DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: DOMINIK ASAM

Stärkerer Dollar hilft Infineon

Mit Übernahmen steigt der Umsatzanteil der US-Währung auf die Hälfte - Konsolidierungsdruck in der Chipbranche hält an

Stärkerer Dollar hilft Infineon

– Herr Asam, die Infineon-Aktie hat seit Februar über 50 % an Wert gewonnen. Was treibt den Kurs besonders?Investoren, die sich eigentlich mehr aufs Automobilgeschäft als auf den Halbleitermarkt konzentrieren, sowie auch mehr und mehr Generalisten interessieren sich zunehmend für unsere Aktie. Wir sind besonders in den beiden wachstumsstarken und zukunftsträchtigen Automobil-Submärkten Fahrerassistenzsysteme und Elektroantriebe positioniert. Das regt die Fantasie der Anleger an.- Viele Analysten erwarten weitere Kurszuwächse. Wie sehen Sie das?Mit den beiden Trends im Automobilgeschäft trauen Investoren uns mehr zu, unser Ziel zu erreichen, beim Umsatz langfristig jährlich um 8 % zu wachsen. Der Grund für unsere gestiegene Glaubwürdigkeit liegt auch darin, dass der gesamte Halbleitermarkt 2016 zwar schrumpfen wird, aber Infineon nach unseren Prognosen, bereinigt um Zukäufe und Währungen, im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr signifikant um einen höheren einstelligen Prozentsatz wachsen wird.- Sie haben keinen Ankeraktionär, der die Unabhängigkeit sichert. Läuft Infineon Gefahr, im derzeitigen Übernahmefieber selber geschluckt zu werden?Wir können unser Schicksal selber in die Hand nehmen und weiter wachsen. Dazu gehören auch Zukäufe. Das zeigen unsere Akquisition von International Rectifier und der geplante Erwerb von Wolfspeed in den USA. Skaleneffekte treiben die derzeitige Konsolidierungswelle in der Chipindustrie an. Wir konzentrieren uns auf die Wertsteigerung, sowohl organisch als auch über Zukäufe in Eigenregie.- Infineon hat deutliche Fortschritte gemacht bei der Marge. Müssen Sie Ihr Profitabilitätsziel nach oben anpassen?Wir peilen über den Zyklus hinweg nach wie vor eine operative Segmentergebnismarge von 15 % an. Diese Vorgabe haben wir allerdings zu einer Zeit definiert, als der Dollar noch deutlich schwächer war als heute. Der stärkere Dollar hilft uns jetzt etwas. Der Ausblick für das Ende September abgelaufene Quartal liegt im Mittel mit 17 % leicht über dem langfristigen Ziel. Wir machen uns natürlich regelmäßig Gedanken, wie wir über das bisherige Ziel hinaus weiter Fortschritte machen können. Konkrete Ziele für das nunmehr laufende Geschäftsjahr werden wir auf unserer Bilanzpressekonferenz am 23. November kommunizieren. Darüber hinaus wächst die Forderung im Markt nach Zielanpassungen. Dem werden wir uns zu gegebener Zeit stellen.- Wie wirkt sich die Dollaraufwertung aus?Wenn der Dollar gegenüber dem Euro pro Quartal um einen Cent aufwertet, erhöht das unseren Umsatz um circa 7 Mill. bis 8 Mill. Euro. Dieser Wechselkurseffekt bringt uns etwa 3 Mill. Euro Segmentergebnis zusätzlich. Dabei sind gewisse Korrelationen zwischen dem Dollar und anderen für uns auf der Kostenseite wichtigen Währungen wie dem malaysischen Ringgit unterstellt. Wir wollen aber unser Margenziel auch erreichen, wenn der Dollar wieder etwas schwächer wird.- Welche Rolle spielen die US-Zukäufe für das Margenziel?Die 15 % Segmentergebnismarge sind für uns ein wichtiger Orientierungspunkt. Diesen Wert haben wir bereits im Geschäftsjahr 2015 erreicht, für das abgelaufene Geschäftsjahr 2016 hatten wir uns das Ziel gesetzt, darüber zu liegen. Rückenwind kam besonders 2015 von den Währungseffekten. Mit den Zukäufen ist der Dollaranteil am Konzernumsatz übrigens auf die Hälfte gestiegen, die andere Hälfte ist überwiegend in Euro fakturiert. Unsere Ziele für das begonnene Geschäftsjahr werden wir wie üblich Ende November bekannt geben. Dieser Ausblick hängt deutlich von der weltweiten Konjunktur ab.- Der Markt geht davon aus, dass bei Infineon auf mittlere Sicht die Serie von Umsatz- und Ergebniszuwächsen anhält. Wie sehen Sie das?Die Subsegmente unseres Geschäfts laufen unterschiedlich. Das Automobilgeschäft zum Beispiel ist sehr stark. Die Zahl der weltweit produzierten Fahrzeuge steigt dieses Jahr um circa 3 %. Im Investitionsgüterbereich ist die Nachfrage dagegen mau. Das liegt etwa am schwachen Öl- und Gasgeschäft. Auch bei Bezahlkarten gibt es Gegenwind aufgrund der noch hohen Lagerbestände. Die Chipbranche befindet sich keineswegs in einer Boomphase. Aufgrund unseres diversifizierten Portfolios können wir unser Trendlinienwachstum trotzdem gut abbilden.- Was dämpft derzeit den weltweiten Chipmarkt?Schwach läuft wie gesagt weiterhin der Investitionsgüterbereich. Außerdem drücken der Preisverfall und das geringere Stückzahlwachstum bei Smartphones. Deshalb fiel der saisonale Aufschwung im zweiten Halbjahr des Geschäftsjahres sehr gedämpft aus.- Das Ergebnis im Geschäftsjahr 2016 ist voraussichtlich gestiegen. Was heißt das für die Dividende?Grundsätzlich wollen wir von Jahr zu Jahr mindestens eine gleichbleibende und, wenn möglich, eine höhere Dividende ausschütten. Ein Ergebniszuwachs bietet tendenziell Potenzial, das muss aber vor dem Hintergrund des geschäftlichen Ausblicks sehr genau abgewogen werden. Wir werden uns auch dazu auf der Bilanzpressekonferenz im November äußern. Zur Erinnerung: Für das Geschäftsjahr 2015 hatten wir die Dividende um 2 Cent – oder 11 % – auf 0,20 Euro je Aktie erhöht. Damit haben wir 35 % des Konzernüberschusses von 634 Mill. Euro ausgeschüttet.- Wird mit dem Wachstumstrend im Automobilsektor Infineon von Investoren verstärkt als Autozulieferer wahrgenommen?Nein, wir werden nicht als reiner Autozulieferer missverstanden. Die beiden Wachstumstrends in dieser Branche bringen uns besonders viel Umsatzpotenzial als Hersteller von Leistungshalbleitern und Sensorik. Es gibt wenige Unternehmen wie Infineon, die so stark von diesen Trends profitieren können. Wir glauben, dass wir mit Fahrerassistenzsystemen und elektrischen Fahrzeugantrieben künftig die Hälfte der erwarteten Erlöszuwächse in der Automotive-Sparte von im Schnitt 8 % jährlich generieren. Das entspricht im nunmehr laufenden Geschäftsjahr einer Zuwachsrate in den beiden Feldern von grob 40 bis 50 % pro Jahr – ausgehend natürlich von einer relativ niedrigen Umsatzbasis. Das ist wie bei einem Start-up. Wir haben sehr viel in diese Bereiche investiert. Jetzt kommen wir langsam in die Erntephase.- Infineon ist im Automotive-Segment die Nummer 2 nach NXP. Streben Sie auf diesem Gebiet die Marktführerschaft an?Ja. Mit einem Marktanteil von 10,4 % stehen wir derzeit auf Platz 2. Im vorigen Jahr haben wir den japanischen Wettbewerber Renesas organisch überholt. Dadurch standen wir zeitweilig auf Rang 1. Mit der Übernahme von Freescale in den USA hat der europäische Chiphersteller NXP diese Position aktuell übernommen. Wir streben aber wieder ganz klar operativ die Marktführerschaft bei Automobilhalbleitern an. Vor allem sind wir davon überzeugt, dass wir bei Halbleitern, die zum Fahren des Autos benötigt werden, bereits Weltmarktführer sind. Bereiche wie Infotainment oder Autoradio, in denen andere Wettbewerber stark sind, sind für unsere Strategie nicht relevant.- Sollen die beiden Trends auch die Marge heben?Wir gehen nicht davon aus, dass die beiden Wachstumsgeschäfte im Automobilbereich strukturell höhere Margen bringen werden als die bereits bestehenden. Die Bäume werden auch hier nicht in den Himmel wachsen. Schließlich haben wir es auf der Abnehmerseite mit Konzernen zu tun, die über eine starke Position im Einkauf verfügen. Wir können aber sehr gute Kapitalverzinsungen mit den Margen erreichen. Allerdings muss auch das Segment Automotive die Zielmarge von 15 % grundsätzlich erfüllen. Das Wachstum soll dazu beitragen.- Wo verfügen Sie noch über Stellschrauben, um die Profitabilität zu steigern?Wir haben Potenzial, die Produktivität auf der operativen Seite zu steigern. Wir haben die Möglichkeit, unsere Fabrik in Dresden, die als einzige weltweit Leistungsbauelemente auf dünngeschliffenen 300-Millimeter-Wafern herstellt, zu füllen. Unsere Anlaufkosten waren mit rund 60 Mill. Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr dafür noch erheblich. Die Fabrik ist noch gering ausgelastet. Wir wollen die Auslastung der Kapazitäten aber bis Ende 2017 so weit erhöhen, dass wir diese Kosten hinter uns haben. Dieser Gegenwind in der Marge läuft dann aus.- Wie viel Volumen soll über die 300-mm-Technologie gehen?In der nächsten Dekade könnte von den Leistungshalbleitern, die 60 % unseres Umsatzes ausmachen, ungefähr ein Drittel in der Dresdner 300-mm-Fabrik gefertigt werden. Das wären also 20 % des Konzernumsatzes. Ein weiteres Drittel kann dann von unserem kostengünstigen Standort in Malaysia kommen. So würden wir künftig zwei Drittel unserer Leistungshalbleiter an extrem wettbewerbsfähigen Produktionsstandorten fertigen.- Wie federn Sie den Preisverfall in der Branche ab?Es ist unser tägliches Brot, dass wir Produktivität liefern müssen, um unsere Marge gegen den ständig stattfindenden Preisverfall zu stabilisieren. Die Produktivität aus der 300-mm-Fertigung wird dafür einer der wesentlichen Hebel sein.- Geht Ihre Einkaufstour nach der Übernahme von Wolfspeed weiter?Ich glaube, wir werden mit der Integration von Wolfspeed eine Weile beschäftigt sein. Wir sind daran interessiert, jeden unserer Geschäftsbereiche auszubauen. Und gerade haben wir mit dem Kauf des Spezialisten Innoluce unsere Kompetenz für automatisiertes Fahren verstärkt. Weitere Arrondierungen unseres Portfolios durch Zukäufe sind durchaus möglich, große Transaktionen stehen aber in naher Zukunft erst einmal nicht an.- Wie viel Fremdkapital könnte Infineon für Akquisitionen maximal noch aufnehmen?Wir könnten entsprechend unseren bestehenden Kapitalstrukturzielen noch grob 1 Mrd. Euro Fremdkapital aufnehmen. Für uns ist außerdem wichtig, dass wir uns mit Standard & Poor’s darüber eng abstimmen, was im Rahmen unseres Ratings möglich ist. Wir wollen das “BBB”-Rating von S & P halten.- Die beiden US-Akquisitionen waren für Sie relativ teuer. Wie rechnet sich das?Wir erwerben nur dann ein Unternehmen, wenn wir davon überzeugt sind, dass wir mit der Akquisition die Kapitalkosten mindestens einspielen können. Mit dem Beitrag von International Rectifier sind wir sehr zufrieden. Wolfspeed gleicht in vielen Bereichen einem Start-up-Unternehmen. Die Firma hat bereits hohe Vorleistungen für Technologien gestemmt, die für uns von Interesse sind. So wollen wir bei den Leistungsverstärkern für Basisstationen im Mobilfunk bis Ende der laufenden Dekade von Rang 3 auf Platz 1 vorrücken.- Wird der Übernahmehype in der Branche andauern?Die Preise sind in der Tat hoch. Es gab daher das eine oder andere Projekt, das wir aus diesem Grund nicht abgeschlossen haben. Die Situation hat sich in jüngster Vergangenheit nicht entspannt. Die Preise bleiben sportlich. Ich glaube aber, dass es weitere Konsolidierungen geben wird. Es gibt sehr viele kleine Anbieter, die den Druck sehr stark spüren. Im Gegensatz zu uns sind viele dieser Firmen nicht mehr in der Lage, eine Vorwärtsstrategie zu entwickeln.- Birgt der mit den Zukäufen in der Bilanz aufgebaute Goodwill finanzielle Risiken?Der Goodwill aus der Übernahme von International Rectifier beträgt etwa 770 Mill. Euro. Die Wolfspeed-Akquisition werden wir voraussichtlich zum Jahresende abschließen. Der Goodwill birgt keine finanziellen Risiken. Es handelt sich um ein buchhalterisches Thema. Alle nicht klar zuzuordnenden Vermögenswerte werden darin erfasst. Die regelmäßigen Abschreibungen auf sonstige immaterielle Vermögensgegenstände wie Entwicklung und Kundenbeziehungen werden uns noch eine ganze Weile begleiten. Sie sind aber nicht zahlungswirksam. Letztlich kommt es auf den Cash-flow an, den man erwirtschaftet.- Wie sieht es beim freien Cash-flow aus?Auch dazu können wir mehr Ende November bei der Vorlage der Bilanz sagen. Unser Ziel war es, im Geschäftsjahr 2016 einen freien Cash-flow von rund 500 Mill. Euro zu erwirtschaften. Nach neun Monaten lagen wir bei 322 Mill. Euro.- Der Rechtsstreit mit dem Qimonda-Insolvenzverwalter hält an. Wie beurteilen Sie das finanzielle Risiko?Da wir die Forderungen des Insolvenzverwalters aus der sogenannten Differenzhaftung bezüglich der Qimonda AG für unbegründet halten, haben wir nur die Prozesskosten zurückgestellt. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir dennoch nicht mit Sicherheit sagen können, ob die Rückstellungen letztlich ausreichen werden. Eine außergerichtliche Einigung ist jedenfalls nur dann möglich, wenn der Preis vertretbar ist.—-Das Interview führte Stefan Kroneck.