Thyssen leitet Sonderprüfung zum Debakel in Amerika ein
ahe Düsseldorf – Beim Industriekonzern ThyssenKrupp sollen die hohen Verluste beim Aufbau der neuen Stahlwerke in Amerika sowie die zahlreichen Kartell- und Korruptionsfälle im Zuge einer Sonderprüfung aufgearbeitet werden. Darauf einigte sich der Konzernvorstand mit der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und dem Corporate-Governance-Experten Christian Strenger. Die DSW und Strenger hatten eine solche Prüfung bereits auf der Hauptversammlung im Januar gefordert. Ein Novum in DeutschlandDass sich ThyssenKrupp nun zu einer freiwilligen Sonderprüfung bereit erklärt hat, gilt – zumindest auf Ebene der großen börsennotierten Konzerne – als ein Novum in der deutschen Unternehmenslandschaft. Als Sonderprüfer sollen nun die BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aus Hamburg sowie der renommierte Frankfurter Professor Hans-Joachim Böcking tätig werden. Sie sollen den Aktionären zur nächsten Hauptversammlung ihren Prüfungsbericht vorlegen.”Das Unternehmen setzt damit ein klares Signal für eine unabhängige Aufklärung gemeinsam mit den Aktionären”, lobte der DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. Der Kulturwandel bei ThyssenKrupp finde nicht nur auf dem Papier statt, sondern werde tatsächlich gelebt. Auch DSW-Aufsichtsrat Strenger, der in dem Fall als Privataktionär aktiv geworden war, zeigte sich zufrieden. Offenbar seien mittlerweile mehr Unternehmen bereit, Governance-Frage im konstruktiven Diskurs mit ihren Aktionären zu lösen, sagte er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Er habe diese Einigung unterstützt, weil ein Gerichtsverfahren zur Durchsetzung einer solchen Sonderprüfung wohl mehrere Jahre gedauert hätte. “Wichtiger ist für mich aber die wirtschaftliche Erkenntnis, dass die so hohen Fehlbeträge aus dem Steel-Americas-Projekt und den Kartellfällen nicht mehr rückholbar sind und die dafür hauptsächlich verantwortlichen Personen auch in Vorstand und Aufsichtsrat das Unternehmen inzwischen verlassen haben oder mussten”, sagte Strenger.Bei ThyssenKrupp waren in den vergangenen zwei Jahren Milliardenabschreibungen auf die neuen Stahlwerke in Brasilien und den USA fällig geworden, die den Konzern in eine arge finanzielle Schieflage gebracht hatten. Die Investitionen in Übersee waren zudem deutlich teurer ausgefallen als ursprünglich geplant. Gleichzeitig waren verschiedene Compliance-Probleme öffentlich geworden. Für die Teilnahme an einem Schienenkartell sind bereits Bußgelder von rund 190 Mill. Euro fällig geworden. Allein die Deutsche Bahn fordert zudem von ThyssenKrupp noch Schadenersatz in dreistelliger Mill.-Euro-Höhe. Drei Vorstände und Aufsichtsratschef Gerhard Cromme hatten im letzten Dreivierteljahr ihre Ämter verloren.Die Sonderprüfung soll nach Angaben von Strenger nun konkrete Bereiche des heutigen Kontrollwesens und der Informationswege überprüfen. Es gehe darum, dass die maßgeblichen Gesetze und die internen Vorgaben künftig deutlich besser eingehalten werden könnten, sagte er.