VOLKSWAGEN

Toyota dürfte Weltmarktführer der Autoliga bleiben

Schwindendes Vertrauen in VW drückt Absatz - Dieselgate ist Folge der "Strategie 2018" - Hybridmotoren

Toyota dürfte Weltmarktführer der Autoliga bleiben

Von Martin Fritz, TokioDie Schlagzeilen über einen potenziellen Führungswechsel in der Autobranche liegen gerade einmal zwei Monate zurück: Erstmals hatte die Volkswagen-Gruppe in einem Kalender-Halbjahr mehr Fahrzeuge als die Toyota-Gruppe verkauft. Dies hätte trotz der Schwäche der Wolfsburger in China auch im Gesamtjahr gelingen können, wäre der Trick mit der Abgasmessung bei Dieselmotoren nicht ans Licht gekommen.Nach den jüngsten Zahlen, die bis Ende August reichen, hat sich Toyota mit einem Mehr von rund 50 000 Einheiten vor VW gesetzt. Die Japaner produzierten in den ersten acht Monaten fast 6,6 Millionen Fahrzeuge. VW kam nur auf 6,55 Millionen Auslieferungen. Die Zahlen sind also nicht direkt vergleichbar. Aber zwei Trends sind erkennbar: Erstens gehen 2015 die Verkaufszahlen beider Hersteller zurück. Daher wird womöglich weder VW noch Toyota die im Vorjahr erstmals übertroffene Marke von 10 Millionen Einheiten erreichen. Zweitens ist der Absatz von Toyota in diesem Jahr mehr als doppelt so schnell geschrumpft wie bei VW. Toyota verkaufte von Januar bis August 3,3 % und VW 1,5 % weniger Autos als im Vorjahr. Wenn man noch die jüngste staatliche Verkaufshilfe für Fahrzeuge mit kleineren Motoren in China ins Kalkül zieht, die den Markt stabilisieren sollte, hätte Volkswagen eine reale Chance gehabt, Toyota auch auf Jahressicht erstmals die Rücklichter zu zeigen.Doch diese Chance wurde wohl durch Dieselgate zunichtegemacht. Das beschädigte Vertrauen in die Marke werde den VW-Absatz binnen eines Jahres um 1 bis 4 % drücken, schätzt Analyst Harald Hendrikse von Morgan Stanley. Das entspräche 100 000 bis 400 000 Stück weniger – genug, um Toyota die Führung zu lassen. Hendrikses Prognose basiert auf einem Vergleich mit den Absatzeinbrüchen nach den Toyota-Rückrufen wegen klemmender Gaspedale 2009/10 und den Todesfällen bei General Motors wegen defekter Zündschlösser 2014/15. MarktanteilsverschiebungenMasataka Kunigimoto von Nomura rechnet mit steigenden Marktanteilen für japanische Hersteller zulasten von Volkswagen in Europa und China. Einige Autokäufer würden sich vom Diesel abwenden und sich vermehrt für die japanische Domäne der Hybridmotoren entscheiden. Rund 14 % der Toyota-Modelle werden mit einem kombinierten Benzin-Elektro-Motor verkauft, nur 12 % haben einen Dieselmotor. Bei Volkswagen ist der Dieselanteil mit 25 % doppelt so hoch und der Hybridanteil vernachlässigbar klein.Der neue VW-Chef Matthias Müller hat die “Strategie 2018” seiner Vorgänger Martin Winterkorn und Ferdinand Piëch bisher nicht thematisiert. Dabei war die offizielle Vorgabe, Toyota bis 2018 zu überholen, die eigentliche Ursache für den Abgasskandal. Ohne den Durchbruch auf dem US-Markt hätte VW nicht die Nummer 1 werden können. Daher sollten “saubere” Dieselmotoren in den USA die Hybridmotoren der Japaner ausstechen. Bei funktionierender Abgaskontrolle schneidet der Diesel bei Verbrauch, Kosten und Leistung aber nicht viel besser ab als die Hybriden. Daher verfiel VW auf die Idee mit der manipulierenden Software. Rückruf-Ursache analysiertSo wie Toyota-Chef Akio Toyoda den Tanz seiner Vorgänger um das goldene Wachstumskalb als Ursache für millionenfache Rückrufe identifizierte, müsste auch der neue VW-Chef die “Strategie 2018” zu Grabe tragen. Ohnehin droht Volkswagen das Kapital für die alten Wachstumsziele auszugehen. Ende 2014 hatte der Aufsichtsrat 86 Mrd. Euro an Investitionen bis 2019 genehmigt. Die Milliardenkosten für Strafen und Nachrüstungen dürften diese Pläne zu Makulatur machen. Damit wird Toyota unter den Massenherstellern das Maß aller Dinge bleiben. Die Japaner messen sich schlauerweise nur noch an sich selbst: Der Konzern will so effizient produzieren, dass man selbst in einer Weltwirtschaftskrise keine Verluste macht. Als Nebeneffekt verdient Toyota pro verkauftes Auto 57 % mehr als VW.