hat der Konzern seine Strukturen und Prozesse nach dem Börsengang professionalisiert.- Haben sich die ursprünglichen Erwartungen, die mit der Börsennotierung verbunden waren, erfüllt?Mit der Publikumsöffnung hat sich Jungheinrich die Anlegerklasse der Aktionäre erschlossen und damit seine Investorenbasis deutlich verbreitert. Die erhöhte Transparenz als börsennotiertes Unternehmen hat sich zudem positiv bei der Bonitätsbeurteilung durch Banken ausgewirkt. Das macht die Finanzierung unseres Wachstums einfacher, wie die Platzierung unseres Schuldscheindarlehens im Dezember 2014 gezeigt hat.- Die Stammaktien und somit die unternehmerische Kontrolle liegen bei den Familien der beiden Töchter des Unternehmensgründers. Die an der Börse gehandelten stimmrechtslosen Vorzugsaktien sind dagegen breit gestreut. Welche Vor- und Nachteile hat diese duale Aktionärsstruktur?Die Familien Wolf und Lange sind stabile und langfristig denkende Ankeraktionäre. Damit ist Kontinuität und Nachhaltigkeit gewährleistet. Das hat sich insbesondere in der Wirtschaftskrise 2009 gezeigt, als die Stammaktionäre auf eine Dividende verzichtet haben. Die Familien der Töchter des Unternehmensgründers haben auch die Entwicklung in den letzten Jahren vom Hersteller von Gabelstaplern zum Lösungsanbieter für logistische Gesamtsysteme positiv begleitet. Nachdem die an der Börse notierten Vorzugsaktien kein Stimmrecht haben, sind sie für manche Aktionäre beziehungsweise Investoren weniger interessant. Das nehmen wir bewusst in Kauf.- Jungheinrich will in den kommenden Jahren kräftig wachsen und den Umsatz bis 2020 auf etwa 4 Mrd. Euro steigern. Wie wollen Sie dieses beschleunigte Wachstum finanzieren?Mit unserer soliden Bilanzstruktur wollen wir aus eigener Kraft und mit eigenen Finanzmitteln in Richtung 4 Mrd. Euro Umsatz wachsen. Strategische Wachstumsprojekte finanzieren wir selektiv über den Banken- und Kapitalmarkt, zum Beispiel durch die Aufnahme von Schuldscheindarlehen. Darüber hinaus verfügt unser Unternehmen über langfristige Kreditrahmen zur Finanzierung des Bedarfs an Working Capital sowie für Investitionen in die Mietflotte. Zur Refinanzierung des stark wachsenden Finanzdienstleistungsgeschäftes nutzen wir außer der bilateralen Bankfinanzierung ebenfalls den Kapitalmarkt über eine konzerneigene Refinanzierungsgesellschaft.- 2013 und 2014 waren vergleichsweise gute Börsenjahre für Ihr Unternehmen. Wie beurteilen Sie die Wertentwicklung der Jungheinrich-Aktie seit dem Börsengang verglichen mit der Konkurrenz, mit den Vergleichsindizes und mit alternativen Anlagenformen wie Staatsanleihen?Die Jungheinrich-Aktie hat, abgesehen von den Finanzkrisen, die zu Rücksetzern an den Kapitalmärkten geführt haben, seit 1990 eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung hingelegt. Besonders mit der Entwicklung in den letzten drei Jahren sind wir sehr zufrieden. Aber auch bei der Betrachtung seit Ende 2007, dem letzten Jahr vor der Weltwirtschaftskrise, stellen wir fest, dass sich der Kurs der Aktie bis heute mehr als verdoppelt hat, während die entsprechenden Indizes deutlich weniger zugelegt haben.- Die Vorzugsaktien werden mehrheitlich von ausländischen Investoren gehalten. Zudem hat sich der Anteil der Privatanleger 2014 auf 21 % verringert. Welche ideale Verteilung schwebt Ihnen vor?Das ist keine Frage der Region. Für uns ist wichtig, dass unsere Aktionäre langfristig orientiert sind und damit zu unserer auf nachhaltiges Wachstum ausgerichteten Unternehmensstrategie passen. Dabei finden wir es gut, dass sehr viele institutionelle Anleger in unsere Aktien investieren.- Die Handelsumsätze der Titel auf Xetra und in Frankfurt lagen 2014 mit knapp 13 Millionen Stück und 30 % über dem Vorjahresniveau. Wie bewerten Sie das Umsatzniveau?Das zeigt das große Interesse an Jungheinrich einerseits, andererseits ist aus unserer Sicht aber noch Luft nach oben vorhanden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass rund die Hälfte der Umsätze mit unserer Aktie nicht über diese Börsenplätze läuft, sondern außerbörslich über Direktgeschäfte – den Over-the-Counter-Handel – oder organisierte Wertpapiermärkte außerhalb der klassischen Börsen abgewickelt wird.- Seit 2010 hat sich die Dividende je Vorzugsaktie auf 1,04 Euro (2014) fast verdoppelt. Welche Perspektiven können Ihre Anteilseigner angesichts des beschleunigten Wachstumskurses erwarten?Wir verfolgen grundsätzlich eine Politik kontinuierlicher Dividendenzahlungen. Aktuell gilt die Zielsetzung, eine Ausschüttungsquote von 25 bis 30 % des Ergebnisses nach Steuern sicherzustellen. Vorstand und Aufsichtsrat sind der Auffassung, dass die Mittel vorzugsweise im Unternehmen zu behalten sind, um das geplante starke Wachstum aus eigener Kraft finanzieren zu können. Der deutlich höhere Umsatz mit gutem Nachsteuerergebnis führt zu einer entsprechend deutlich höheren Dividende, die dem Aktionär zugutekommt.- Wie bewerten Sie die Dividendenrendite, verglichen mit der Konkurrenz und alternativen Anlageformen?In Anbetracht der zuletzt sehr erfreulichen Kursentwicklung ist die Dividendenrendite etwas unterdurchschnittlich zu anderen Aktienwerten. Die Dividendenrendite ist jedoch nicht der einzige Indikator für die Bewertung der Aktie. Unsere Aktionäre honorieren unser Geschäftsmodell und die Solidität unseres Unternehmens, das spiegelt sich besonders in der Kursentwicklung der letzten Jahre wider.- Wo sehen Sie die Jungheinrich-Aktie in zehn Jahren?Jungheinrich ist mit seiner stabilen Aktionärsstruktur, seiner klaren und nachhaltigen Strategie, der soliden Bilanzstruktur und den in den vergangenen Jahren getätigten Investitionen sehr gut für die Zukunft aufgestellt. Wenn wir unsere starken Wachstumsziele erreichen und dabei unsere Marge noch etwas steigern, wird sich dies auch in Zukunft positiv im Aktienkurs widerspiegeln.—-Das Interview führte Carsten Steevens.