IM BLICKFELD

Statt deutscher Fintechs streben Ausländer an Deutsche Börse

Von Ulli Gericke, Berlin Börsen-Zeitung, 26.8.2015 Es war ein furioser Börsengang, den der Internet-Kreditvermittler Lending Club aus San Francisco Mitte Dezember 2014 hingelegt hatte. Zu 15 Dollar zugeteilt, schoss die Aktie in den ersten...

Statt deutscher Fintechs streben Ausländer an Deutsche Börse

Von Ulli Gericke, BerlinEs war ein furioser Börsengang, den der Internet-Kreditvermittler Lending Club aus San Francisco Mitte Dezember 2014 hingelegt hatte. Zu 15 Dollar zugeteilt, schoss die Aktie in den ersten Handelsstunden bis auf 25,44 Dollar, womit das Unternehmen, das über eine Online-Plattform eine Verbindung zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern herstellt, ohne selbst Darlehen auszureichen, auf eine Marktkapitalisierung von 8 Mrd. Dollar kam. Davon kann man hierzulande nur träumen, wo Initial Public Offerings (IPOs) von Fintech-Firmen rar gesät sind. Das größte dieser aufstrebenden Finanz-Start-ups ist Ferratum, ein finnischer Mikrokreditanbieter, der es nur wenige Monate nach seinem IPO an der Frankfurter Börse in den SDax geschafft hat. Aktuell Marktwert: nicht ganz 500 Mill. Euro – in etwa ein Siebtel dessen, was Lending Club momentan auf die Waage bringt.Diesem Beispiel will in den nächsten vier Wochen die TF Bank folgen. Interessanterweise strebt auch dieses schwedische Fintech an den Finanzplatz Frankfurt, an dem – sollten die Börsenpläne die aktuelle China-Depression überleben – in Zukunft mehr ausländische Fintechs notiert sein werden als deutsche. Denn außer der selbst ernannten FinTech Group, die allerdings erst 2014 von Großaktionär Bernd Förtsch von ehedem Flatex – einem Online-Broker – in das modische FinTech umfirmiert wurde, gibt es ansonsten nur noch Wirecard mit ihren technischen Lösungen für den elektronischen Zahlungsverkehr, die mit viel gutem Willen als börsennotierte Fintechs zu finden sind. Doch ob diese Unternehmen so ohne Weiteres als Start-up durchgehen können, darf bezweifelt werden, sind doch beide schon jahrelang an der Börse gelistet – Wirecard inzwischen im TecDax. Musik kam in die FinTech-Aktie übrigens erst ab dem vergangenen Jahr, nachdem der Wert fast fünf Jahre vor sich hingedümpelt war. Parallel zum steigenden Bekanntheitsgrad des magischen Wörtchens Fintech verdreifachte sich der Kurs der FinTech-Aktie auf in der Spitze 17,20 Euro. Aktuell notiert sie bei 12,06 Euro. Seed-Kapital statt IPOStellt sich die Frage, warum deutsche Fintechs nicht börsenreif sind, obwohl ausländische Tech-Werte zeigen, dass der Finanzplatz Frankfurt durchaus Vorteile besitzt. Und das, obwohl Toby Triebel, Mitbegründer und CEO der Online-Kreditplattform Spotcap (die zum Rocket-Internet-Imperium gehört), den deutschen Fintech-Firmen großartige Chancen zuspricht. Schließlich agierten sie in einem bürokratischen und konventionellen Bankenumfeld, das Fintechs die Möglichkeit eröffne, Vorteile aus dem Unvermögen der Banken zu ziehen, mit der Zeit zu gehen – so festgehalten auf einer Seite des Deutsche Börse Venture Network, zu dem auch Spotcap gehört.Doch trotz dieser vermeintlich idealen Bedingungen sind die hiesigen Fintechs in ihrer übergroßen Anzahl noch wirkliche Start-ups. Statt mit einem Börsengang beschäftigen sie sich mit einer Erst- oder Zweitrunden-Finanzierung, bei der es als großer Erfolg gilt, wenn 2 Mill. Euro als Seed-Kapital (wie etwa bei Cashboard) eingesammelt werden können. Allgemeine Bewunderung wurde unlängst dem Hamburger Start-up Kreditech zuteil, nachdem der für sein goldenes Händchen bekannte Silicon-Valley-Risikokapitalgeber Peter Thiel – Mitgründer von Paypal – einen zweistelligen Millionenbetrag in den Anbieter von Mikrokrediten investiert hatte. Auch mit diesen Geldern seien im ersten Teil der laufenden C-Finanzierungsrunde 40 Mill. Euro zusammengekommen. Darüber hinaus sei man in Gesprächen über weitere 50 bis 100 Mill. Euro, lässt sich CFO René Griemens zitieren. Trotz der sich länger als geplant hinziehenden Finanzierungsrunde hatte Griemens im Frühjahr die Hoffnung versprüht, Kreditech könne bereits 2016 börsenreif sein. Erst Anleihe, dann AktieSchon seit diesem Februar ist der Konkurrent Ferratum in Frankfurt gelistet. Ganz neu war den Finnen der Finanzplatz nicht, hatte sie am Main doch schon im Herbst 2013 eine fünfjährige Anleihe über 25 Mill. Euro und einem Kupon von 8 % begeben. Dieser Bond notiert derzeit bei 108 %. Eine in diesem Sommer nachgeschobene Anleihe über 20 Mill. Euro mit einem Zinskupon von 4,9 % p. a. und einer Laufzeit von 18 Monaten liegt dagegen bei nur 99,5 %. Dem Vernehmen nach sondierte das Management des nordischen Anbieters von Mikrokrediten bereits vor Jahren, an welchem europäischen Finanzplatz einfach und günstig Aktien, aber auch Bonds platziert werden können. Skandinavische Börsen zogen dabei den Kürzeren. Erst Aktie, dann AnleiheDen umgekehrten Weg – erst ein IPO, dann eine Anleihe – scheint die TF Bank gehen zu wollen. In Frankfurt lockt die Banker die Aussicht, bei der von ihnen angepeilten Marktkapitalisierung ein heißer SDax-Kandidat werden zu können. Die Skandinavier bieten Online-Händlern auf deren Bedürfnisse zugeschnittene Bezahl- und Rechnungslösungen an sowie Verbrauchern unbesicherte Sofortkredite bis zu 6 000 Euro.Auch die Schweden sahen sich zuerst an ihrer heimischen Börse um – schreckten allerdings angesichts der Kosten und bürokratischen Hürden zurück. Mit Schnelligkeit, viel Kapital am Markt und einer funktionierenden Infrastruktur – angefangen von begleitenden Banken bis zu Rechtsanwälten – punktete dagegen Frankfurt. “Kaum zu glauben”, wundert sich ein heimischer Berater über diese ausländische Wertschätzung.