Stolperstein Altersversorgung

Einigung mit britischen Gewerkschaftlern war Voraussetzung für die Fusion

Stolperstein Altersversorgung

Von Andreas Hippin, LondonErst die Ausgliederung des 15 Mrd. Pfund schweren British Steel Pension Scheme (BSPS) hat der indischen Tata Group neue Optionen für das europäische Stahlgeschäft eröffnet. Ansonsten hätte in Großbritannien die Zahlungsunfähigkeit gedroht. Die Verantwortung für die Altersversorgungsansprüche von 130 000 derzeitigen und früheren Mitarbeitern war für das Management ein großer Stolperstein auf dem Weg zur angestrebten Zusammenlegung mit der Stahlsparte von Thyssenkrupp. Tata einigte sich deshalb Anfang August mit den Treuhändern des Altersversorgungswerks und Gewerkschaftlern darauf, 550 Mill. Pfund einzuzahlen und dem BSPS 33 % an Tata Steel UK zu übertragen, um sich dieser Last zu entledigen.Die Beschäftigten hatten sich Anfang des Jahres dafür entschieden, im Gegenzug für Investitionen, die Arbeitsplätze sichern sollen, niedrigere Betriebsrenten in Kauf zu nehmen. Sie können sich nun entscheiden: Zur Wahl steht der Wechsel in ein neues Versorgungswerk, bei dem die Altersbezüge in Zukunft langsamer steigen, oder der Verbleib im BSPS, dessen restliche Mitglieder durch den staatlichen Pension Protection Fund entschädigt werden. “Es ist immer enttäuschend, wenn Altersvorsorgezusagen nicht in vollem Umfang erfüllt werden”, sagte der Labour-Abgeordnete Frank Field, der dem Unterhausausschuss für Arbeit und Renten vorsitzt. “Aber dieser Deal sollte vorsichtig willkommen geheißen werden, weil er potenziell Arbeitsplätze sichert und mehr Gewissheit für die Betriebsrentner von British Steel schafft.” Belastungsfaktor GeldpolitikDie betriebliche Altersvorsorge ist in Großbritannien von weitaus größerer Bedeutung als in Deutschland. Im Jahr 2015 belief sich das Volumen der ausgezahlten Betriebsrenten auf 91 % der staatlichen Rentenausgaben. Die früher üblichen leistungsorientierten Pläne (Defined Benefit Scheme, DB) wie BSPS werden immer mehr von beitragsorientierten Plänen (Defined Contribution Schemes, DC) und individueller, eigenverantwortlicher Vorsorge abgelöst. Wie aus der Statistik der National Association of Pension Funds (NAPF) hervorgeht, übertraf die Zahl der aktiven Mitglieder privater DC-Versorgungspläne 2014 erstmals die der leistungsorientierten Pläne. Die Hälfte der DB-Pläne steht neu eingestellten Mitarbeitern nicht mehr offen. Zudem kommen für die bestehenden Mitglieder keine neuen Ansprüche hinzu. 2011 galt das noch für weniger als ein Drittel. Die Veränderungen vollziehen sich langsam. Den Versorgungswerken macht währenddessen nicht nur die höhere Lebenserwartung der Pensionäre zu schaffen, sondern auch die ultralockere Geldpolitik der westlichen Notenbanken. Weil die versicherungsmathematische Bewertung nur alle drei Jahre erfolgt, schlagen sich Zinsschritte erst zeitverzögert in den Beträgen nieder, die von den Arbeitgebern aufgebracht werden müssen.Rund 1,5 Bill. Pfund liegen in den 5 794 DB-Pensionsfonds, die notfalls unter den Schirm des Pension Protection Fund schlüpfen könnten. Ihr Defizit belief sich Ende August auf 220 (i.V. 413) Mrd. Pfund. Ende Juli hatte es noch bei 180 Mrd. Pfund gelegen. Der Deckungsgrad verschlechterte sich in diesem Zeitraum im Schnitt von 89,4 % auf 87,6 (78,3) %.