IM BLICKFELD

Textilriese Primark zeigt, wie Erfolg offline funktioniert

Von Benjamin Triebe, London Börsen-Zeitung, 20.8.2019 Der 50 Jahre alte Textildiscounter Primark wächst schnell und explizit ohne Online-Angebot. Bei dem Bekleidungshändler aus Birmingham zeigt sich Erfolg darin, wie weit der Mitarbeiter mit dem...

Textilriese Primark zeigt, wie Erfolg offline funktioniert

Von Benjamin Triebe, LondonDer 50 Jahre alte Textildiscounter Primark wächst schnell und explizit ohne Online-Angebot. Bei dem Bekleidungshändler aus Birmingham zeigt sich Erfolg darin, wie weit der Mitarbeiter mit dem Schild “Ende der Schlange” von der Kasse entfernt steht. An diesem Samstagnachmittag ist der Andrang so groß, dass Mitarbeiter und Schild kaum eine Minute stillstehen. Das Schlangenende rückt immer weiter fort von den Kasse. Theoretisch kann das weit sein: Der im April im Zentrum Birminghams eröffnete Flaggschiff-Laden hält den Weltrekord für die größte Filiale eines Bekleidungshändlers. Sehr niedrige Preise Die Vorzeigefiliale erstreckt sich über fünf Etagen und 15 000 Quadratmeter – fast wie ein Kaufhaus. Aber den traditionellen Kaufhäusern droht auch in Großbritannien der Untergang. Primark hingegen legt zu und ist einer der größten Kleidungsanbieter Europas geworden. Dabei setzt das Unternehmen ausschließlich auf Ableger in den teuren Stadtzentren und bietet kein Online-Shopping. Nicht einmal Vorbestellungen kann man über das Internet tätigen. “Wir planen nicht, in naher Zukunft so etwas wie ,Click and Collect` auszuprobieren”, lässt ein Sprecher wissen. Es läuft auch so gut genug. Primark unterhält inzwischen 373 Filialen in zwölf Ländern. Im vergangenen Geschäftsjahr (30. September) gaben die Kunden dort 7,5 Mrd. Pfund (8,1 Mrd. Euro) aus; der Umsatz liegt fast viermal so hoch wie noch vor zehn Jahren.Primark ist Teil von Associated British Foods (ABF), einem der letzten großen britischen Konglomerate. Die Eigentümer von ABF beauftragten vor 50 Jahren den Manager Arthur Ryan, eine Bekleidungssparte ins Leben zu rufen. Ryan eröffnete 1969 die erste Filiale im irischen Dublin – unter dem Namen Penney’s. Doch dieser Name war im Vereinigten Königreich geschützt, und als das Unternehmen 1973 dorthin expandierte, musste sich Ryan die Bezeichnung Primark einfallen lassen.Der Bekleidungshandel mit Primark ist für ABF inzwischen weitaus wichtiger als die übrigen Sparten wie Lebensmittel (zum Beispiel Tee der Marke Twinings) oder die Zuckerproduktion. 2017/18 steuerte Primark mit 843 Mill. Pfund über 80 % zum Gruppengewinn bei.Der Preis ist Primarks entscheidender Vorteil. Primark bietet T-Shirts ab 2 Pfund, Schuhe ab 6 Pfund und Jacketts ab 17 Pfund an. Damit richtet sich das Unternehmen längst nicht nur an jene, die auf günstige Kleidung angewiesen sind. Vielmehr legt Primark großen Wert auf modische Produkte und passt die Auswahl schneller an Trends an als mit dem branchenüblichen vierteljährlichen Kollektionswechsel. Das ermöglicht es dem meist jungen Publikum, die jüngsten Fashion-Ideen für wenig Geld auszuprobieren.Der niedrige Preis gestattet es auch, die Kleidung nach einmaligem oder zweimaligem Tragen wegzuwerfen und etwas Neues zu kaufen. Diese Philosophie zeigt sich in den Filialen an zwei Punkten: Erstens erhalten die Kunden für den Bummel Einkaufstaschen, die ein größeres Volumen aufweisen als mancher Reisekoffer. Zweitens stellt Primark seit diesem Jahr Recycling-Boxen in den Filialen auf, in denen Besucher ihre alten Kleidungsstücke entsorgen können. Shopping soll ein Kreislauf sein – oder zumindest so aussehen.Natürlich wirft die Billigstrategie Fragen auf, etwa zum Kostendruck auf die asiatischen Textilbetriebe, die Primark beliefern, zu den Bedingungen für die Arbeiter sowie zur Umweltverträglichkeit. Primark versucht zu beruhigen: Der Erlös aus den zurückgebrachten Kleidern geht an das Kinderhilfswerk Unicef, unverkaufte Artikel werden an eine andere Wohlfahrtsorganisation gespendet. Primark betont, es werde mehr Biobaumwolle zur Produktion verwendet. Auch habe die Firma ihre Zulieferer auf einen Arbeitsrechtekodex verpflichtet, u. a. zu Bezahlung und Arbeitssicherheit, dessen Einhaltung regelmäßig überprüft werde.Primarks wichtigster Markt ist Großbritannien, wo der Textilanbieter einen Marktanteil von 7 % erobert hat. Auch im Ausland wird expandiert; allein von April bis Juni kamen neun Filialen hinzu. Mit rund 11 % der Verkaufsfläche ist Deutschland der drittgrößte Standort, nach dem mit erheblichem Vorsprung führenden Großbritannien sowie Spanien.Hauptsächlich dank der Neueröffnungen lag Primarks Umsatz in den neun Monaten bis Juni um 4 % über der Vorjahreszeit. Die Like-for-like Sales – also der Erlös, der mit der alten Verkaufsfläche generiert wurde – sanken hingegen, was am schlechten Frühjahrswetter gelegen haben soll. Auch in Deutschland entwickelte sich der Handel schwach.Zum Erfolg gehört, dass Primark billig ist, aber nicht billig wirkt. Die Qualität der Ware ist annehmbar, und die Einrichtung der Filialen hat wenig mit Discountern gemein. Der Textilhändler entwickelt Warenhauscharakter und verkauft auch Reisekoffer, Duschvorleger und Bluetooth-Kopfhörer. Außerdem geht die Firma Kooperationen ein, um von berühmten Marken zu profitieren. Aufsehen erregt die Zusammenarbeit mit Warner Bros. und Disney. Primark schafft es, den Werbebegriff vom “Einkaufserlebnis” mit etwas Leben zu füllen. Der Erfolg der neuen Vorzeigefiliale in Birmingham sei ermutigend, heißt es.Im Zentrum der Expansion steht Osteuropa, aber auch Deutschland gilt weiterhin als Wachstumsmarkt. Vor wenigen Tagen eröffnete eine Filiale in Bonn – begleitet von Protesten gegen “Wegwerf-Mode”.