Verstärkter Fokus auf Profitabilität

Streaming-König Netflix kehrt vom Wachstumsfokus ab

Netflix hat die Nutzerzahlen zwar stärker gesteigert als erwartet, opfert das Wachstum aber zunehmend der Profitabilität. Während der Großteil der Analysten und Anleger die Dominanz des Streaming-Vorreiters goutiert, warnen einige Marktstrategen mit Blick auf die hohe Bewertung vor einem Ende des Kursaufschwungs.

Streaming-König Netflix kehrt vom Wachstumsfokus ab

Netflix kehrt vom Wachstumsfokus ab

Nutzerzahl legt in umkämpftem Marktumfeld langsamer zu – Nettogewinn zieht an – Analysten warnen vor hoher Bewertung

xaw New York

Netflix kehrt von ihrem Wachstumsfokus ab und rückt die Profitabilität zunehmend stärker in den Fokus. Im dritten Quartal gewann der Streaming-Marktführer 5,07 Millionen Abonnenten hinzu und damit mehr als an der Wall Street erwartet, global kann das Unternehmen nun 282,72 Millionen zahlende Nutzer vorweisen. Gegenüber dem Vorjahreswert von 8,76 Millionen verlangsamen sich die Zuwächse aber beträchtlich. Zugleich zog der Umsatz um 15% auf 9,83 Mrd. Dollar an, während der Nettogewinn um 41% auf 2,36 Mrd. Dollar sprang.

Dominanz überzeugt Anleger

Während Konkurrenten wie Warner Brothers Discovery und Disney mit Problemen im klassischen Fernsehgeschäft ringen und das Kundeninteresse an ihren Video-on-Demand-Sparten über großvolumige Investitionen stützen müssen, überzeugt die Dominanz von Netflix im Segment die Anleger anhaltend. Seit die Aktie Mitte 2022 infolge damals rückläufiger Abonnentenzahlen auf ein Fünfjahrestief rutschte, hat sie mehr als 300% an Wert gewonnen. J.P. Morgan, den den Titel mit „Übergewichten“ einstuft, bezeichnet das Geschäftsmodell von Netflix als „krisenfest“.

Veränderungen in der Abonnementstruktur haben dem Streaming-König dabei geholfen, die Profitabilität zu steigern. So sind die Preise in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen: Zahlten US-Kunden für das Standardpaket 2019 noch 12,99 Dollar pro Monat, sind es seit 2022 15,49 Dollar. An den Start gegangen war das Angebot 2010 zu 7,99 Dollar. Zuletzt hat das Unternehmen in Japan, Teilen Europas, dem Nahen Osten und Afrika erneut zu Preiserhöhungen gegriffen, nun soll das Streaming auch für Kunden in Italien und Spanien teurer werden. Hinzu kommt, dass Netflix günstigere Basisabonnements gestrichen hat. Damit sollen Nutzer entweder ins Standardpaket oder in eine anzeigenunterstützte Version für 6,99 Dollar gelotst werden. 

Werbegeschäft zieht an

Das Management arbeitet daran, das werbefinanzierte Modell populärer zu machen, das es als Quelle künftigen Wachstums sieht. Bereits bei der vergangenen Quartalsvorlage teilte das Unternehmen zwar mit, dass Anzeigen wohl weder 2024 noch 2025 vorrangiger Erlöstreiber sein würden. Doch nach einem langsamen Start sieht Netflix nun „grüne Triebe“ in dem Geschäftszweig. In Märkten, in denen die werbefinanzierte Variante verfügbar war, zog sie im dritten Jahresviertel mehr als die Hälfte der Neukunden auf sich. Gegenüber dem Vorquartal ist die Nutzerzahl in dem Segment um 35% gewachsen. Im kommenden Jahr soll sich der Umsatz im Werbegeschäft verdoppeln.

Um Werbekunden anzuziehen, stößt Netflix auch zunehmend ins Live-Streaming vor. Im kommenden Monat strahlt die Plattform einen Boxkampf zwischen dem Influencer Jake Paul und Kampfsportlegende Mike Tyson aus, für den ersten Weihnachtsfeiertag ist im Rahmen einer mehrjährigen Vereinbarung mit der American-Football-Liga NFL die Übertragung von zwei Spielen geplant.

Vorgehen gegen Trittbrettfahrer zahlt sich aus

Wie viele Wettbewerber bietet Netflix die anzeigenunterstützte Version in Paketen an, um mehr Nutzer anzuziehen. Im Mai kündigte das Medienkonglomerat Comcast ein Bundle an, über das seine Internetnutzer neben der hauseigenen Dienst Peacock auch Apple TV+ und Netflix zu geringeren Preisen empfangen können, als für die jeweiligen Angebote einzeln fällig würden. Partnerschaften mit Elektronik-, Pay-TV- und Mobilfunkanbietern seien zwar wichtig, um die Kundenbasis zu verbreitern. Pläne für eine Partnerschaft mit den Streamingdiensten Konkurrenten wie Disney oder Warner Bros. Discovery bestünden aber nicht.

Neben Änderungen in der Preisstruktur zahlt sich für Netflix das Vorgehen gegen Trittbrettfahrer aus. Seit Mai 2023 erschwert das Unternehmen das Teilen von Zugangsdaten für Accounts – die Nutzung via „Password Sharing“ hatte den Streamingdienst zuvor hohe Einnahmen gekostet. Die Konkurrenz um Disney will mit ähnlichen Maßnahmen die Profitabilität erhöhen. Allerdings weisen Analysten darauf hin, dass ein Vorgehen gegen „Password Sharing“ für Dienste mit einer niedrigeren Kundenbindung riskant ist, weil die Anbieter damit drohen, Bestandskunden zu verprellen.

Loyale Nutzerbasis als Vorteil

Netflix verfügt nach Ansicht der Investmentbank Jefferies und anderer Analysten dagegen über eine loyalere Nutzerbasis und werde damit auch künftig in der Lage sein, mit ausreichendem zeitlichen Abstand zu wiederholten Preiserhöhungen zu greifen, ohne Kunden zu verlieren. Laut der Analysefirma Antenna fällt der Anteil der Kunden, die zur Konkurrenz abwandern, beim Streaming-Vorreiter so niedrig aus wie bei keinem anderen Anbieter im Sektor.

Pessimistischer zeigt sich Barclays, die den Titel zuletzt auf „Untergewichten“ herabgestuft hat. Die Analysten sehen das Nutzerwachstum noch immer als entscheidende Kennzahl für die Erfolgsmessung von Netflix und verweisen darauf, dass das Unternehmen durch neue Treiber wie ein Bezahlmodell für das Teilen von Accounts zwar temporäre Erfolge erzielt habe, die Effekte aber bald abebben dürften. Auch die hohe Bewertung stimmt einige Marktstrategen nach der Rally der vergangenen beiden Jahre skeptisch. So liegt das rückwärts gerichtete Kurs-Gewinn-Verhältnis mit nahezu 39 deutlich über dem Branchenschnitt.

Netflix hat die Nutzerzahlen zwar stärker gesteigert als erwartet, opfert das Wachstum aber zunehmend der Profitabilität. Während der Großteil der Analysten und Anleger die Dominanz des Streaming-Vorreiters goutiert, warnen einige Marktstrategen mit Blick auf die hohe Bewertung vor einem Ende des Kursaufschwungs.