GROSSANLAGENBAU - IM INTERVIEW: JENS MICHAEL WEGMANN

Thyssenkrupp spürt starke Konkurrenz aus Fernost

Der CEO der Anlagenbausparte über Industrie 4.0, German Engineering und Angreifer aus Asien

Thyssenkrupp spürt starke Konkurrenz aus Fernost

Die Thyssenkrupp-Anlagenbau- und Marinesparte Industrial Solutions geht den geplanten Wachstumskurs mit einem neuen Vorstandsvorsitzenden an. Der Elektrotechnik-Ingenieur Jens Michael Wegmann hat erst vor wenigen Wochen die Führungsrolle übernommen. Wegmann, der genau wie Konzernchef Heinrich Hiesinger und der Chef der Stahlsparte, Andreas Goss, ein Ex-Siemensianer ist, äußert sich auf dem Engineering Summit im Interview der Börsen-Zeitung.- Herr Wegmann, ist Thyssenkrupp in der Anlagenbausparte gut auf Industrie 4.0 vorbereitet?Wir starten von einer soliden Basis, und ich treibe das Thema persönlich voran. Wir haben ganz frisch eine Initiative namens Advanced Automation@Industrial Solutions angestoßen mit dem Ziel, Automatisierungskompetenzen zu bündeln und zu stärken. Hier bereiten wir uns auf die Digitalisierung der Industrieanlagen wie auch auf die Digitalisierung von Werften vor. Hiermit bringen wir die Fähigkeiten und Erfahrungen aus unseren unterschiedlichen Branchen mit dem Ziel zusammen, einen klaren Kundennutzen zu schaffen.- Eine Umfrage der Maschinenbaulobby VDMA hat ergeben, dass sich die deutschen Großanlagenbauer insgesamt nicht besonders gut für die Digitalisierung gerüstet halten. Sehen Sie das auch so?Jeder interpretiert das Thema anders, deshalb hat jeder auch ein eigenes Bild von Industrie 4.0. Für uns ist es wichtig, dem Kunden einen zusätzlichen Nutzen zu bieten, beispielsweise vorausschauende Wartung. So arbeiten wir zum Beispiel mit Industrie 4.0 an einer Lösung für einen Bergbaukunden in Australien, mit der wir feststellen können, wann die Lager in seiner Anlage wahrscheinlich verschleißen und ausgetauscht werden müssen. Stichwort: vorausschauende Wartung.- Sie haben gerade einen Großauftrag für ein Zementwerk in Saudi-Arabien erhalten. Mussten Sie sich gegen Konkurrenz aus Asien durchsetzen?Wir stehen bei fast allen Projekten in Konkurrenz mit asiatischen Wettbewerbern, so auch hier.- Und wie haben Sie es geschafft?Sie brauchen die beste Technologie und die beste Kundenbeziehung. In diesem Fall hatten wir mit dem saudi-arabischen Kunden Yamama seit 1966 eine Geschäftsbeziehung. Das Zementwerk war die siebte Zementanlage in Folge, die wir an diesen Kunden verkauft haben, und zugleich der größte Auftrag, den Thyssenkrupp bisher im Zementbereich erhalten hat.- Wie und wo tun Ihnen asiatische Wettbewerber weh?Bei Zementwerken zum Beispiel sind wir überwiegend im Premiumsegment und konkurrieren zunehmend mit chinesischen Wettbewerbern. Das heißt, wir müssen auch mehr Maschinen und Anlagen im Standardsegment anbieten, die in geringer Zeit mit hoher Qualität zu niedrigen Kosten zu erstellen sind. Da bieten wir unseren Wettbewerbern mit German Engineering, aber standardisiert, die Stirn. In Afrika spüren wir die Konkurrenz aus China in allen Bergbauprojekten sehr stark. Hier bieten die Chinesen fast immer mit der Anlage auch eine Finanzierung und punkten so über das Gesamtpaket.- Was bieten Sie in Sachen Finanzierung?Wir haben gute Kontakte zu Banken, die wir gerne vermitteln. Aber Projektfinanzierung gehört nicht zu unserem Kerngeschäft.- Wie lauten die mittelfristigen Ergebnisziele der Sparte Industrial Solutions, und wann werden sie erreicht?Unser Ziel ist es, bei dem enormen Wettbewerbsdruck die herausfordernde Marge von 6 bis 7 % beim Ebit zu halten. Beim Umsatz wollen wir von rund 6 Mrd. auf rund 8 Mrd. Euro kommen.- Wie wollen Sie das Erlöswachstum erreichen?Wir müssen über den ganzen Lebenszyklus beim Kunden bleiben, also nicht nur die Anlage bauen, sondern auch noch mehr Wartung und Betriebsunterstützung leisten. Dafür müssen wir näher beim Kunden sein und uns stärker regionalisieren. Das ist für unser Anlagenbaugeschäft auch eine kulturelle Veränderung im Sinne einer zusätzlichen Chance.- Im Werftengeschäft hoffen Sie auf einen U-Boot-Auftrag aus Australien, mit angeblich bis zu 33 Mrd. Euro Volumen inklusive Wartung der wohl größte Einzelauftrag in der Marinegeschichte. Wie groß ist das Auftragsvolumen tatsächlich?Wir befinden uns noch im sogenannten Competitive Evaluation Prozess, in dieser Phase sind Lieferumfang und ein möglicher Preis vertraulich.- Wann gibt es eine Entscheidung, wer den Auftrag erhält?Das ist offen, aber wir gehen davon aus, dass in der ersten Hälfte 2016 ein bevorzugter Bieter ausgesucht werden könnte.- Bei derart prestigeträchtigen Großprojekten müssen Lieferanten oft Preiszugeständnisse machen. Thyssenkrupp auch?So weit sind wir noch nicht. Wir sind nach wie vor im Wettbewerb und müssen den Kunden zunächst von unserem Angebot überzeugen.- Was macht Sie optimistisch, den Konkurrenten DCNS aus Frankreich und das japanische Konsortium mit Mitsubishi und Kawasaki auszustechen?Wir haben die führende Technologie, sind der erfahrenste Hersteller von konventionellen U-Booten, und wir können die Fertigung sowohl im eigenen Land als auch beim Kunden anbieten. Wir haben bereits mehrfach bewiesen, dass wir im Ausland erfolgreich bauen können.—-Das Gespräch führte Daniel Schauber.