IM BLICKFELD

TLG Immobilien will dem mauen IPO-Umfeld trotzen

Von Ulli Gericke, Berlin Börsen-Zeitung, 15.10.2014 Das Umfeld für Börsengänge trübt sich dramatisch ein. Noch vor drei Wochen zeigte sich die Start-up-Schmiede Rocket Internet von der Nachfrage nach neuen Aktien im Umfang von 1,6 Mrd. Euro...

TLG Immobilien will dem mauen IPO-Umfeld trotzen

Von Ulli Gericke, BerlinDas Umfeld für Börsengänge trübt sich dramatisch ein. Noch vor drei Wochen zeigte sich die Start-up-Schmiede Rocket Internet von der Nachfrage nach neuen Aktien im Umfang von 1,6 Mrd. Euro überwältigt. Das Börsendebüt wenige Tage später war dann eine Katastrophe, genauso wie beim ebenfalls von den Samwer-Brüdern initiierten Online-Modehändler Zalando. Die einbrechende Konjunktur und das schwache Marktumfeld verdüstern die Lage weiter, so dass einige angekündigte Initial Public Offerings inzwischen abgesagt wurden. Zurückgezogen haben etwa der französische Industriedienstleister (und Bilfinger-Rivale) Spie oder der Kabelnetzbetreiber Telecolumbus.Auch bei der TLG Immobilien ist der Zeitplan in Verzug geraten. Gestern Abend war es dann aber soweit: Die Erstnotiz ist für den 24. Oktober geplant, die Preisspanne liegt zwischen 10,75 und 13,75 Euro, teilte das Unternehmen nach Börsenschluss mit. Das Gesamtemissionsvolumen liegt bei 451 Mill. Euro zum Mittelwert der Preisspanne, wenn der Greenshoe voll ausgeübt wird. “Die Märkte sind immer noch stabil genug für Neuemissionen. Aber ohne Abschläge geht es derzeit nicht”, sagt ein Investmentbanker ein, der sich mit Börsengängen beschäftigt.Immobilienexperten äußern sich derweil überzeugt, dass ein Unternehmen, dem in diesem trüberen Umfeld der Sprung an den Kapitalmarkt gelingen sollte, ziemlich genau so aussehen müsste wie die TLG. Denn sowohl Deutschland als auch der hiesige Immobilienmarkt gelten bei Investoren (noch?) als stabiler Hafen, der angesichts globaler Minizinsen als weitgehend alternativlos erscheint. Hinzu kommt der Schwerpunkt Berlin, hat doch die Hauptstadt im Ausland einen ausgesprochen guten Ruf. “Feedback ist positiv”Die TLG wurde 1991 als Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft gegründet, um nicht betriebsnotwendige oder restitutionsbehaftete Immobilien früherer Volkseigener Betriebe (VEB) zu privatisieren. Doch diese Altlasten sind schon lange abgearbeitet, die TLG ist inzwischen ein aktiver Portfoliomanager. Ende 2011 hatte der Bund die Gesellschaft in ein Wohn- und ein Gewerbeimmobilienunternehmen aufgeteilt und anschließend an die Hamburger TAG Immobilien bzw. an Lone Star privatisiert. Der US-Finanzinvestor zahlte damals inklusive Schulden 1,1 Mrd. Euro. Heute taxiert die TLG Immobilien ihren Verkehrswert auf 1,5 Mrd. Euro – wobei 1,4 Mrd. auf das Kernportfolio mit seinen 320 Immobilien entfallen und 100 Mill. Euro auf Immobilien, die mittelfristig verkauft werden sollen.Aus Expertensicht ist das Portfolio – obwohl in Ostdeutschland gelegen – in Ordnung. Knapp die Hälfte des Kernbestands befindet sich in Berlin, der Rest in Ballungsgebieten wie Dresden, Leipzig oder Rostock. Gut ein Drittel der Werte entfällt auf Bürogebäude, die Hälfte auf Einzelhandelsflächen, der Rest auf Hotels – ein breites Portfolio mit teilweise prominenten und langfristigen Mietern. Und nicht zuletzt schätzt Thomas Beyerle, Managing Director bei Catella Property Valuation, die Konzentration auf Gewerbeimmobilien, seien doch Wohnungen mittlerweile “ziemlich heiß gelaufen”.Ähnlich sehen es offensichtlich Anleger: “Die TLG ist ein Unternehmen mit Substanz und der Aussicht auf stabile Dividenden. Das bisherige Feedback der Investoren ist positiv”, erklärte einer der Banker, die mit an dem Börsengang arbeiten. Früheren Angaben des Unternehmens und aus Finanzkreisen zufolge will die TLG mit dem IPO 100 Mill. Euro einnehmen, mit denen das künftige Wachstum finanziert werden soll. Der bisherige Eigentümer Lone Star will bis zu 400 Mill. erlösen. J.P. Morgan und UBS fungieren als Joint Global Coordinators. Kempen, Commerzbank und HSBC wurden als Joint Bookrunner mandatiert. Victoria Partners berät die Berliner. IPO mit einer Menge RisikoGegen eine Verschiebung des IPO spricht nach Meinung von Immobilienexperten, dass sich der Markt am Ende des Konjunkturaufschwungs befinde. So günstige Daten wie jetzt werde die TLG dementsprechend so schnell nicht wieder vorlegen können. Doch was für Lone Star gute IPO-Erlöseverheißt, könnte sich für Anleger nur allzu rasch als überteuertes Investment erweisen, wenn Franz Eilers recht hat, der Leiter Immobilienmarktforschung bei VDP Research. Angesichts stark steigender Kapitalwerte bei Büroimmobilien bei nur moderat wachsenden Mieten “baut sich auf dem gewerblichen Immobilienmarkt zurzeit eine Menge Risiko auf”, sagte Eilers auf dem Immobilienforum des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (VDP) vor wenigen Wochen. Die stetig steigende Differenz zwischen beiden Werten erfordere zumindest mittelfristig zwingend eine Korrektur – “what goes up must come down”. Aggressive DividendenpolitikAnders als Eilers sieht Immobilienaktienexperte Kai Klose von der Berenberg Bank keine Überbewertung am hiesigen Markt – “der NAV (Net Asset Value – Nettovermögenswert) ist sehr, sehr gut unterfüttert”.Zugleich hält Klose die TLG als Gewerbeimmobilienfirma für einen guten IPO-Kandidaten in einer von Wohnwerten dominierten Börse. Mit einer Netto-Loan-to-Value-Ratio von 47 % passe der Titel in die konservative Grundstimmung der Branche. Aggressiver – auch angesichts der weiter beherrschenden Lone Star – zeigt sich die TLG bei ihrer Ausschüttungspolitik: Hier wollen die Berliner zwischen 70 und 80 % des FFO (Funds from Operations) als Dividende an die Anteilseigner auskehren – merklich mehr als zumeist üblich. Für das gesamte Jahr peilt die TLG ein FFO von etwa 50 Mill. Euro an, nach 26,0 Mill. in den ersten sechs Monaten. 2013 wurden im Halbjahr 24,4 Mill. Euro erwirtschaftet.