Thyssenkrupp stellt Großanlagenbau neu auf
Thyssenkrupp-Interimschef Guido Kerkhoff zeigt sich aktiv: Bei der kleinsten, aber schwierigsten Sparte des Konzerns, im Großanlagenbau, wird das Führungspersonal ausgetauscht und die Kriegsschifftochter direkt an den Vorstand angedockt. Ein Befreiungsschlag ist das nicht. Der Aktienkurs reagiert nicht.cru Frankfurt – Thyssenkrupp-Interimschef Guido Kerkhoff baut die angeschlagene Großanlagen-Sparte Industrial Solutions um – und reizt damit sein derzeit vom Aufsichtsrat auf die Weiterführung der von Ex-vorstandschef Heinrich Hiesinger ausgearbeiteten Strategie begrenztes Mandat so weit wie möglich aus.Nachdem die Restrukturierung des seit langem defizitären Geschäftsbereichs vorerst gescheitert ist, müssen Industrial-Solutions-Chef Peter Feldhaus, ein Ex-McKinsey-Mann, und Finanzvorstand Stefan Gesing zum 1. Oktober gehen. Der bisher für das operative Geschäft der Sparte zuständige Marcel Fasswald, ein gelernter Ingenieur, übernimmt zum 1. Oktober die Leitung. Mit Oliver Tietze kommt zudem ein neuer Finanzvorstand.Außerdem wird die Kriegsschiff-sparte Marine Systems mit 6 000 Beschäftigten, die unter anderem Fregatten und U-Boote herstellt, vom Großanlagenbau abgetrennt und direkt Personalvorstand Oliver Burkhard unterstellt. Der Ex-IG-Metall-NRW-Chef ist in der Politik gut verdrahtet und könnte helfen, neue Rüstungsaufträge wie etwa die von der Bundeswehr benötigten Mehrzweckkampfschiffe im Milliardenwert an Land zu ziehen. Zudem entlastet Burkhard den neuen Industrial-Solutions-Chef Fasswald, der sich nun allein der Restrukturierung der Großanlagen-Sparte widmen kann. “Marine wird nicht verkauft”Auf Anfrage erklärte ein Sprecher, die Abtrennung von Marine Systems diene nicht der Vorbereitung eines Verkaufs der Kriegsschiffsparte. Vor einigen Jahren hatte sich Rheinmetall für Marine Systems interessiert, war aber nicht bereit, den verlangten Preis zu zahlen, und hat inzwischen das Interesse verloren – zumal die Vorgaben der Bundesregierung zumindest den U-Boot-Bereich als strategisch einstufen und somit einen Verkauf ins Ausland ausschließen. Für die Überwasserschiffe gilt die französische Staatswerft Naval Group als Interessent.Bei der Restrukturierung des Anlagenbaus könnten indes noch mehr Arbeitsplätze gestrichen werden als bislang geplant, wie ein Sprecher bestätigte. Der Essener Konzern hatte 2017 angekündigt, innerhalb von drei Jahren in der Sparte bis zu 2 000 Stellen abzubauen. Insgesamt arbeiten im Geschäftsbereich Industrial Solutions mehr als 21 000 Menschen.Bei seinem Amtsantritt im Mai 2017 hatte Spartenchef Feldhaus angekündigt: Obwohl das Unternehmen derzeit bei den Neuaufträgen die Talsohle durchschritten habe, seien die Strukturen dennoch überdimensioniert. Geplant sei, künftig flexibler auf Schwankungen im Auftragseingang reagieren zu können.Ein neues Konzept für die Restrukturierung des Anlagenbaus gibt es nicht. Kerkhoff hatte bereits verlangt, neben den Großprojekten, bei denen es lange Zeit eine Auftragsflaute gab, mehr kleinere Projekte zu berücksichtigen und mehr auf Service und Instandhaltung zu setzen.Nach einem operativen Verlust der Sparte in den ersten neun Monaten 2017/18 (per Ende September) von 224 Mill. Euro hatte der Konzern seine Prognose für das Gesamtjahr auf ein bereinigtes Ebit von 1,8 Mrd. Euro beziffert – was am unteren Ende der zuvor genannten Spanne von 1,8 Mrd. bis 2 Mrd. Euro liegt.Zur Prognosesenkung hatten die ausufernden Kosten für eine U-Boot-Bestellung der Türkei aus dem Jahr 2009 beigetragen. Zur Neunmonatsbilanz im August hieß es: Ungeachtet der aktuellen Herausforderungen bei Industrial Solutions strebe Thyssenkrupp im Anlagenbau bis 2020/2021 eine Marge vor Zinsen und Steuern (Ebit) von circa 6 % an (Geschäftsjahr 2016/2017: 2 %). Mehr Cash ab 2020 avisiertDer Cash-flow solle gegenüber dem Geschäftsjahr 2016/2017 um mehr als 600 Mill. Euro steigen. Die dafür notwendige Neuausrichtung der Sparte auf kleinere und mittelgroße Aufträge sowie das margenstarke Service-Geschäft sei bereits eingeleitet worden und werde nun “mit aller Konsequenz umgesetzt”. Im Marinegeschäft soll die Ebit-Marge bis 2020/2021 mindestens positiv sein. Der Cash-flow soll hier um ungefähr 200 Mill. Euro steigen. Dies soll durch eine bessere Abwicklung der Projekte erreicht werden.Der Kurs der Thyssenkrupp-Aktie reagierte am Freitag auf den Führungswechsel im Großanlagenbau und die Abtrennung von Marine Systems mit einer unveränderten Notierung bei 18,94 Euro. Der Börsenwert des Konzerns hat sich seit Juni 2011 nahezu halbiert auf 11,8 Mrd. Euro.Derweil kommt der Umbau des Konzerns inmitten des Führungsvakuums kaum voran. Die Posten von Vorstands- und Aufsichtsratschef sind vakant, nachdem Heinrich Hiesinger und Ulrich Lehner im Juli kurz hintereinander hingeworfen hatten.