Startschuss für Nucera-Börsengang
Startschuss für Nucera-Börsengang
Bis zu 600 Mill. Euro zur Wachstumsfinanzierung – IPO der Thyssenkrupp-Tochter noch vor Sommerpause – USA und Europa im Fokus
ab Düsseldorf
Das lange Warten hat ein Ende: Am Montag ist der Startschuss für den Börsengang von Thyssenkrupp Nucera, der Wasserstofftochter des Industriekonzerns, gefallen. Noch vor der Sommerpause will Nucera den Kurszettel verlängern. Im Wege einer Kapitalerhöhung sollen bis zu 600 Mill. Euro eingesammelt werden.
Noch vor der Sommerpause will Thyssenkrupp Nucera den lange avisierten Börsengang wagen. Nach dem wenig erfolgreichen IPO der United-Internet-Tochter Ionos wäre es hierzulande erst das zweite namhafte IPO in diesem Jahr. Am Montag gab die Wasserstofftochter von Thyssenkrupp den Startschuss. Im Wege einer Kapitalerhöhung will Nucera 500 bis 600 Mill. Euro zur Wachstumsfinanzierung des Geschäfts mit der alkalischen Wasserelektrolyse einsammeln, wie Vorstandschef Werner Ponikwar vor Medienvertretern sagte.
Damit hat sich an den Eckdaten nichts geändert. Denn schon im ersten Anlauf im vorigen Jahr sollten mit der Ausgabe neuer Aktien bis zu 600 Mill. Euro eingesammelt werden. Aufgrund des stark eingetrübten Marktumfeldes hatte Thyssenkrupp das Vorhaben Mitte Juni 2022 allerdings auf Eis gelegt. Unter Verweis auf Insider sprechen Nachrichtenagenturen jetzt von einer Unternehmensbewertung von 4 bis 5 Mrd. Euro. Nach Abgabe der Intention to Float dauert es in der Regel noch vier bis sechs Wochen bis zum Tag der Erstnotiz.
Aktuell befindet sich der Hersteller von Elektrolysetechnologie im Besitz von Thyssenkrupp (66%) und der italienischen Industrie De Nora (34%). In welchem Umfang sich die Altaktionäre von Aktien trennen, bleibt vorerst offen. Letztlich dürfte der Umfang vom Verlauf der Vermarktung abhängen, wollen die Altaktionäre doch zugleich sicherstellen, dass die Aktie auch liquide ist. Thyssenkrupp hat ihr langfristiges Engagement zugesagt und will absehbar eine Mehrheitsbeteiligung behalten. „Wir wollen Thyssenkrupp Nucera als globalen Elektrolysetechnologieführer für grünen Wasserstoff noch sichtbarer machen“, wird der neue Thyssen-Chef Miguel Ángel López Borrego zitiert.
Führende Marktposition
Auch Paolo Dellachà, CEO von Industrie De Nora, bekräftigt, die Partnerschaft fortsetzen zu wollen: „Wir glauben, dass der Börsengang ein strategisch wichtiger Schritt ist, um das geplante Wachstum zu unterstützen und die technologische Führungsposition weiter auszubauen.“ Begleiten lässt sich Nucera von Citigroup und Deutsche Bank, die als Joint Global Coordinators fungieren. Als Joint Bookrunner sind Commerzbank, Société Générale und Unicredit mandatiert sowie Banco Santander, Crédit Agricole und Intesa Sanpaolo als Co-Lead-Manager.
Nucera, die bislang vor allem Anlagen zur Chloralkali-Elektrolyse herstellt, setzt auf den wachsenden Markt für grünen Wasserstoff, der als einer der wichtigsten Rohstoffe zur Dekarbonisierung der Industrie gilt. Hatte der Markt für (grauen) Wasserstoff 2021 ein Volumen 94 Mill. Tonnen oder 3.700 Terawattstunden (TWh), rechnet die Internationale Energieagentur (IEA) bis 2050 mit einer Versiebenfachung auf 660 Mill. t oder 26.004 TWh. Dabei soll sich der Anteil an grünem Wasserstoff nach einer Studie des Hydrogen Council in Zusammenarbeit mit McKinsey auf 70% belaufen.
Die Technologie der alkalischen Wasserelektrolyse ist zwar noch jung, doch muss Nucera die Anlagen zur Herstellung von Chloralkali-Elektrolyse nur geringfügig umbauen, um sie für die alkalische Wasserelektrolyse verwenden zu können. Nucera bringe im Bereich der Chloralkali-Elektrolyse Erfahrung aus fünf Dekaden mit, heißt es. Abgeschlossen wurden mehr als 600 Projekte mit einer installierten Leistung von mehr als 10 Gigawatt (GW). Mit der eigenen Technologie sei es möglich, grünen Wasserstoff in industriellem Maßstab herzustellen. Zudem ließen sich die Anlagen aufgrund des modularen Ansatzes kostengünstig bauen, wirbt der Börsenaspirant.
Wenig kapitalintensiv
Das Geld aus dem Börsengang will Nucera zum Ausbau von Forschung & Entwicklung sowie in den weltweiten Aufbau der Organisation verwenden. Als Kernmärkte gelten der Heimatmarkt Europa und die USA. Dort rechnet sich Ponikwar angesichts des milliardenschweren Förderprogramms IRA große Wachstumschancen aus. Konkret sind für die nächsten vier Jahre F&E-Investitionen von 150 bis 250 Mill. Euro budgetiert, für die gleiche Zeitspanne wird mit Sachinvestitionen in vergleichbarem Umfang gerechnet. Da Nucera die Anlagen in Auftragsfertigung produzieren lässt, ist das Geschäftsmodell wenig kapitalintensiv. Investiert wird aber auch in die Lieferkette. „Wir sind darauf bedacht, auch für kritische Komponenten mehr als einen Lieferanten zu haben“, sagte Ponikwar der Börsen-Zeitung.
Noch entfällt das Gros des Geschäfts bei Nucera auf die Chloralkali-Elektrolyse. Doch das Wachstum kommt vor allem aus der alkalischen Wasserelektrolyse (AWE). Das lässt sich am Auftragsbestand ablesen: Vom Auftragsbuch von 1,4 Mrd. Euro per Ende März 2023 entfiel etwa 1 Mrd. Euro auf das AWE-Geschäft. Am Konzernumsatz von 306 Mill. Euro im ersten Halbjahr des im September endenden Geschäftsjahres hatte das AWE-Geschäft den Angaben zufolge einen Anteil von gut 40%. Der Segmentumsatz habe sich im Vergleich zum Vorjahr im ersten Halbjahr verneunfacht, hob CFO Arno Pfannschmidt hervor. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) belief sich im ersten Halbjahr auf 13,3 Mill. Euro. Allerdings wird für die zweite Jahreshälfte mit deutlich höheren Vorlaufkosten kalkuliert.
Break-even 2024/25
Die Gewinnschwelle auf Ebit-Basis wird im AWE-Geschäft für das Geschäftsjahr 2024/25 avisiert bei Umsätzen von dann 850 bis 900 Mill. Euro. Mittel- bis langfristig kalkuliert Pfannschmidt mit einer operativen AWE-Marge im niedrigen bis mittleren Zehnerbereich. Dazu beitragen soll auch das Servicegeschäft, das etwa sechs bis acht Jahre nach Installation der Anlagen Fahrt aufnehmen dürfte. Im Chloralkali-Geschäft, in dem es das Servicegeschäft schon heute auf einen Umsatzanteil von über 50% bringt, liegt die Latte nicht ganz so hoch. Dort wird mittelfristig mit einer hohen einstelligen Ebit-Marge gerechnet.