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Stimmrechtsberatern fehlt es an Transparenz

Stimmrechtsberater sind im Zusammenhang mit Kampagnen aktivistischer Investoren ins Rampenlicht gerückt. Problematisch ist die mangelnde Transparenz der Proxy Advisor, ihre Positionierung ist für Unternehmen und übrige Aktionäre nicht nachvollziehbar.

Stimmrechtsberatern fehlt es an Transparenz

Gastbeitrag

Stimmrechtsberatern fehlt es an Transparenz

Vor dem Hintergrund zunehmender Kampagnen so genannter aktivistischer Aktionäre sind jüngst die Stimmrechtsberater verstärkt ins Blickfeld geraten. Die Funktion dieser oftmals global operierenden Berater besteht darin, institutionellen Investoren Empfehlungen an die Hand zu geben, wie sie bei den Hauptversammlungen der in ihrem Portfolio enthaltenen börsennotierten Gesellschaften abstimmen sollen. Der Bedarf für solche Beratung ist verständlich, sind doch die Beschlussvorschläge und die damit verbundenen weiteren Informationen – freilich nicht zuletzt aufgrund der detaillierten Vorgaben der Stimmrechtsberater selbst – zunehmend umfangreich und inhaltlich komplex. Bei den großen deutschen Aktiengesellschaften im Streubesitz folgen ca. 75% der institutionellen, meist ausländischen Investoren den Empfehlungen der Stimmrechtsberater, regelmäßig ohne weitere eigene Prüfung. Das Einflusspotential der Stimmrechtsberater, insbesondere der Marktführer ISS und Glass Lewis, ist mithin beträchtlich.

Novum im deutschen Markt

Für börsennotierte Gesellschaften kann dieser erhebliche Einfluss allerdings unliebsame Entwicklungen befeuern. Ein anschauliches Beispiel lieferte zuletzt die Wahl von zwei Aufsichtsratsmitgliedern bei dem weltweit führenden Chemikaliendistributeur Brenntag. Dort schlug ein aktivistischer Aktionär zwei Gegenkandidaten vor, was nach den öffentlichen Äußerungen dieses Aktionärs eindeutig der Einflussnahme auf die Strategie des Unternehmens diente. Die aktivistischen Aktionäre konnten dabei – ein Novum jedenfalls auf dem deutschen Kapitalmarkt – auf die Unterstützung der einflussreichen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis zählen. Letztlich wurden die vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen Kandidaten mit einer Mehrheit von knapp über 60% gewählt. Dies wurde aber gemeinhin und zu Recht zumindest als Alarmsignal für die Gesellschaften verstanden.

Problematisch sind an diesem Vorgang weder das knappe Abstimmungsergebnis noch die Empfehlungen der Stimmrechtsberater an sich. Jedem Aktionär steht sein Abstimmungsverhalten frei und auch Stimmrechtsberater sind nicht verpflichtet, sich grundsätzlich an den Beschlussvorschlägen der Verwaltung zu orientieren. Problematisch ist vielmehr die in solchen Fällen mangelnde Transparenz, die dazu führt, dass die Positionierung der Stimmrechtsberater für die Gesellschaften und auch für die übrigen Aktionäre nicht hinreichend nachvollziehbar ist.

Die vor einigen Jahren eingeführten Transparenzpflichten, nach denen Stimmrechtsberater verpflichtet sind, jährlich Informationen u.a. über ihre Methoden und Modelle, die Art und Weise der Berücksichtigung nationaler Marktbedingungen und wesentliche Merkmale der verfolgten Stimmrechtspolitik zu veröffentlichen, haben in der Praxis bisher insoweit zu keiner Verbesserung geführt, zumal die Veröffentlichungen eher rudimentär gehalten und entsprechend wenig aussagekräftig sind. Es ist somit unklar, ob Stimmrechtsberater die für Entscheidungen großer Tragweite erforderlichen Ressourcen aufbringen können und wollen, sich die strategische Reichweite einzelner Entscheidungen bewusst machen und die unterschiedlichen Governance-Systeme in verschiedenen Ländern hinreichend im Blick behalten.

Sache der Eigentümer

Zwar veröffentlichen alle maßgeblichen Stimmrechtsberater standardmäßig ihre Richtlinien, anhand derer sie Abstimmungsempfehlungen entwickeln und an denen sich nahezu alle großen börsennotierten Gesellschaften orientieren. Allerdings sind diese Abstimmungsrichtlinien nur auf standardisierte Tagesordnungspunkte und unstreitige Abstimmungen zugeschnitten. Bei streitigen Abstimmungen wie im Falle Brenntag hingegen kann anhand der Richtlinien nicht nur nicht prognostiziert werden, welche Kandidaten letztlich ein positives Votum seitens der Stimmrechtsberater erhalten werden. Vielmehr bleiben allen Beteiligten ein Einblick in die zur Entscheidung führenden internen Abläufe verwehrt. Dies gilt umso mehr, als Stimmrechtsberater in solchen Konstellationen einem Dialog vielfach nicht zugänglich sind.

Welche Konsequenzen folgen daraus? Weitergehende gesetzliche Regelungen dürften nicht die Lösung sein. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung müssen die Unternehmen mit dem Votum der Stimmrechtsberater umgehen können. Letztlich entscheiden die Aktionäre als Eigentümer, die sich auf das Votum der Berater stützen. Es läge aber sowohl im berechtigten Interesse der Gesellschaften als auch der Stimmrechtsberater selbst, durch eine verbesserte Transparenz und insbesondere die Etablierung eines umfassenden und frühzeitigen Dialogs die Nachvollziehbarkeit und damit die Akzeptanz der ausgesprochenen Empfehlungen zu erhöhen. Auch sollten etwaige Interessenkonflikte und wirtschaftliche Beziehungen zwischen Stimmrechtsberatern und anderen Stakeholdern offengelegt werden.

Direkter Kommunikationskanal

Zudem wäre es wünschenswert, wenn sich Stimmrechtsberater in Fällen von „contested elections“, in denen sich anhand ihrer Abstimmungsrichtlinien nicht eindeutig ergibt, in welchem Sinne eine Empfehlung auszufallen hat, eines Votums enthielten. Im Übrigen sind die Gesellschaften gefordert, noch stärker als bisher im Sinne aktiver „proxy solicitation“ einen direkten Kommunikationskanal zu ihren Aktionären zu unterhalten. Nur so ist es möglich, aus Sicht der Gesellschaft drohenden Fehlentwicklungen frühzeitig entgegensteuern zu können und Unterstützung für ihre Vorschläge zu erhalten. Der Fall Brenntag hat bewiesen, dass dies möglich ist.

Dr. Frank Fischer

General Counsel der
Brenntag SE

Sebastian Goslar

Counsel bei der Kanzlei Latham & Watkins