Techem forciert Effizienzdienstleistungen
Nach dem Verkauf an ein Konsortium um die Schweizer Partners Group hat sich der Heizkostenerfasser Techem eine neue Ausrichtung gegeben. CEO Matthias Hartmann soll das Unternehmen zu einem Dienstleister für Energieeffizienz ausbauen und das Wachstum stärken. Statt hoher Ausschüttung an die Eigentümer steht Wertschaffung im Vordergrund.Von Helmut Kipp, Frankfurt”Techem hat eine lange Tradition als Messdienst”, sagt der seit Mitte Januar 2020 amtierende CEO Matthias Hartmann. “Wir betreuen 11,7 Millionen Wohnungen in 20 Ländern.” Diese Basis will der Vorsitzende der Geschäftsführung nutzen, um Energieeffizienz in Gebäuden nicht nur zu messen, sondern auch umzusetzen. Als einziger Messdienstleister in Deutschland verfüge Techem über eine Tochter, die in Liegenschaften das Energiemanagement macht. “Wir haben also das Know-how zur Aussteuerung von Energieanlagen im Haus. Jetzt bringen wir die beiden Facetten zusammen”, kündigt Hartmann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung an.Zusammen mit der Immobilienwirtschaft, zwei Universitäten und Technologiepartnern hat das in Eschborn ansässige Unternehmen ein Forschungsprojekt auf den Weg gebracht, das die Korrelation zwischen Heizungssystemen und Wärmeverbräuchen in der Wohnung erfasst. Ziel sei, unter ganzheitlichem Ansatz und verstärkter Nutzung digitaler Technologien Energieineffizienzen in Gebäuden zu verringern. Das von der Bundesregierung geförderte Projekt zeige, dass allein durch das digitale Beobachten des Gesamtsystems und das bessere Einstellen der Heizungsanlage der Energieverbrauch leicht und kostengünstig um 10 bis 15 % gesenkt werden könne.”Eine moderne Heizung bringt wenig, wenn sie, wie in 80 % der Fälle, falsch eingestellt ist”, betont Hartmann. “Wir müssen das Gebäude als Gesamtsystem sehen. Oft wird mit hohen Investitionen eine Dreifachverglasung eingebaut, ohne die Heizungsanlage anzupassen.”Partners Group hat den Energiedienstleister 2018 zusammen mit den Pensionsfonds Caisse de dépôt et placement du Québec und Ontario Teachers` Pension Plan für 4,6 Mrd. Euro einschließlich Nettoschulden übernommen. Der Infrastrukturinvestor Macquarie war nach zehn Jahren ausgestiegen. Die neuen Eigentümer seien stark auf ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, Governance) ausgerichtet, sagt Hartmann. Sie nähmen Techem in die Pflicht, an den eigenen ESG-Standards zu arbeiten. Im Mai werde das Unternehmen seinen ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. Auch in puncto Governance orientiere man sich an vorbildlichen Praktiken. Unabhängige im BoardSo hat der Wärme- und Wasserdienst, der als GmbH firmiert, den Advisory Board, ein Gremium der Eigentümer, mit der Berufung der Professorin und Governance-Expertin Ann-Kristin Achleitner verstärkt. Sie soll als unabhängiges Mitglied den Vorsitz des Nominierungs- und Vergütungsausschusses übernehmen. Der Risiko- und Prüfungsausschuss und das Gesamtgremium würden bereits von Unabhängigen geleitet, betont Hartmann. An der Spitze des Prüfungsausschusses steht der frühere Commerbank-Vorstand Eric Strutz, Vorsitzender des Boards ist Andreas Umbach, Verwaltungsratspräsident von Landis & Gyr und SIG (wobei Umbach auch als Berater für den Mehrheitsaktionär Partners Group tätig ist). Partners Group stellt vier Board-Mitglieder, die beiden Pensionsfonds je einen.Für Macquarie sei Techem ein Dividendenlieferant gewesen, sagt Hartmann. “Das ist jetzt anders. Wir arbeiten in einem auf Wertschaffung ausgerichteten Umfeld. Wir können einen Teil der Erträge reinvestieren, um die neue Agenda mit Produkten und Dienstleistungen zu unterfüttern.” Dabei kämen Techem drei Trends zugute. Zum einen die Verstädterung: Es werde mehr große Quartiere und Mischgebiete geben, so dass der Kernmarkt wachse. Zum anderen die Digitalisierung der Immobilienwirtschaft, die durch neue Regulierungen wie das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende und das Messstellenbetriebsgesetz einen Schub erhalte. Und drittens Klimawandel und Nachhaltigkeit: “Es gibt die klare Forderung, bis 2050 den Wohnungs- und Gebäudebestand klimaneutral zu machen.” Anleihe platziertDerzeit werde die Smart-Reader-Technologie ausgerollt, sagt der frühere IBM-Manager. Das schaffe die Grundlage, “um viele neue Produkte zu platzieren”. Wie viel Umsatz Techem mit Effizienzlösungen erzielt, verrät der CEO nicht. Auch zu konkreten Zielen äußert er sich nicht. Klar ist, dass die klassischen Energiedienstleistungen nach wie vor das Geschäft dominieren. Insgesamt kam Techem im Ende März abgeschlossenen Geschäftsjahr 2019/20 auf 779,5 Mill. Euro Umsatz, 1,5 % mehr als im Vorjahr. Auf Energy Services entfallen 688,5 Mill. Euro, während die Contracting-Sparte, die Wärme und Strom für die Wohnungswirtschaft liefert, auf 91,1 Mill. Euro kam. Die Umsatzrendite vor Zinsen und Steuern lag laut Hartmann bei knapp 15 %. Die Investitionen seien im vergangenen Geschäftsjahr um gut ein Zehntel auf 120 Mill. Euro erhöht worden.Mit der Platzierung einer Anleihe im Volumen von 1,145 Mrd. Euro hat sich Techem im Januar 2020 umfassend refinanziert. Der Bond, der bis 2025 läuft, ist mit einem Kupon von 2,0 % ausgestattet. “Das Marktumfeld war sehr günstig”, sagt Hartmann. “Das haben wir genutzt, um von höheren Zinssätzen runterzukommen.” Das Geschäft habe wenig Volatilität, was gerade in unsicheren Zeiten wie jetzt geschätzt werde. Allerdings liegt das Rating von S&P mit “B+” in einem Bereich, der als (hoch)spekulativ gilt. Das Bankdarlehen wurde ebenfalls im Januar mit 2,875 % p. a. neu gepreist – vorher waren es 3,5 %.Ob Techem an die Börse zurückkehrt, ist nach Einschätzung Hartmanns völlig offen. Es sei viel zu früh, darüber zu spekulieren. Die Weiterentwicklung des Unternehmens brauche Zeit, und der CEO geht davon aus, dass die Eigentümer einen längeren Zeithorizont haben. Klar sei aber auch: “Private Equity wird zum Zeitpunkt x den Exit suchen.” Der frühere MDax-Wert war bis 2009 börsennotiert.Der Messdienst, das klassische Geschäft von Techem, sei ein gesättigter Markt, sagt Hartmann. Es gebe 250 Anbieter in Deutschland, die zumeist regional tätig seien. Techem gehört zu den Großen, ebenso wie Ista und Brunata. Mit der Digitalisierung der Energiewende sei der Markt in Bewegung geraten: “Das ist die Liberalisierung der Messdienste.” Angebote bündelnFür alle Marktteilnehmer ergäben sich neue Perspektiven, die Wettbewerbsdynamik nehme zu. Mit dem Rollout der Smart-Meter-Gateways, der zentralen Kommunikationseinheit eines intelligenten Messsystems, könnten Wärmedienste auch Stromabrechnungen übernehmen und Stadtwerke könnten Wärmeverbrauchsmessung anbieten. Techems Strategie sei, Angebote zu bündeln und ganzheitliche digitale Messdienste anzubieten.Schon heute erfolge die Wärmeerfassung bei Techem in fast 80 % der Liegenschaften in digitaler Form, sagt Hartmann. Auch Eigentümer, die bisher an den alten Röhrchen festgehalten haben, wollten infolge der Corona-Pandemie umstellen. Bis 2027 müssen alle Zähler auf Fernablesung umgestellt sein. Zudem müssen Mieter künftig häufiger über ihre Verbräuche informiert werden. “Das bringt Dynamik in die Diskussion”, glaubt Hartmann. “Messen schafft Bewusstsein.” Hinzu komme die CO2-Besteuerung des Energieverbrauchs. Daher werde die Bereitschaft der Vermieter steigen, in Energieeffizienz zu investieren.