Streitquelle Kaufpreis
wb Frankfurt – Streitigkeiten nach M & A-Transaktionen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die früher übliche Zurückhaltung der Parteien in der Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Abschluss ist einer “pragmatischen Sichtweise” gewichen. Unternehmensberater von Alvaraz & Marsal und der Kanzlei Baker & McKenzie haben über 80 besonders aktive Unternehmen für eine Studie befragt. Die Teilnehmer aus unterschiedlichen Branchen haben in fünf Jahren rund 1 300 M & A-Transaktionen mit einem aggregierten Volumen von 50 Mrd. Euro absolviert.Zwar werden bisher lediglich etwa 10 % der Deals streitig. Doch die Unternehmen erwarten, dass die Zahl und auch die Entschlossenheit der Parteien zur Geltendmachung von Ansprüchen steigen. “Während sich bis zum Closing professionelle Standards für M & A-Prozesse etabliert haben, befindet sich der organisatorische Rahmen insbesondere für die Aufdeckung von Ansprüchen nach dem Closing vielfach noch in der Entwicklung”, registrieren die Autoren. Zwar würden einmal entstandene Streitigkeiten mit Akribie und hohem Ressourcenaufwand bearbeitet, aber eine systematische Überprüfung, inwieweit das erworbene Unternehmen dem zuvor intensiv verhandelten Sollzustand entspreche, finde kaum statt. “Mögliche Ansprüche werden eher zufällig entdeckt”, heißt es, etwa im Rahmen der Jahresabschlussprüfung oder bei einem Streit mit Dritten.Fraglich sei, inwieweit sich das Management mit einer solch laxen Interpretation seiner Sorgfaltspflichten haftbar mache: Das Risiko, mögliche Ansprüche in Millionenhöhe zu übersehen, sei wesentlich. Compliance rückt nach obenHäufigste Streitpunkte seien bislang Kaufpreis und Gewährleistungen gewesen. Auseinandersetzungen über die Bewertung seien insbesondere durch den Wechsel zu internationalen Rechnungslegungsstandards provoziert worden. In jüngerer Zeit führten vor allem Deals mit angeschlagenen, zahlungsgestörten Unternehmen (Distressed M & A) und zunehmend auch Compliance-Verstöße in den erworbenen Unternehmen zu Krach. Dagegen sind die Themen rund um Transaktionssicherheit und Finanzierbarkeit in den Hintergrund getreten.In der Entscheidung, Ansprüche geltend zu machen, ließen sich Unternehmen in erster Linie von den rechtlichen Erfolgsaussichten und der Höhe des verfolgten Anspruchs leiten. “Effizienz, Kosten und Ressourcen haben eine eher geringere Bedeutung”, heißt es in der Studie. Hemmend wirkten sich in der Verfolgung aufgedeckter Ansprüche unklare vertragliche Bestimmungen sowie Schwierigkeiten bei der Begründung und Quantifizierung des Schadens aus.Habe das Management eine vage Vermutung, dass das erworbene Unternehmen vom Soll-Zustand abweiche, gleichzeitig aber auch das Gefühl, ein Nachweis gelinge nur schwer, sei ein möglicher Anspruch “bereits untergegangen, bevor dessen Seetüchtigkeit angemessen beurteilt” werden konnte.Bei den Verfahren seien Schiedsverfahren deutlich häufiger als Prozesse vor Gerichten. Als Argumente pro Schiedsverfahren werden vor allem kürzere Verfahrensdauer und besseres Hintergrundverständnis für M & A-Themen angeführt. Bei den Kosten punktet hingegen das staatliche Verfahren. In der Qualität der rechtlichen Durchdringung gelten beide Wege als ebenbürtig.