ThyssenKrupp-Offensive im Zulieferer-Geschäft

Die Umstrukturierungen im Bereich F & E tragen erste Früchte: Mehr als 40 Neuentwicklungen im Automotive-Sektor

ThyssenKrupp-Offensive im Zulieferer-Geschäft

ahe Düsseldorf – Mit mehr als 40 Neuentwicklungen im Gepäck startet ThyssenKrupp eine Offensive im Zulieferergeschäft. In den kommenden Monaten will der Essener Industriekonzern den Automobilherstellern vor Ort neue Autoteile vorstellen, die Einsparungen beim Gewicht um bis zu 50 % und bei den Kosten um bis zu 20 % bringen sollen und die zügig in die Serienproduktion gehen könnten.Die neuen Produkte sind das Ergebnis von “InCar plus” – dem mit Abstand größten Forschungs- und Entwicklungsprogramm des Dax-Konzerns der vergangenen Jahre. An dem Projekt waren 100 Ingenieure aus acht Konzernbereichen beteiligt. Übergreifend an 15 Standorten hatten Experten aus dem Stahlgeschäft drei Jahre lang mit Kollegen aus der Komponenten-Technologie und der Sparte Industrial Solutions zusammengearbeitet. “InCar plus” steht damit bei ThyssenKrupp auch beispielhaft für die Neuaufstellung des Bereichs Forschung & Entwicklung (F & E), die auf eine stärkere Vernetzung im Konzern setzt.Die neuen Autoteile, die nun auf den Markt kommen, haben eine hohe strategische Bedeutung für ThyssenKrupp, da die Automobilindustrie beim Ruhrkonzern für einen Umsatz von rund 10 Mrd. Euro steht und damit für ein Viertel des gesamten Geschäfts. Dieser Anteil soll auch in den kommenden Jahren in dem harten Wettbewerb mit anderen Zulieferern und anderen Werkstoffen gehalten werden, wie ThyssenKrupp-Vorstandschef Heinrich Hiesinger in Essen erläuterte. Es gebe keinerlei Absicht, das Komponentengeschäft zu veräußern. Vorerst keine ZukäufeDie Möglichkeit von Zukäufen im Automotive-Geschäft sieht Hiesinger wegen der noch immer schwachen Bilanz vorerst allerdings auch nicht. ThyssenKrupp setzt daher zunächst ganz auf organisches Wachstum und interne Weiterentwicklungen, die auch Projekte wie “InCar plus” bringen sollen. In den vergangenen Tagen war darüber spekuliert worden, dass ThyssenKrupp am Automotive-Geschäft von Rheinmetall Interesse haben könnte, ein Geschäft mit einem Volumen von immerhin rund 2,5 Mrd. Euro. Im Gegenzug könnte Thyssen das Marine-Systems-Geschäft an die Düsseldorfer abgeben. Hierzu äußerte sich der Vorstandsvorsitzende aber explizit nicht.Zur Innovationsstrategie, die Hiesinger nach seinem Amtsantritt installiert hat, gehörte die Schaffung der neuen Zentralfunktion “Technology, Innovation and Sustainability”, die in allen Sparten des Konzerns und allen Regionen verankert wurde. Dazu kamen neue Technologiezentren im gesamten Konzern.Die Forschungsausgaben wurden trotz der sich immer mehr zuspitzenden finanziellen Schwierigkeiten nicht gekürzt, sondern im Gegenteil seit dem Geschäftsjahr 2010/11 sogar noch um rund 30 % auf derzeit mehr als 720 Mill. Euro pro Jahr erhöht (siehe Grafik). Die Ausgaben sollen in den nächsten Jahren parallel zum geplanten Umsatzwachstum weiter steigen. Und die Zahl der Patente stieg allein in den vergangenen zwei Jahren um mehr als 30 % auf jetzt rund 17 200.Aktuelle Studien zeigten, dass die Zusammenarbeit über traditionelle Branchen- und Technologiegrenzen immer wichtiger werde, zumindest, wenn es um wirkliche Technologiesprünge gehe, sagt Hiesinger. “ThyssenKrupp hat mit seiner Vielfalt an Technologien hier quasi einen strukturellen Vorteil.”Welches Umsatzpotenzial hinter den Neuentwicklungen im Automotive-Bereich stecken könnte, dazu will sich ThyssenKrupp nicht äußern. Klar ist aber, dass die vielversprechenden Ergebnisse des “InCar plus”-Programms nicht die letzten Früchte der neuen F & E-Strategie bleiben sollen. Hoffnung macht beispielsweise schon jetzt das Projekt “Carbon2Chem”, in dem es um die Nutzung von Hüttengasen für die Chemieproduktion geht. Wenn das Projekt erfolgreich ist, könnte langfristig nahezu das gesamte CO2, das in den ThyssenKrupp-Stahlwerken frei wird, weiter genutzt werden. Das wäre ein echter Technologiesprung.—– Wertberichtigt Seite 8