Synergien - noch nie so wertvoll wie heute
Die Bewertungen von Fusionen und Übernahmen liegen global auf dem bisherigen Höchststand. Zur Rechtfertigung von Deals verlangt der Kapitalmarkt immer weiter steigende Synergieschätzungen. Laut Boston Consulting sahnen die verkaufenden Aktionäre inzwischen den Löwenanteil dieser Effekte ab.Von Walther Becker, FrankfurtRuhig Blut und weitermachen: Auch wenn der Boom am M & A-Markt an die Party auf der Titanic erinnert, lautet die Devise für Dealmaker: “Keep calm and carry on”, wie es im jüngsten M & A-Report der Strategieberater von Boston Consulting Group (BCG) heißt. Auf eine Prognose, wie lange die Musik noch spielt, will sich Jens Kengelbach, Senior Partner und Global Head of M & A von BCG und einer der Autoren der Studie, nicht einlassen. Auf 3,07 Bill. Dollar, davon 917 Mrd. Dollar in Europa, ist das globale M & A-Volumen dieses Jahr laut Thomson Reuters geklettert.Die Widerstandskraft des immerhin seit 2009 laufenden M & A-Zyklus ist besonders bemerkenswert mit Blick auf die gestiegenen Bewertungen. “Hohe Bewertungen rücken die Synergien in den Vordergrund”, sagt Kengelbach. Und dabei zahle es sich aus, wenn vor allem geplante Kosteneffekte frühzeitig dem Kapitalmarkt kommuniziert würden. Deutsche Unternehmen, so sie denn überhaupt diese Ziele öffentlich nennen würden, sorgten mit einem Puffer vor, gingen also nicht bis zum Anschlag bei Synergieansagen: 0,6 % der kombinierten Umsätze, im Vergleich zum weltweiten Median von 1,6 %.”Zielgesellschaften sind heute im Schnitt teurer, als sie es 1999 auf dem Höhepunkt des Dotcom-Booms und 2007/08 vor dem Kollaps von Lehman Brothers waren”, sagt Kengelbach im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Im Großen und Ganzen unterstützten Aktionäre Transaktionen: “Seit fünf Jahren honorieren Investoren Übernahme- und Fusionsankündigungen” – anders als in früheren Phasen. Kengelbach macht dies fest an Aktienkurssteigerungen auch auf der Käuferseite. Die “cumulative abnormal returns” lagen demnach 2017 bei 0,3 % verglichen mit -0,8 % im langjährigen Schnitt seit 1990. Beflügelt werde M & A vor allem als Alternative zu schwachem organischem Wachstum, und von Investoren, die wenige attraktive andere Anlagemöglichkeiten hätten. “Das ist nicht nur zeitlich koexistent.” Multiple von 14 bezahltDie Bewertungen liegen gemessen an den Vielfachen bezogen auf Enterprise Value (Marktkapitalisierung plus Nettoschulden) zu operativem Ergebnis auf dem Hoch: Das Multiple übertraf 2017 mit 14,2 diejenigen von 1999 und 2007 mit 13,5 bzw. 13,6 im Schnitt weltweit. BCG hat die 1 000 größten öffentlichen Übernahmen international der vergangenen zehn Jahre unter die Lupe genommen. “Wir haben festgestellt, dass die Synergieschätzungen in Deal-Ankündigungen auf einem neuen Hoch liegen”, sagt Kengelbach. Statt wie über alles in den vergangenen zehn Jahren bei 1,6 % der kombinierten Umsätze zusammengelegter Unternehmen lagen die Synergieannahmen 2017 bei 2,1 %. Und Kengelbach erkennt an dieser Stelle noch Luft nach oben. Grund sei weniger, dass die Unternehmen diese Effekte besser herausfänden als früher: “Es ist die Notwendigkeit aufgrund der hohen Kaufpreise und des starken Wettbewerbs”, beobachtet er. “Höhere Synergien dienen immer häufiger zur Rechtfertigung von höheren Kaufpreisen, auch gegenüber den Aufsichtsgremien und zweitens auch zur Kommunikation am Kapitalmarkt, um bei der Ankündigung negative Kursreaktionen zu verhindern.” Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: In den vergangenen vier Jahren sind die Synergieschätzungen laut BCG mit den Bewertungen gestiegen, und es zeige sich die Outperformance der Bieter.”Es gibt ja die Hypothese, M & A zerstöre Werte für die Käufer – und das war auch bis 2011/12 so. Das hat sich aber in den vergangenen vier Jahren gedreht”, in denen die Synergieannahmen so stark gestiegen seien. Offenbar reichen diese Planungen, die der Investor versteuert und kapitalisiert rechnet, als Anreiz; doch gibt es bisher so gut wie keine detailgenaue Untersuchung darüber, ob und wie diese Effekte tatsächlich auch realisiert werden. “Das ist empirisch extrem schwer nachzuweisen.” Einzelne Unternehmen wie etwa Bayer stellen Ankündigung und die Umsetzung quartalsweise gegenüber. Wenn Unternehmen ihre Ziele nicht schaffen, stellen sie aber vielfach das Reporting darüber ein, lässt sich beobachten.Doch wer profitiert von den Synergien? Die typischerweise hochgerechneten (Run Rate) Einspareffekte kommen vielfach den verkaufenden Aktionären zugute. Bei einem unterstellten Hochlauf von drei Jahren nach Steuern und kapitalisiert wird der Gegenwartswert aller künftigen Synergien ins Verhältnis gesetzt zu dem Absolutwert, um den die Bewertung bei Ankündigung eines Deals steigt – also die Übernahmeprämie. Historisch haben Käufer zwei Drittel der Synergien für sich vereinnahmen können. “Das Erstaunliche, das wir herausgefunden haben, ist, dass sich das Verhältnis in den vergangenen vier Jahren umgedreht hat: Verkäufer bekommen zwei Drittel der Synergien, die der Käufer erst noch heben muss, bereits vorab als Prämie gezahlt.” Dies zeige, wie heiß Bieter auf M & A-Deals seien. Krass ist das Verhältnis im Fall Bayer/Monsanto: Der Dax-Konzern hat über 100% an die Aktionäre der Zielgesellschaft gegeben, denn der Kurszuwachs der Monsanto-Aktie ist höher gewesen als das, was Bayer kapitalisiert bekommen kann. Dies ist indessen ein Extrem in einer Endspiel-Branchenkonsolidierung, wo sonst auch nichts weiter mehr geht. Stark industriespezifischDie Synergieansagen seien “sehr stark industriespezifisch”, betont Kengelbach. In Medien, Finance und Hightech seien die Effekte mit bis zu 3 % der kombinierten Umsätze hoch, bei Konsumgütern oder in Energie mit 1,1 % niedrig. Je stärker konsolidiert die einzelnen Branchen, umso mehr lägen die Annahmen über dem Median von 1,8 %. “In Deutschland werden noch lange nicht für jede Transaktion die geplanten Synergien angekündigt”, aber umso größer das Ziel sei, gerade auch im Verhältnis zum Bieter, desto wichtiger werde es, dies zu tun.