"Tal der Tränen ist noch nicht durchschritten"
Bei RWE schlägt sich die “dramatische Lage” in der konventionellen Stromerzeugung immer stärker in der Gewinnentwicklung nieder. Das Betriebsergebnis brach 2014 um 25% ein und wird wohl auch in diesem Jahr weiter zurückgehen. Anders als Konkurrent Eon plant RWE aber keine Abspaltung des Kraftwerksparks.ahe Essen – Der Versorger RWE hat die Umbrüche durch die Energiewende nach eigenem Bekunden noch längst nicht verdaut. “Es wäre verfrüht zu sagen, wir seien aus dem Gröbsten heraus”, räumte der Vorstandsvorsitzende Peter Terium bei der Bilanzvorlage in Essen ein. “Das Tal der Tränen ist noch nicht durchschritten.”Terium verwies auf die Situation in der konventionellen Stromerzeugung. Diese sei “dramatisch” und sei im letzten Jahr auch nicht besser, sondern noch deutlich schlechter geworden. “Zurzeit wird es von Tag zu Tag schwieriger, ein Gas- oder ein Steinkohlekraftwerk wirtschaftlich am Leben zu erhalten.”RWE-Daten zufolge verdienen zurzeit nur noch 25 bis 35 % der Kraftwerke die Kapitalkosten. Dagegen erwirtschaften bereits 35 bis 45 % einen negativen freien Cash-flow. “Bei diesen Kraftwerken legen wir echtes Geld drauf”, klagte Terium. Vor einem Jahr produzierten lediglich 20 bis 30 % der Gas- und Kohleblöcke einen negativen Cash-flow. Und bis zu 60 % der Kraftwerke verdienten noch die eigenen Kapitalkosten. Terium forderte daher erneut die Politik auf, Reformen auf dem Strommarkt voranzutreiben und einen Kapazitätsmarkt einzuführen, damit die für die Versorgungssicherheit benötigten Kraftwerke auch am Netz gehalten werden könnten.Die Umbrüche in der Energiebranche führten bei RWE 2014 zu dem erwarteten und prognostizierten Gewinnrückgang: Das Betriebsergebnis brach um 25 % auf 4,02 Mrd. Euro ein. Das Vertriebs- und Netzgeschäft in Deutschland erwirtschaftete Zuwächse, was aber unter anderem mit dem Verkauf von Netzen zusammenhing. Alle anderen Sparten mussten zum Teil heftige Gewinnrückgänge verbuchen. In der konventionellen Stromerzeugung, dem über Jahrzehnte mit Abstand wichtigsten Ergebnislieferanten, betrug das Betriebsergebnis nur noch 979 Mill. Euro – ein Minus von 29 %. Dividende bleibt stabilDer um Sondereffekte bereinigte sogenannte nachhaltige Nettogewinn lag mit 1,28 Mrd. Euro sogar um 45 % unter dem Vorjahresniveau. RWE zahlt den Aktionären wie erwartet dennoch eine unveränderte Dividende von 1,00 Euro je Aktie, worauf vor allem die kommunalen Anteilseigner gedrungen hatten.Von diesem Jahr an ist das nachhaltige Nettoergebnis nicht mehr die alleinige Entscheidungsgrundlage für die Dividende. Dies ist nach Angaben von Finanzvorstand Bernhard Günther aber nicht die einzige Neuausrichtung, um die finanzielle Steuerung des Unternehmens künftig flexibler zu gestalten. So wird künftig auch kein konkreter Verschuldungsfaktor (Verhältnis der Nettoschulden zum Ebitda) angestrebt. Bislang hatte eine Größe von 3,0 als Richtwert gegolten. 2014 hatte RWE diesen mit einem Verschuldungsfaktor von 3,8 erneut deutlich verfehlt. Absage an KapitalerhöhungIn den Zahlen von 2014 ist der Dea-Verkauf für gut 5 Mrd. Euro allerdings noch nicht enthalten, der erst vor wenigen Tagen abgeschlossen wurde und der insbesondere die Nettofinanzschulden deutlich verringern wird. Ende 2014 kam RWE noch auf Nettofinanzschulden von 8,5 Mrd. Euro. Die Nettoschulden, in denen die Rückstellungen für Pensionen, Kernenergie und den Bergbau enthalten sind, betrugen dagegen 31,0 Mrd. Euro. Gerade diese Zusammensetzung der Verschuldung mit sehr unterschiedlichen Refinanzierungsrisiken mache eine Konzentration auf einen Verschuldungsfaktor nicht mehr sinnvoll, so Günther.Die Einnahmen aus dem Dea-Verkauf bringen RWE viel Liquidität ins Unternehmen, was nach den Worten des Finanzvorstands auch eine weitere Kapitalerhöhung unnötig macht. Den hohen Rückstellungen will RWE künftig zudem – neben der generellen Ertragskraft – konkrete finanzielle Vermögenswerte gegenüberstellen. Dies sei schon mit mehr als 10 % der Rückstellungen geschehen, sagte Günther. Damit sei RWE auch Vorreiter in der Branche.Zur Stabilisierung der Finanzsituation soll auch die weitere Kürzung der Investitionen beitragen: Nach 3,2 Mrd. Euro im vergangenen und 2,5 bis 3,0 Mrd. Euro in diesem Jahr werden sich die Sachinvestitionen ab 2016 bei rund 2,0 Mrd. Euro einpendeln. Ein Abschluss von Großinvestitionen bei Kraftwerken und im Bereich der erneuerbaren Energien macht diese Absenkung möglich.Für 2015 kündigte der Konzern eine weitere Abschmelzung des operativen Ergebnisses an: Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll auf 6,1 bis 6,4 (i.V. 7,1) Mrd. Euro sinken und das Betriebsergebnis auf 3,6 bis 3,9 Mrd. Euro. Den nachhaltigen Nettogewinn prognostiziert RWE auf einem Niveau von 1,1 bis 1,3 Mrd. Euro.Das Ergebnis stützen soll auch in den nächsten Jahren das bereits 2012 gestartete Sparprogramm, über das bislang Effizienzverbesserungen von 1,4 Mrd. Euro erreicht wurden, davon 400 Mill. Euro im vergangenen Jahr. Da das bisherige Kostenziel des Programms von 1,5 Mrd. Euro damit schon in greifbare Nähe gerückt ist, wurde es nun auf 2,0 Mrd. Euro aufgestockt. Dieses Einsparniveau soll 2017 erreicht werden. Helfen soll dabei auch eine weitere Bereinigung der Konzernstrukturen, auch wenn keine größeren Fusionen oder Einschnitte geplant sind.Der Kurs der RWE-Aktie schloss 2,8 % schwächer bei 23,68 Euro.