Start-ups werben Rekordsummen ein

Dennoch bleibt die Finanzierung das Hauptproblem bei Gründern - Berlin schiebt sich an London vorbei

Start-ups werben Rekordsummen ein

Obwohl deutsche Start-ups derzeit so viel Geld bei VC-Investoren einwerben wie noch nie, bleibt die Finanzierung weiterhin das Hauptproblem in der hiesigen Gründerszene. In Berlin investieren Wagniskapitalgeber inzwischen mehr Geld als im bisher in Europa führenden London.ge Berlin – Deutsche Start-ups haben im ersten Halbjahr 2015 mehr als 1,9 Mrd. Euro bei Venture-Capital(VC)-Investoren eingesammelt. Das ist fast dreimal so viel wie im Gesamtjahr 2013 und mehr als im gesamten Turnus 2014, als in Deutschland insgesamt knapp 1,6 Mrd. Euro in Jungunternehmen flossen, zeigt das Start-up-Barometer der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (früher Ernst & Young). Mit 1,4 Mrd. Euro entfielen dabei gut zwei Drittel dieser Summe auf Risikokapitalinvestitionen in Berlin.Damit haben sich die hauptstädtischen Start-ups europaweit an die Spitze geschoben und das bislang führende London, wo im Halbjahr nicht ganz 1,1 Mrd. Euro eingeworben wurden, überholt. Mit großen Finanzierungsrunden fiel in diesem Jahr etwa der Essens-Lieferdienst Delivery Hero auf, an dem auch die Start-up-Schmiede Rocket Internet beteiligt ist. Aber auch der Kochboxlieferant (und mutmaßliche IPO-Kandidat) Hellofresh hatte im Februar 110 Mill. Euro eingeworben.Trotz dieses warmen Geldregens bleibt die Finanzierung nach wie vor die größte Sorge der Unternehmen, die nicht älter als zehn Jahre sind. Nannten im Vorjahr aber noch 44 % fehlende Gelder als das größte Problem, sind es aktuell “nur” noch 38 %, listet die Studie weiter auf.Vor allem Firmen in den frühen Phasen Seed/Early (56 %) und Start-up (58 %) brauchten dringend Mittel für weiteres Wachstum. Als Grund nennt EY-Partner Peter Lennartz die Vorliebe vieler Investoren für Unternehmen in späteren Entwicklungsphasen, wenn das Risiko besser abzuschätzen sei. Hierzulande fehle es noch an einer echten Venture-Capital-Struktur, die bereits in sehr frühen Entwicklungsphasen der Unternehmen zum Einsatz kommt. “Vermehrt staatliche Förderungen wären eine Möglichkeit, diese Lücke zu schließen.” “Think Big” gefragtDer EY-Studie zufolge deute sich für 2015 aber nicht nur in Deutschland, sondern auch europaweit ein neuer VC-Rekord an. Bereits zur Jahresmitte konnten sich Start-ups 6,5 Mrd. Euro an Risikokapital sichern – verglichen mit knapp 5 Mrd. Euro im gesamten Jahr 2013 und 7,6 Mrd. im vergangenen Turnus. Lennartz begründet die große Risikobereitschaft mit der Suche nach höheren Renditen in der aktuellen Niedrigzinsphase. Zudem gebe es auch in Deutschland mittlerweile erfolgreiche Exits, was deutsche Start-ups zu attraktiven Investitionszielen mache.Beklagt werden von den jungen Unternehmern weiterhin ungenügende Rahmenbedingungen. Die besten Voraussetzungen sprechen fast vier von fünf Gründern Berlin zu, während nur gut jeder dritte Gründer Bayern als idealen Standort sieht.Erstaunt ist Lennartz, dass nicht einmal ein Drittel aller hiesigen Start-ups auf den Weltmarkt ausgerichtet sind. “,Think Big` – das müssen deutsche Unternehmer oft noch lernen.” Dabei werde die Chance, Risikokapitalgeber anzuziehen, umso größer, je internationaler sich ein Start-up-Unternehmen aufstellt.