GRENZEN DES WACHSTUMS

Stimmungskiller am M&A-Markt

Handelskrieg und Politisierung von Entscheidungen belasten - Doch weiter grenzüberschreitende Deals

Stimmungskiller am M&A-Markt

Von Walther Becker, Frankfurt Geht der Übernahmeboom und damit der nahezu eine Dekade anhaltende M & A-Zyklus im neuen Jahr zu Ende? Der Markt, gerade auch der deutsche, hängt stark am Tropf der Megadeals in zweistelliger Milliardenhöhe. Für deutsche Interessenten wie etwa Merck, Siemens oder ZF Friedrichshafen und insbesondere mehrfach SAP sind US-Ziele bisher stets käuflich gewesen – wenn denn der Preis stimmte. Das ändert sich gerade tiefgreifend. Dabei sind die Kriterien intransparent, wie CFIUS, der berüchtigte Kontrollausschuss der US-Regierung, demonstriert. Die Genehmigungspraxis wird politisch aufgeladen, und ein immer undurchsichtigeres und engeres Geflecht von Sanktionen belastet auch die Akquisitionsaktivitäten. Das hat Folgen für die bisher herrschende Offenheit auch in Deutschland: Auch Berlin setzt stärker auf Restriktionen, senkte gerade die Eingriffsschwellen auf 10 % und weitet die Kontrollrechte aus. Damit werden Transaktionsprozesse in alle Richtungen ungewisser, dauern länger, werden teurer und komplexer. Gleichzeitig halten sich Chinesen auch auf Druck Pekings zurück, was die potenzielle Käuferschar einengt. Andererseits erleichtert gerade die Volksrepublik die Joint-Venture-Praxis: Ausländische Unternehmen können von 2022 an auch Mehrheiten erhalten – BMW ist hier erster Nutznießer. Schrauben angezogenNachdem die deutschen Vorschriften über die Prüfung von Investitionen von außerhalb der EU/Efta erst 2017 verschärft wurden, zieht die Bundesregierung aktuell die Schrauben an. In den Fällen des Energieversorgers 50Hertz und des Maschinenbauers Leifeld Metal Spinning wurden Investments aus China verhindert. Parallele Entwicklungen sind in anderen Industrienationen zu beobachten. “Um bei globalen M & A-Prozessen Risiken für die Transaktionssicherheit auszuschließen, müssen Verkäufer insbesondere in sensitiven Sektoren das regulatorische Umfeld und das Bieterfeld genau analysieren”, sagt Martin Ulbrich, Partner von Hengeler Mueller. Für 2019 rechnet auch J.P. Morgan mit negativen Auswirkungen der verschärften Regulierung und des wachsenden Protektionismus auf M & A – speziell für grenzüberschreitende Megatransaktionen. Dabei sind beispielsweise die Akquisitionen chinesischer Investoren in der EU schon jetzt eingebrochen. In den ersten neun Monaten kauften sie für 5,5 Mrd. Dollar europäische Unternehmen, was einem Rückgang von 74 % entspricht. Um einen der größten Deals aus China in Europa – die im Frühjahr avisierte Übernahme des Versorgers EDP aus Lissabon durch China Three Gorges – ist es sehr ruhig geworden. Wie stark die Trump-Administration M & A politisiert, zeigt sich an den geplatzten Deals von Broadcom bei Qualcomm und von Qualcomm bei NXP. Hier sollte es um 148 Mrd. bzw. 44 Mrd. Dollar gehen. Nach dem Motto “Haust du meine Tante, hau ich deine Tante” wurden beide Deals verhindert. In der Warteschleife steckt die Übernahme von Sprint – dahinter steht Softbank aus Japan – durch T-Mobile US.So kann keine Rede davon sein, dass die Globalisierung am Ende ist: Die Übernahmen von Qualtrics durch SAP für 8 Mrd. Dollar (zuvor Callidus für 2,6 Mrd.), des Baustoffherstellers USG durch das Familienunternehmen Knauf für 6,9 Mrd. Dollar, die Stahlfusion von Tata und Thyssenkrupp (6,5 Mrd. Dollar) oder die Aufstockung von BMW in China sprechen eine klare Sprache. Doch verglichen mit der je nach Methodik mit 38,6 Mrd. Dollar bis 54,4 Mrd. Dollar bewerteten Zerschlagung der RWE-Tochter Innogy oder dem Verkauf des Kabelnetzbetreibers Unitymedia für 21,8 Mrd. Dollar an Vodafone – hier macht mit Liberty ein US-Gesellschafter in Deutschland Kasse in einer doch auch sensiblen Infrastruktur – sind die Expansionsschritte hiesiger Konzerne jenseits der Grenzen eher kleinteiliger. Indessen hat Merck ihr OTC-Geschäft im alten Jahr an den US-Multi Procter & Gamble veräußert, US-Finanzinvestoren legen sich mit der HSH erstmals eine Landesbank zu und schauen mit der Nord/LB schon auf die nächste. Und der Wohnwagenhersteller Hymer kommt nicht an die Börse zurück, sondern wird an Thor in Amerika verkauft. Morgan Stanley Infrastructure hat 5,0 Mrd. Dollar für den Schienenlogistiker VTG geboten. Doch Megadeals wie die Monsanto-Übernahme durch Bayer oder Linde/Praxair sind in dem eingetrübten Umfeld 2019 nicht am Horizont.