Strauchelnde Konsumgütermultis sortieren CEOs aus

In den USA fallen auch Gesundheits- und IT-Konzerne mit spektakulären Chefwechseln auf - Technische Umbrüche und Aktivisten machen Bossen Beine

Strauchelnde Konsumgütermultis sortieren CEOs aus

Von Daniel Schauber, FrankfurtMcDonald’s, Molson Coors und Kraft Heinz gehören zu den US-Unternehmen, die im alten Jahr mit spektakulären Führungswechseln Schlagzeilen gemacht haben. Konsumgüterunternehmen sind besonders stark von offensichtlich erzwungenen Chefwechseln betroffen.Zahlreiche CEO-Abtritte wurden getrieben von rapiden Änderungen im Verhalten der Verbraucher, technischen Umbrüchen sowie von Skandalen. Zudem hatten aktivistische Investoren bei vielen unfreiwilligen Managementwechseln die Hand im Spiel. Zu diesen Ergebnissen kommt eine am 16. Dezember vorläufig abgeschlossene Studie des Forschungsdienstleisters Exechange *, der rund 300 CEO-Abtritte von börsennotierten Unternehmen in den USA im marktbreiten Index Russell 3 000 aus den vergangenen zwölf Monaten untersucht hat.Exechange weist Chefwechseln einen Push-out Score von 0 bis 10 zu. Ein Wert von 0 zeigt an, dass der Abtritt mit ziemlicher Sicherheit freiwillig ist, während 10 Punkte einen offen erzwungenen Abgang bedeuten. Push-out Scores über 5 indizieren eine hohe Wahrscheinlichkeit für erzwungene Wechsel und gehen einher mit erhöhter Aktienkursvolatilität, wie Forscher der Universität Stanford gezeigt haben (siehe ssrn.com/abstract=2975805).Der Score berücksichtigt Faktoren wie Alter, Amtszeit oder Abtrittsgeschwindigkeit des Managers, den Aktienkurs sowie die Sprache der Auswechselmeldung. Eine hohe Punktzahl ergibt sich etwa, wenn ein CEO Anfang 50 nach knapper Amtszeit kurzfristig und ohne klare Begründung geht und wenn dazu der Aktienkurs schwach, die Nachfolgeplanung undurchsichtig und das Lob des Unternehmens für den scheidenden Chef lauwarm ist. Große Marken unter DruckRund 55 % der Push-out Scores zu CEO-Austritten in den USA aus den vergangenen zwölf Monaten erreichten Werte zwischen 6 und 10. Das heißt, jeder zweite CEO trat unter hohem Druck zurück. Auffallend viele Konsumgüterkonzerne gehören zu den Unternehmen mit den bemerkenswertesten CEO-Abgängen im alten Jahr (siehe Grafik). Unternehmen der Konsumgüterbranche, zu denen auch Anbieter angeblich rezessionsfester Produkte von Zahnpasta bis zur Dosensuppe gehören, kämpfen mit sich schnell ändernden Geschmacksrichtungen der Verbraucher, die den Wert großer Marken untergraben.Lebensmittelanbieter stehen unter besonderem Druck, da sich immer mehr Verbraucher für frische Produkte entscheiden anstatt für Nahrung in Schachteln und Dosen, die seit Jahrzehnten das Standbein der Branche sind. Der Sektor Konsumgüter beinhaltet auch viele stationäre Geschäfte, die einem harten Wettbewerb durch Online-Händler wie Amazon ausgesetzt sind. Viele Einzelhändler haben keinen Weg gefunden, einen Online-Kanal aufzubauen und gleichzeitig ihr stationäres Geschäft zu schützen.Molson-Coors-CEO Mark Hunter (Push-out Score: 7) ging im September in den Ruhestand, “um mehr Zeit mit seiner Frau Fiona und den zwei Kindern zu verbringen”. Der Brauereikonzern kämpft mit sinkenden Umsätzen und veränderten Vorlieben der Konsumenten, die mexikanisches Importbier, handwerklich gebrauten Gerstensaft, Spirituosen und Wein bevorzugen. Im Oktober verkündete Molson Coors einen Arbeitsplatzabbau und erklärte, künftig die Produktpalette jenseits von Bier weiterzuentwickeln. Von Ketchup bis KäseKraft-Heinz-CEO Bernardo Hees (Push-out Score: 7) gab sein Amt im Juni ab. Der Hersteller von Heinz-Tomatenketchup und Kraft-Schmelzkäse hat ebenfalls mit dem veränderten Verbrauchergeschmack zu kämpfen. Kraft Heinz hatte im Februar eine Abschreibung von 15 Mrd. Dollar vorgenommen, die auf einen Wertverlust einiger ihrer größten Marken zurückzuführen war. Warren Buffett, dessen Berkshire Hathaway eine große Beteiligung an Kraft Heinz hält, hatte erstmals zugegeben, dass er für die Fusion von Kraft mit Heinz zu viel bezahlt hatte.Rite-Aid-CEO John Standley (Push-out Score: 10) gab seinen Rücktritt im März bekannt. Rite Aid und der US-Händler Albertsons hatten im August 2018 Fusionspläne abgesagt, nachdem die Aktionäre von Rite Aid gegen die Transaktion waren. Standley hatte die Albertsons-Fusion als Weg für Rite Aid beworben, um sich von den Mitbewerbern abzuheben, von Walmart und Walgreens Boots bis Amazon.Expedia-CEO Mark Okerstrom (Push-out Score: 10) trat im Dezember zurück, und Chairman Barry Diller sagte dazu: “Letztendlich waren sich das Top-Management und der Board über die Strategie nicht einig.” Das Reisetechnologieunternehmen steht im zunehmenden Wettbewerb mit Airbnb und Booking.com sowie Google.Tupperware-CEO Tricia Stitzel (Push-out Score: 9) ging im November nach rund eineinhalb Jahren an der Spitze. Die Ankündigung folgte auf einen Rückgang des Aktienkurses von Tupperware um 79 % seit Mai 2018. Der für seinen Direktvertrieb (“Tupper-Partys”) bekannte Haushaltswarenhersteller kämpft gegen Umsatzrückgänge.Gap-CEO Art Peck (Push-out Score: 10) machte im November Schluss. Der größte US-amerikanische Bekleidungseinzelhändler warnte die Anleger zugleich vor schwachen Umsätzen im dritten Quartal und reduzierte unerwartet seine Prognose für den Rest des Jahres. Peck, einer der höchstbezahlten Geschäftsführer im Einzelhandel, hat mehrere Jahre mit Umsatzrückgängen bei der Marke Gap zu verantworten. Themenpark in der KritikFür Ebay-CEO Devin Wenig (Push-out Score: 10) war im September die Zeit abgelaufen. Anfang 2019 hatte der aktivistische Investor Elliott strukturelle Veränderungen vorgeschlagen, um das angeschlagene Unternehmen wiederzubeleben. Im Oktober gab Ebay nach einer strategischen Überprüfung des Portfolios einen neuen Dreijahresplan bekannt, der unter anderem auf Margenverbesserungen zielt.Seaworld-CEO Gus Antorcha (Push-out Score: 10) musste im September nach weniger als einem Jahr an der Spitze gehen. Seit dem Erscheinen des kritischen Dokumentarfilms “Blackfish” im Jahr 2013 befindet sich der Themenparkbetreiber in Aufruhr. Obwohl Seaworld 2018 nach zwei Jahren mit Verlusten wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt ist, hat sich der Umsatz nie ganz auf das Niveau, das vor dem Dokumentarfilm erreicht wurde, erholt.Tapestry-CEO Victor Luis (Push-out Score: 8) verließ das Modeunternehmen im September. Sein Schritt folgte nur wenige Wochen auf das Stutzen der Gewinnprognose von Tapestry. Luis hatte versucht, Tapestry, ehemals Coach, von einem Handtaschenhersteller zu einem globalen Modehaus zu machen, unter anderem mit der Übernahme der Marken Stuart Weitzman und Kate Spade. Aber das Unternehmen hatte große Mühe, die Marke Kate Spade zu integrieren.Aramark-CEO Eric Foss (Push-out Score: 10) ging im August in den Ruhestand. Sein Ausscheiden aus dem Food-Service-Unternehmen kam, weniger als zwei Wochen nachdem Mantle Ridge, der aktivistische Fonds von Paul Hilal, eine Beteiligung von 20 % an Aramark bekannt gegeben hatte. Mantle Ridge hatte sich unter anderem unzufrieden mit der Strategie gezeigt.Bed-Bath-&-Beyond-CEO Steven Temares (Push-out Score: 10) musste im Mai sein Eckbüro verlassen. Das Einzelhandelsunternehmen stand unter dem Druck der aktivistischen Investoren Legion, Macellum und Ancora. Bed Bath & Beyond macht die Wachstumsschwäche zu schaffen, da immer mehr Kunden Online-Händler wie Amazon nutzen.Newell-Brands-CEO Mike Polk (Push-out Score: 7) gab seinen Rücktritt im März bekannt. Der Haushaltswarenhersteller hatte sich 2018 mit den aktivistischen Investoren Star-board und Carl Icahn darauf geeinigt, ihnen Posten im Board zu geben und das Turnaround-Programm zu beschleunigen. Polk hatte Newells 15 Mrd. Dollar schwere Übernahme des Coleman-Produktherstellers Jarden 2016 eingefädelt. Starboard kritisiert, die Integration von Jarden sei misslungen. Spektakuläre WechselSpektakuläre Führungswechsel gab es auch im Gesundheitssektor. Qiagen-CEO Peer Schatz (Push-out Score: 7) sagte im Oktober nach fast 16 Jahren an der Spitze adieu. Der Diagnostikspezialist erklärte zudem, dass er die Entwicklung seiner Genomsequenzierungsmaschinen der nächsten Generation einstellen und stattdessen mit dem Branchenführer Illumina zusammenarbeiten werde. Im November kamen Berichte auf, dass der Medizintechnikhersteller Thermo Fisher an Qiagen interessiert sei.Mylan-CEO Heather Bresch (Push-out Score: 6) gab im Juli ihren bevorstehenden Abschied bekannt. Breschs Ruhestand wird mit dem Abschluss der Fusion von Mylan und Upjohn, dem patentfreien Marken- und Generikageschäft von Pfizer, wirksam. Die Ankündigung folgte auf einen Rückgang des Aktienkurses von Mylan um 75 % seit Juni 2015. Breschs Amtszeit wurde überschattet von Untersuchungen wegen angeblich überhöhter Verkaufspreise und wiederholten Ergebniszielverfehlungen. Bresch war die erste Frau an der Spitze eines Fortune-500-Pharmakonzerns und wurde seit 2012 jedes Jahr vom “Fortune Magazine” als eine der “50 mächtigsten Frauen” ausgezeichnet. Festplatten wenig gefragtIn der Informationstechnologiebranche gab es ebenfalls zahlreiche holprige Chefwechsel. Western-Digital-CEO Steve Milligan (Push-out Score: 7) gab seinen Rücktritt im Oktober bekannt. Zugleich erklärte der Festplattenhersteller, dass der Gewinn deutlich unter den Erwartungen der Analysten liege. Western Digital hat damit zu kämpfen, dass Festplatten in Computern aus der Mode geraten.Symantec-CEO Greg Clark (Push-out Score: 9) trat im Mai nach schwachen Ergebnissen bei dem Antivirensoftwarehersteller zurück und wurde interimistisch von Board-Mitglied Rick Hill, einem ehemaligen CEO von Novellus, ersetzt. Hill war erst im Januar in den Board von Symantec gekommen, nachdem sich der aktivistische Investor Starboard mit 5 % an Symantec beteiligt hatte. Im August gab der Chiphersteller Broadcom die Übernahme der Geschäftskundensparte von Symantec für 10,7 Mrd. Dollar bekannt.Conduent-CEO Ashok Vemuri (Push-out Score: 8) verkündete im Mai seinen bevorstehenden Rücktritt. Das strauchelnde Xerox-Spin-off steckte inmitten einer öffentlichen Debatte mit dem aktivistischen Investor Carl Icahn.Auch der Energiesektor fiel mit rauen CEO-Abtritten auf. Marathon-Petroleum-CEO Gary Heminger (Push-out Score: 6) gab im Oktober seinen Plan bekannt, 2020 in den Ruhestand zu gehen. Zudem verkündete die größte unabhängige US-Raffinerie, dass sie eine große Umstrukturierung einleiten würde, die von aktivistischen Investoren gefordert wurde, einschließlich der Abspaltung von Einzelhandelsgeschäften. Das war ein Sieg für Elliott und D.E. Shaw, die nach der holprigen Übernahme des Konkurrenten Andeavor im Jahr 2018 immer unzufrieden geworden waren. Öl und Gas in der Klemme Schlumberger-CEO Paal Kibsgaard (Push-out Score: 7) wechselte im Juli in den Ruhestand. Der weltweit größte Ölfelddienstleister dämpfte zudem seine Erwartungen an die Ölnachfrage aufgrund des globalen Handelskrieges und geopolitischer Spannungen. Die Ölfeld-Dienstleistungsindustrie wurde schwer von der schwächeren Nachfrage der Ölproduzenten getroffen.EQT-CEO Rob McNally (Push-out Score: 10) verließ im Juli den größten US-Erdgasproduzenten, nachdem er weniger als ein Jahr an der Spitze gestanden hatte. Die Brüder Toby und Derek Rice, die ihr Unternehmen zwei Jahre zuvor an EQT verkauft hatten, erhielten sieben Sitze im 12-köpfigen Board. Damit endete eine achtmonatige Kampagne gegen den vorherigen EQT-Board. Die Rice-Brüder hatten behauptet, das Unternehmen sei seit ihrem Verkauf schlecht geführt worden.Zudem machten Unternehmen aus den Sektoren Industrie, Finanzen und Immobilien mit offenbar unfreiwilligen Managementwechseln Schlagzeilen. Aecom-CEO Mike Burke (Push-out Score: 6) berichtete im November von seinem Wechsel in den Ruhestand. Der Ingenieurdienstleister kündigte auch eine Governance-Vereinbarung mit dem aktivistischen Investor Starboard an, der unter anderem eine Abspaltung des Bauservicegeschäfts im Auge hat.Arconic-CEO Chip Blankenship (Push-out Score: 9) verließ sein Amt im Februar nach etwa einem Jahr in der Rolle. Der Hersteller von Aluminiumblechen und -teilen hat seit seinem Debüt als eigenständiges Unternehmen Ende 2016 nach der Abspaltung vom Aluminiumproduzenten Alcoa überwiegend schwache Ergebnisse geliefert. Der CEO-Wechsel erfolgte, zwei Wochen nachdem ein Verkauf von Arconic an Apollo gescheitert war. Der aktivistische Investor Elliott ist der größte Aktionär von Arconic.E-Trade-CEO Karl Roessner (Push-out Score: 8) musste im August nach weniger als drei Jahren an der Spitze abdanken. Vor seinem Ausscheiden bei dem Onlinebroker wurde vermehrt über einen möglichen Deal mit dem Konkurrenten TD Ameritrade spekuliert.TD-Ameritrade-CEO Tim Hockey (Push-out Score: 10) hatte seinen Abschied bereits im Juli bekannt gegeben – nach weniger als drei Jahren an der Spitze. Das hatte an Wall Street für Stirnrunzeln gesorgt, zumal die Aktie während seiner Amtszeit den S&P 500 übertroffen hatte und Spekulationen aufgekommen waren, dass er auf der Jagd nach einer großen Übernahme sei. Im November wurde TD Ameritrade dann jedoch von Charles Schwab in einer 26 Mrd. Dollar schweren Transaktion übernommen.Für Wells-Fargo-CEO Tim Sloan (Push-out Score: 9) war im März nach weniger als zweieinhalb Jahren im Eckbüro die Uhr abgelaufen. Sloan hatte seinerzeit John Stumpf als CEO ersetzt, der im Oktober 2016 zurückgetreten war, nachdem Wells-Fargo-Mitarbeiter Millionen von Bankkonten betrügerisch eröffnet hatten, um die Umsatzziele zu erfüllen. Seitdem waren bei der Bank weitere fragwürdige Vertriebspraktiken ans Licht gekommen.Howard-Hughes-CEO David Weinreb (Push-out Score: 10) musste im Oktober gehen. Der Immobilienentwickler steht unter Druck des aktivistischen Investors Bill Ackman. Im Juni hatte Howard Hughes die Investmentbank Centerview beauftragt, einen Verkauf des Unternehmens und die Abspaltung von Sparten zu prüfen. Raus ohne ApplausDrei CEOs aus dem Russell 3000 mussten im alten Jahr explizit wegen angeblichen Fehlverhaltens ihren Platz räumen. Prominentester Fall ist McDonald’s-CEO Steve Easterbrook, der im November ausschied, “nachdem der Board festgestellt hatte, dass er gegen die Unternehmenspolitik verstoßen und ein schlechtes Urteilsvermögen an den Tag gelegt hatte in Verbindung mit einer einvernehmlichen Beziehung zu einer von dem Unternehmen angestellten Person”. Es war wohl der spektakulärste Chefwechsel des Jahres. Auch die Rücktritte von Revance-CEO Dan Browne im Oktober sowie der Abschied von Herbalife-CEO Rich Goudis im Januar wurden in den jeweiligen Abtrittsmitteilungen unverblümt mit angeblichem Fehlverhalten in Verbindung gebracht. *) Inhaber von Exechange ist Daniel Schauber, der auch Redakteur bei der Börsen-Zeitung ist. Börsen-Zeitung und Exechange sind voneinander unabhängig. Die Inhalte dieser Seite basieren auf einer Studie von Exechange (exechange.com/news).