Terror und Luxus vertragen sich nicht
Das zurückliegende Jahr ist für die Luxusgüterindustrie enttäuschend verlaufen. Ursache waren unter anderem die Terroranschläge in Europa, die die Touristenzahlen zurückgehen ließen. Entsprechend weniger wurde in Boutiquen von Louis Vuitton, Gucci oder Cartier gekauft. Für 2017 sind Branchenkenner verhalten optimistisch. Allerdings wird sich die Schere zwischen Gewinnern und Verlierer in allen Produktkategorien deutlich öffnen.Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtAuf ein enttäuschendes Jahr für den Luxusgütersektor könnte mit 2017 eines folgen, das die Pessimisten widerlegt, die dem Ende des Nachfrage-Booms das Wort reden. Wie für fast alle Branchen gilt aber auch hier, dass politische Entwicklungen positive wirtschaftliche Trends ins Gegenteil verkehren können – etwa in den USA durch Entscheidungen des künftigen Präsidenten Donald Trump und in Europa als Folge des Brexit-Votums sowie der Vorgänge in der Türkei. Auch der vom IS in die Welt getragene Terror könnte einen dicken Strich durch jede Konjunkturprognose und Rentabilitätskalkulation machen. Die Anschläge von Paris im November 2015 und in Nizza im Juli 2016, die wegen der danach ausbleibenden Touristen zu Umsatzeinbrüchen in den Hotels und Luxus-Boutiquen der französischen Metropole und der Hafenstadt führten, sind dafür Belege aus der jüngsten Vergangenheit. Events und “kleiner Luxus”Der Trend geht immer mehr hin zu Luxuserlebnissen wie Reisen und Kreuzfahrten oder dem sogenannten “kleinen Luxus” wie hochwertigen Lebensmitteln, Wein und Spirituosen. Das ist eines der Ergebnisse der Studie Worldwide Luxury Market Monitor, die die Managementberatung Bain & Company gemeinsam mit dem italienischen Verband der Luxusgüterhersteller Fondazione Altagamma veröffentlicht hat. Dagegen habe der Verkauf von Luxusprodukten für den persönlichen Gebrauch wie Lederwaren, Mode, Schmuck, Uhren, Parfüm und Kosmetik 2016 bei 249 Mrd. Euro stagniert. Ursache sei im Wesentlichen die Kaufzurückhaltung der US-Amerikaner gewesen.Festland-China entwickelt sich laut Bain zunehmend besser als der Gesamtmarkt für Luxusgüter. Dies liege vor allem an der Zunahme des Binnenkonsums. Dieses Plus im Heimatmarkt habe aber das Minus bei den Luxusausgaben chinesischer Touristen im Ausland, insbesondere in Europa, nicht ausgleichen können. 2016 sei erstmals der Anteil der chinesischen Konsumenten am gesamten Luxusgütermarkt – von 31 auf 30 % – zurückgegangen. Shop-Rentabilität soll steigenStark steigende Erlöse mit Luxusgütern gibt es im Online-Handel. Hier wuchs gemäß der Studie der E-Commerce-Anteil am Gesamtumsatz auf 7 %. Insgesamt war das zu Ende gehende Jahr für die Luxusgüterbranche aber gekennzeichnet von geringem Nachfragewachstum in der Welt – die Deutsche Bank spricht von 3 % – und sinkenden Margen. Insbesondere die erste Hälfte 2016 war enttäuschend. Ungewohnt starke Schwankungen – zeitlich wie auch nach Regionen – prägten das Geschäft. Um diese schwierige Marktlage ohne größere Blessuren zu überstehen, besannen sich die Unternehmen darauf, dass Erfolg nicht nur von Wachstum, sondern auch aus Produktivitätssteigerung herrühren kann. So war ein Ergebnis, zu dem fast alle Luxusgüteranbieter kamen, dass die Rentabilität der eigenen Läden erhöht werden muss.In den vergangenen Jahren war die Zahl der Markenshops sprunghaft gestiegen. Das hat für Benetton, Burberry, Hugo Boss, Prada & Co. leicht nachvollziehbare Vorteile: Wenn die gesamte Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Verkauf an den Endverbraucher kontrolliert wird, hat der Hersteller mehr Kontrolle über die eigene Marke, kann die hohen Margen für den Groß- und Einzelhandel selbst kassieren und so die eigene Rendite steigern. Allerdings ist der Einstieg in den Einzelhandel mit einem Fixkostensprung verbunden. Stagnation oder gar ein Abflauen des Retail-Geschäfts sind – wenn mit dieser Vertriebsschiene Gewinne erzielt werden sollen – nicht hinnehmbar.Doch nicht alle eingeleiteten Maßnahmen zur Ergebnissteigerung werden im neuen Jahr erfolgreich sein. Dafür sind die getroffenen Management-Entscheidungen und das Marktumfeld der Läden sowie der Produkte zu unterschiedlich, zumal sich die Wachstumsrate, getragen unter anderem von einer Erholung in China, nur relativ bescheiden verbessern dürfte – laut Deutscher Bank organisch um zwei Prozentpunkte auf 5 %. Bis jetzt scheinen die Fortschritte in Form sich ausweitender Margen mancherorts jedenfalls bescheiden zu sein. Immerhin zeigt der Erfolg von Gucci, die ihren Geschäftsschwerpunkt von Konfektionsware und Accessoires zu Lederwaren verlagerte, was eine richtige und konsequent umgesetzte Strategie ausrichten kann. Hohe BewertungenAm Kapitalmarkt ist die Sicht freilich optimistischer: Auf Basis der Analystenschätzungen für die Branchenvertreter und deren Gewinn je Aktie 2017 wird gemäß einer Studie der Deutschen Bank mit einem Anstieg von 12 % gerechnet, nachdem das alte Jahr einen Ergebnisrückgang brachte. Das hat dazu geführt, dass das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGVe) für das nächste Jahr bei 21 liegt und damit um rund ein Zehntel über dem historischen Branchendurchschnitt. Noch deutlicher wird die hohe Bewertung, wenn man bedenkt, dass das KGVe für 2017 fast so hoch ist wie die Spitzenwerte in jener Zeit, als die Luxusgüterbranche jedes Jahr zweistellig wuchs und die Geschäftschancen noch endlos schienen, was mit der heutigen Situation nichts mehr zu tun hat. Das Research der Deutschen Bank rät Anlegern daher zu Werten mit begrenztem Risiko; genannt werden Moncler, LVMH und Luxottica. Unter den Luxusgüterkonzernen, für die die höchsten Gewinnzuwächse vorausgesagt werden, empfehlen die Analysten Richemont.Tatsächlich dürften die Unterschiede in der Geschäftsentwicklung der Luxusgüterkonzerne 2017 deutlicher zu Tage treten. Marktanteilsgewinne und Spitzenresultate dürften weniger “mechanisch” (Deutsche Bank) bzw. “automatisch” (Bain) zustande kommen als früher. Vorbei die Zeit, als die Flut alle Boote gleichermaßen anhob. Laut Serge Hoffmann, Partner bei Bain und Branchenexperte, “hat der Markt für Luxusgüter einen hohen Reifegrad erreicht”. Die Markenhersteller müssen sich seiner Ansicht nach deutlich differenzieren, um weiterhin erfolgreich zu wachsen. “Wir sehen Anzeichen einer Polarisierung von Marken. In allen Produktkategorien und Segmenten werden Gewinner und Verlierer erkennbar.” So laufen etwa Einstiegs- oder Top-Linien besser als das breite Mittelfeld. Die Wahl der Strategie wird sich künftig also viel deutlicher in den Zahlen niederschlagen. “Nur die Marken, die ihr Geschäftsmodell entsprechend ausrichten und sich auf Omnikanal-Distribution sowie absolute Kundenorientierung einlassen, werden auch weiterhin erfolgreich sein.”Zupass kommen Unternehmen aus der Eurozone die für sie günstigen Wechselkursverschiebungen. Der Einfluss des im Vergleich zu vielen Währungen schwachen Euro auf die Ergebnisse ist wegen des hohen Erlösanteils in Nicht-Euroland gerade in der Luxusbranche groß. Umgekehrt sorgte in Großbritannien im vergangenen Jahr die Pfund-Schwäche für gute Umsätze mit Touristen.Schwierig einzuschätzen ist wegen der starken Preisschwankungen und unterschiedlichster Einflussgrößen die Kostenentwicklung in der Materialbeschaffung. So sind Energie und Edelstahle 2016 deutlich teurer geworden. Auch Gold ist übers Jahr 9 % kostspieliger geworden, allerdings liegt der Unzenpreis mit derzeit rund 1 160 Dollar um 200 Dollar unter dem Jahreshoch. Für Außenstehende kaum zu durchschauen ist der Markt für Edelsteine wie Diamanten, Smaragde und Rubine. Anders als bei Gold und Silber werden etwa Diamantenpreise auf rein individueller Basis ermittelt. M & A vor WiederbelebungBleiben noch die M & A-Aktivitäten: Nach drei Jahren mit relativ wenigen und unspektakulären Abschlüssen, in denen erhebliche Mengen an Cash angesammelt wurden, könnte schon eine Verbesserung der mittelfristigen Aussichten dazu führen, dass seit langem ins Visier genommene Unternehmen oder Marken akquiriert werden. Laut Deutscher Bank stehen in der Branche rund 10 Mrd. Euro für Übernahmen zur Verfügung. Die großen, hochkapitalisierten Konglomerate LVMH, Richemont und Kering gelten als die “natürlichen” Aufkäufer, doch auch Einmarkenunternehmen versuchen zunehmend, im M & A-Geschäft mitzumischen. Dennoch dürften Firmen wie Ferragamo, Tiffany oder Tod’s eher Ziel als Angreifer sein.Bain prognostiziert, dass der Markt für persönliche Luxuswaren bis 2020 um jährlich 3 bis 4 % auf bis zu 285 Mrd. Euro zulegt. “Ein Spaziergang wird das aber nicht werden”, warnt Hoffmann. Aber das war es wohl noch nie.