Tierische Anlageexoten
Von Stefan Kroneck, MünchenJetzt, zu Beginn der kalten Jahreszeit herrscht in den deutschen Zoos Flaute. Die Besucherzahlen sacken in der Übergangszeit vom Herbst zum Winter deutlich ab. Doch in den Aktienkursen der beiden einzigen börsennotierten Zoobetreiber hierzulande spiegelt sich der saisonale Rückgang des operativen Geschäfts in Form von Erlösen aus verkauften Eintrittskarten nicht wider. Das Papier des Münchener Tierparks Hellabrunn schwankt seit Anfang 2018 um die 300 Euro. Am Mittwoch notierte es am Handelsplatz München unverändert mit 294 Euro, nachdem es tags zuvor um 5 % gefallen war: Eine Aktie wechselte den Besitzer.Ähnlich verhält es sich beim Titel des Zoologischen Gartens Berlin. Gestern wurde an der Berliner Börse keine einzige Aktie gehandelt. Das in zwei Gattungen aufgeteilte Papier des artenreichsten Tierparks der Welt verharrte bei 6 550 Euro (Tierpark mit Aquarium) beziehungsweise 5 050 Euro (ohne Aquarium). Zoo-Aktien: selten gehandeltAnsonsten pendelt der Anteilschein seit zwei Jahren um die 5 000 Euro. Kursausschläge sind sehr selten. Ende April 2017 schoss der Titel an einem einzigen Tag kurzweilig auf 8 000 Euro nach oben. Das war vermutlich eine euphorische Reaktion eines Anlegers auf die Zusage Pekings, der Bundeshauptstadt für 15 Jahre die Pandabären Meng Meng und Jiao Qing zu leihen, die seit Juni vergangenen Jahres mehr Gäste in den Berliner Zoo locken. Dass die Kurse des Duos sich kaum bewegen, verwundert nicht. Die Papiere der beiden gemeinnützigen Aktiengesellschaften sind illiquide und relativ teuer. Sie werden deshalb selten gehandelt. Ein bis zwei Transaktionen pro Handelstag im Jahresdurchschnitt – mehr nicht. Für professionelle Spekulanten ist das kein Betätigungsfeld.Beim Tierpark Hellabrunn, der zu 93 % der bayerischen Landeshauptstadt gehört, beträgt der Streubesitz nur 7 %. Das entspricht 21 000 Anteilscheinen zu einem Nennbetrag von 2,56 Euro je Stück. Vom Berliner Zoo halten die freien Aktionäre zwar 99,8 % des Grundkapitals, dieses ist aber in nur wenige Aktien aufgeteilt: 1 000 Stück zu einem Nennbetrag von je 156 Euro (mit Aquarium) und 3 000 Stück zu einem Nennbetrag von je 520 Euro (ohne Aquarium).Die Halter sind treue Aktionäre mit einem Faible für Tiere. Sie gehören zugleich dem Freundes- und Förderkreis der Zoos an und sind in der Gruppe der zahlreichen Spender beider Gesellschaften zu finden. Für alteingesessene, wohlhabende Berliner gehört der Besitz einer Zoo-Aktie zum guten Ton. Ähnlich verhält es sich in München. Die Papiere werden in der Regel nicht ge- oder verkauft, sondern eher vererbt. Eine Dividende gibt es sowieso nicht. Das lässt der Unternehmenszweck gemäß Satzung nicht zu. Damit ist das Thema Dividendenrendite hier rasch erledigt, obgleich die Firmenkonstruktionen widersprüchlich sind: Das Ziel der Gemeinnützigkeit – ähnlich wie bei steuerbefreiten Vereinen – wird über eine AG organisiert, die aber per se auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist. Der 1911 gegründete Münchner Zoo firmiert seit 1929 als AG, der 1844 ins Leben gerufene Zoo Berlin begann damals seine Tätigkeit in der Form eines Aktienvereins. Freier Eintritt als “Dividende”Die beiden börsennotierten Zoos verteilen an ihre Anteilseigner aus dem Kleinaktionärskreis stattdessen freie Jahreseintrittkarten ab einem bestimmten Depotumfang. Die erzielten Überschüsse wandern zumeist in die Gewinnrücklagen, um damit teils notwendige Baumaßnahmen (Sanierung und/oder Neuanlage von Gehegen) zu finanzieren.Die Marktkapitalisierung des Duos ähnelt den Börsenwerten mancher Start-ups, die den Sprung aufs Handelsparkett wagten. Der Tierpark Hellabrunn bringt es derzeit auf stattliche 88 Mill. Euro Das entspricht dem Fünffachen des Eigenkapitals. Der Berliner Zoo kommt auf 22 Mill. Euro Marktwert. Das ist nur ein Drittel des Eigenkapitals der AG.Beide Häuser wirtschaften solide. Im Jahr 2017 steigerte der Münchner Zoo den Umsatz um 12 % auf 16 Mill. Euro. Der Berliner Zoo verzeichnete ein Plus von 13 % auf 25 Mill. Euro. Davon stammen jeweils über 85 % von den Ticketerlösen.Das Duo profitierte vom guten Wetter in den Hauptbesuchsjahreszeiten Frühling und Sommer sowie von einem stetig wachsenden Tourismus. 2017 erreichten die Zoo-Besucherzahlen Rekorde: 2,5 Millionen zählte München, 3,5 Millionen Berlin.Dank höherer Erträge schloss Hellabrunn 2017 mit einem Nettogewinn nach HGB von 2,3 (i. V. 1,3) Mill. Euro ab. Der Zoo Berlin erzielte einen Überschuss von 2,7 (3,7) Mill. Euro. Den Rückgang von 1 Mill. Euro führt der Betreiber unter anderem auf gestiegene Materialkosten zurück.Doch ohne die zahlreichen Spenden, Fördermittel und finanziellen Hilfen der öffentlichen Hand wären beide Häuser nicht überlebensfähig. Diese zusätzlichen Mittel halten den Geschäftsbetrieb am Laufen. Die Gesellschaft sei “auch in der Zukunft nicht in der Lage (. . .), aus eigener Kraft ein ausgeglichenes Ergebnis auf Dauer zu erzielen”, räumten zum Beispiel die Münchner in ihrem Geschäftsbericht für das vergangene Jahr ein. Grob gesprochen sorgen die Staatshilfen für die Zooanlagen dafür, zugleich die Vermögensanteile ihrer Streubesitzaktionäre zu sichern. Die verschiedenen Finanzierungstöpfe, an denen sich der Zoo der bayerischen Landeshauptstadt bedient, sind das Ergebnis einer unrühmlichen Erfahrung aus der Vergangenheit: 1922 ging der damalige “Verein Zoologischer Garten” unter der Last hoher Kosten für den Bau eines Elefantenhauses pleite.—–Die Aktien der börsennotierten Zoos in Berlin und München sind etwas für Tierliebhaber. —–