Tiefkühlbäcker heiß auf Kapital

Schweizer Aryzta strebt Erhöhung um 800 Mill. Euro zum Schuldenabbau an - Picard-Verkauf stockt

Tiefkühlbäcker heiß auf Kapital

Aryzta setzt zum Befreiungsschlag an: Der schweizerisch-irische Tiefkühlbäcker kündigt angesichts der anhaltenden finanziellen Probleme spät eine Kapitalerhöhung zur Bilanzsanierung an. Die Börsenkapitalisierung ist auf 760 Mill. sfr gesunken und liegt unter dem ins Auge gefassten Volumen der Bezugsrechtsemission.wb Frankfurt – Der gelistete schweizerisch-irische Backwarenhersteller Aryzta muss seine schuldenstrapazierte Bilanz reparieren. Das vor knapp einem Jahr angetretene neue Management plant nach mehreren Gewinnwarnungen eine Kapitalerhöhung über 800 Mill. Euro, wie der Weltmarktführer für tiefgekühlte Backwaren mitteilt. Die Konditionen sollen aber erst im Oktober genannt werden. Zugleich kündigt das Unternehmen aus Zürich, das vor allem mit Übernahmen gewachsen war, neue Einschnitte zur Kostensenkung an. Laut Research der UBS liegt das Verhältnis von Nettoschulden zu operativem Ergebnis (Ebitda) bei 7,7 – inklusive der ausgegebenen Hybridanleihen. Bis Ende Juli 2019 muss die Quote ohne diese Bonds auf 3,5 sinken. Immer wieder wurde angezweifelt, dass Aryzta die vereinbarten Kreditklauseln einhalten kann. Der Aktienkurs des Unternehmens, das zu 100 % im Streubesitz liegt, kennt schon seit längerem nur eine Richtung: nach Süden. Allein in diesem Monat verlor er nahezu 40 %. Gestern lag das Minus bei 6 % auf 8,25 sfr. Damit liegt die Marktkapitalisierung des von CEO Kevin Toland geführten Unternehmens mit 766 Mill. sfr unter dem geplanten Volumen der Kapitalerhöhung. Banken stehen festBegleiten lässt sich der Konzern für die Bezugsrechtsemission von Bank of America Merrill Lynch und UBS als Koordinatoren. Credit Suisse und J.P. Morgan sind weitere Buchführer; Rotschild berät. Details sollen erst mit der Vorlage der Zahlen zum Geschäftsjahr am 1. Oktober veröffentlicht werden. Die Bezugsrechtsemission soll im vierten Quartal über die Bühne gehen. UBS-Analysten rechnen nicht damit, dass Aryzta bis 2022 Dividende zahlt. Derzeit handelt die Aktie zum halben Buchwert.Das Unternehmen entstand 2008 aus der Fusion von IAWS Group aus Dublin mit der Schweizer Hiestand Holding. Für 1,1 Mrd. Dollar kaufte Aryzta 2010 zwei Gesellschaften in den USA und finanzierte 950 Mill. Dollar fremd. Seitdem ist der Konzern Weltmarktführer für Tiefkühlbackwaren. Origin Enterprise, ein Anbieter von Agri-Nutrition, wurde 2015 verkauft.Mittel einspielen sollte eigentlich der Verkauf des Anteils am französischen Tiefkühlkosthersteller Picard, an dem Aryzta knapp 50 % hält und den sie nicht loswird. Geplant war, aus Veräußerungen im Turnus per Ende Juli 2018 mehr als 450 Mill. Euro einzunehmen. Den größten Teil davon hätte Picard einspielen sollen. Stattdessen wird diese Beteiligung über Sonderdividenden zur Ergebnisstütze genutzt. Vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) sollen wie im Ende Juli ausgelaufenen Fiskaljahr ca. 300 Mill. Euro verdient werden. Diese Ansage war schon gesenkt worden. Aryzta bewege sich im Rahmen der Kreditvereinbarungen, wird betont. Die Covenants, über deren Reißen mehrfach spekuliert wurde, sehen nach früheren Angaben vor, dass das Verhältnis von Nettoschulden zu Ebitda die 4 nicht übersteigen soll (ohne Hybridanleihen). Geschafft wurde dies über Sonderausschüttungen von Picard. Bei Finanzschulden von 1,6 Mrd. Euro (Ende Januar) müsste ein cash-flow-nahes Ergebnis von mindestens 400 Mill. Euro erzielt werden, um den Leverage einzuhalten. Mit dem avisierten Ebitda von 300 Mill. Euro beläuft sich das Verhältnis auf 5,3.Das Ziel einer Schuldenreduktion um 1 Mrd. in den nächsten vier Jahren wird bekräftigt, ebenso der Verkauf von Unternehmensteilen für 450 Mill. Euro. An Picard ist auch der britische Finanzinvestor Lion Capital beteiligt. Aryzta hatte 2015 knapp 50 % an Picard von Lion für 447 Mill. Euro gekauft. Über ein Anleiheprogramm von Picard über 1,2 Mrd. Euro, das der Refinanzierung diente, ließen sich beide Anteilseigner Dividende überweisen, Aryzta strich 91 Mill. Euro ein. Neue Kostensenkungen sollen zu Einsparungen von jährlich 90 Mill. Euro bis 2021 führen. Alles in allem sind 200 Mill. Euro vorgesehen. Der Aufwand wird auf 150 Mill. Euro auf drei Jahre beziffert. Operativ habe sich das Geschäft im vierten Quartal wie erwartet entwickelt, heißt es. Der Umsatz verringerte sich 2016/17 um 2,1 % auf 3,8 Mrd. Euro, das Ebitda brach um 31 % auf 420 Mill. Euro ein. Netto stand ein Verlust von 908 Mill. Euro zu Buche, wobei eine Abschreibung von 860 Mill. primär auf Goodwill belastete. Im Juni hatte die irische Revisionsaufsicht IAASA Aryzta im Visier. Der Konzern habe Vorgaben an die Rechnungslegung nicht vollständig erfüllt. Probleme ortete IAASA in der Wertberichtigung von Assets oder der Verbuchung von Rabatten und Preisnachlässen.