Venture Capital

Start-up-Investoren aus Berlin starten LGBTQ+-Fonds

Mit 50 Mill. Euro will Identity.vc in Gründer und Gründerinnen investieren, die nicht Teil der heteronormativen Gesellschaft sind. Das Interesse in der Szene ist groß, sagt Gründungspartner Til Klein.

Start-up-Investoren aus Berlin starten LGBTQ+-Fonds

Berliner starten LGBTQ+-Startup-Fonds

identity.vc sammelt 50 Mill. Euro zur Förderung von mehr Diversität in Europas Gründerszene – Vorbild USA

Mit 50 Mill. Euro will Identity.vc in Gründer und Gründerinnen investieren, die nicht Teil der heteronormativen Gesellschaft sind. Das Interesse in der Szene ist groß – sowohl bei den Start-ups als auch bei den Geldgebern, sagt Gründungspartner Til Klein. Die Venture-Capital-Branche brauche dringend einen kulturellen Wandel.

kro Frankfurt

Dass es mit Auxxo aus Berlin, F und F aus Österreich oder Sista aus Frankreich bereits erste europäische Wagniskapitalgeber gibt, die gezielt in weibliche Gründerinnen investieren, dürfte in der Szene bekannt sein. Dass es mit Identity.vc in Europa jetzt aber auch einen Fonds gibt, der sich speziell an LGBTQ-Gründer und -Gründerinnen richtet, ist auf dem Kontinent wohl ein ziemliches Novum.

Das sagt zumindest Gründungspartner Til Klein, ein ehemaliger Boston-Consulting-Partner und Fintech-Gründer, der den 50 Mill. Euro schweren Fonds zusammen mit dem Family-Office-Investor Jochen Beutgen ins Leben gerufen hat. „In den USA sind wir vor einigen Jahren auf das Investmentsyndikat Gaingels gestoßen, das in LGBTQ+-Gründer investiert. Mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 800 Mill. Dollar und über 70 Unicorns im Portfolio sind die Gaingels außerordentlich erfolgreich", erzählt Klein. „Wir haben uns damals gefragt, warum es so eine Initiative noch nicht in Europa gibt. Ein paar Jahre haben wir beschlossen, es selbst zu machen.“

Vor wenigen Tagen hat identity.vc sein erstes Closing bekanntgegeben. Der Fonds investiert in frühphasige Start-ups (von der Pre-Seed- bis zur Series-A-Phase), deren Sitz vornehmlich in Europa liegt und bei denen Gründer oder Top-Manager aus der LGBTQ+-Community kommen. Das bedeutet, dass deren sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität von der heterosexuellen Norm abweichen.

Es ist einer von vielen Diversitätsaspekten, den der Fonds damit adressiert. Der Fokus biete aber Potenzial, sagt Klein: „Es gibt viele Studien, die zeigen, dass Diversität Performance treibt. Gleichzeitig gibt es viele LGBTQ+-Gründer, die glauben, ihre sexuelle Orientierung vor Investoren verbergen zu müssen. Wir denken aber, dass genau daraus ein Nachteil entsteht, denn es kostet Gründer unnötig Energie, die sie brauchen, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Außerdem ist es keine gute Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Gründern und Investoren.“

VC-Branche braucht „kulturellen Wandel“

Laut Identity.vc haben mittlerweile rund 15% aller Start-ups einen LGBTQ+-Mitgründer − der Fonds beruft sich hierbei auf Schätzungen. Eine im vergangenen Jahr in Großbritannien durchgeführte Umfrage vom Investorenkollektiv Proud Ventures unter gut 100 LGBTQ+-Gründern hat zudem ergeben, dass 75% ihre sexuelle Orientierung und Identität bis zu einem gewissen Grad vor Investoren geheim halten. Forschungen zufolge wirkt sich ein solches Verhalten negativ auf die körperliche und mentale Gesundheit von Menschen aus.

Identity.vc hat bislang in vier Start-ups investiert, darunter in die Berliner KI-Firma Frontnow. Das Interesse in der Start-up-Szene sei groß, erzählt Klein: „Wir haben allein durch die Bekanntgabe des Fonds-Starts in der vergangenen Woche unheimlich viele Anfragen bekommen und werden überall mit offenen Armen empfangen. Gründer wollen uns als Investoren, um das Thema Diversität zu repräsentieren und einen besseren Zugang zur LGBTQ+-Startup-Community zu erhalten.“

Laut Klein wünschen sich aber nicht nur Gründer mehr Offenheit in der Szene. Auch Geldgeber würden sich mit zunehmend mit dem Thema auseinandersetzen. Das zeigt eine 2023 veröffentlichte Umfrage von Morgan Stanley unter 1.000 US-Investoren. 45% der Befragten hatten darin angegeben, an Anlageprodukten interessiert zu sein, die die Gleichstellung und Integration der LGBTQ+-Community fördern. Das Interesse war vor allem bei jüngeren Investoren groß.

„Unsere Investoren sind sehr dankbar, dass sie jetzt die Gelegenheit haben, in LGBTQ+-Gründer zu investieren“, sagt er. „Die Venture-Capital-Szene ist noch immer sehr traditionell geprägt. Vielen ist inzwischen bewusst, dass sich daran etwas ändern muss. Die Venture-Capital-Branche braucht dringend einen kulturellen Wandel, hin zu mehr Vielfalt und Inklusion.“


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