Thyssenkrupp malt düsteres Bild
Die Folgen der Covid-19-Pandemie verschärfen die Lage für Thyssenkrupp. Nach einem dramatischen Mittelabfluss im ersten Halbjahr und operativen Verlusten in den automobilnahen Geschäften ist für die zweite Jahreshälfte keine Besserung in Sicht. Ein Liquiditätsproblem gibt es jedoch nicht. Gleichwohl hat sich der Handlungsspielraum, der sich aus dem Verkauf der Aufzugssparte ergibt, deutlich eingeengt. ab Düsseldorf – Die Coronakrise hat die Situation für Thyssenkrupp nochmals verschärft. Aus fortgeführten Aktivitäten ist nach Ablauf des ersten Halbjahres bereits ein bereinigter operativer Verlust von 443 Mill. Euro aufgelaufen, unter dem Strich summiert sich der Fehlbetrag sogar auf 1,3 Mrd. Euro. Das dritte Quartal, warnte der Konzern mit der Vorlage des Zwischenberichts, wird noch schwieriger werden.Infolge der Werksschließungen und Produktionsaussetzungen der Kunden aus der Automobilindustrie wird mit einem deutlichen Umsatzrückgang kalkuliert. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) aus fortgeführten Aktivitäten könnte sich im Zeitraum April bis Juni auf – 1 Mrd. Euro belaufen, lautet die düstere Vorhersage. Die Gesamtjahresprognose hatten die Essener schon Ende März kassiert, eine neue quantitative Vorausschau wird nicht gewagt.Die Investoren schickten die Aktie nach dem ernüchternden Zwischenbericht erneut auf Talfahrt. In der Spitze gab der MDax-Wert um über 17 % nach. Zum Handelsende stand mit 4,11 Euro ein Tagesverlust von 15,3 % zu Buche.Die ganze Tragweite des Geschäftseinbruchs verdeutlicht der dramatische Mittelabfluss. Im ersten Halbjahr belief sich der freie Cash-flow vor M&A auf – 2,7 Mrd. Euro. Zugleich versicherte Finanzchef Klaus Keysberg vor der Presse: “Wir haben kein Liquiditätsproblem.” Per Ende März verfügten die Essener nach den Angaben über ein Liquiditätspolster von 4,5 Mrd. Euro. Seit Ende vergangener Woche steht zudem eine Kreditlinie aus dem KfW-Notprogramm im Umfang von 1 Mrd. Euro zur Verfügung. Diese Linie müsse zurückgezahlt werden, wenn der Erlös aus dem Verkauf der Aufzugssparte eingegangen sei, sagte Keysberg. Zu den Kreditkonditionen sagte der Manager lediglich, sie seien “marktüblich”.Was das konkret heißt, ist nicht ganz klar, haben sich die Zinsaufwendungen für Finanzschulden angesichts der deutlich verschlechterten Finanzlage doch bereits spürbar erhöht, wie aus dem Zwischenbericht hervorgeht. Angesichts eines Gearing von über 640 % verwundert das jedoch nicht. Die Nettoverschuldung stieg zum 31. März auf 7,5 (Bilanzstichtag: 3,7) Mrd. Euro. Zugleich verringerten sich die Pensionsverbindlichkeiten auf 7,7 (8,9) Mrd. Euro. Eingeschränkter Spielraum”Die Pandemie stellt uns vor große Herausforderungen”, sagte Keysberg. Der Umsatz breche weg, zugleich liefen die Kosten weiter. Insbesondere das Stahlgeschäft, der Werkstoffhandel und Automotive Technology würden von der Krise schwer belastet. Der ohnehin geplante Konzernumbau, der mit dem Erlös aus dem Verkauf der Aufzugssparte (17,2 Mrd. Euro) finanziert werden soll, müsse nun umso schneller vollzogen werden. “Allerdings ist heute schon klar, dass Corona unseren Spielraum deutlich einschränken wird”, wird Vorstandschefin Martina Merz zitiert.Den detaillierten Zukunftsplan will der Vorstand in der kommenden Woche dem Aufsichtsrat vorlegen. Der Elevator-Verkauf soll spätestens bis zum Ende des Geschäftsjahres abgeschlossen sein. Von den erforderlichen Kartellgenehmigungen für den Elevator-Verkauf aus 13 Jurisdiktionen liegen bislang acht Genehmigungen vor.Lichtblicke gab es jenseits der verkauften Aufzugssparte, die sich relativ stabil entwickelte, im Berichtsquartal nur wenige. So rutschte die Automotive-Sparte mit 49 Mill. Euro in die roten Zahlen (bereinigtes Ergebnis vor Zinsen und Steuern). Industrial Components profitierte von der guten Auftragslage in der Windenergie, gegenläufig entwickelte sich jedoch das Schmiedegeschäft. Das bereinigte Ebit konnte sich mit 52 Mill. Euro nur knapp behaupten. Im Anlagenbau (Plant Technology), für den gerade der Verkaufsprozess läuft, konnte der operative Verlust zumindest verringert werden. Es lägen erste indikative Angebote vor, sagte Keysberg. Diese stünden selbstverständlich unter “Coronavorbehalt”. Einen “fire sale” schloss Keysberg aus, betonte aber, das Thema mit Druck voranzutreiben.Der Werkstoffhandel (Material Services) war dagegen mit einer Ergebnishalbierung konfrontiert. Noch düsterer sieht es allerdings im Stahlgeschäft aus. Hier fuhr Thyssenkrupp im zweiten Quartal einen um Sondereffekte bereinigten operativen Verlust von 208 Mill. Euro ein. Die Sonderlasten, die vor allem Restrukturierungsaufwand beinhalten, beliefen sich im Berichtsquartal aus fortgeführtem Geschäft auf 294 Mill. Euro.