Traditionsreicher Zuwachs für die Schweizer Börse
dz Zürich – Der letzte Börsengang eines Maschinenbauunternehmens in der Schweiz liegt mehr als zehn Jahre zurück. Statt der klassischen Industrie streben hierzulande vorwiegend Firmen aus jüngeren Branchen wie Pharma, Biotech oder Medtech an den Markt, um sich bei den Anlegern frisches Eigenkapital zu beschaffen. Die Klingelnberg AG ist die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. In dem 155-jährigen Familienbetrieb lebt seit einem Vierteljahrhundert ein Stück Schweizer Industriegeschichte weiter, das dort offensichtlich weit besser aufgehoben war, als es dies bei der Schweizer Industriellenfamilie Bührle gewesen war. Klingelnberg baut in der siebten Generation Maschinen zur Herstellung von hochpräzisen Zahnrädern, wie sie in den Getrieben von Autos, Lastwagen, Schiffen aber auch im Bergbau zur Anwendung gelangen. Mit der Übernahme des Verzahnungsmaschinengeschäfts aus der Werkzeugmaschinenfabrik des ehemaligen Oerlikon-Bührle-Konzerns glückte Klingelnberg ein Coup, mit dem sich das Unternehmen an die Spitze des Weltmarktes für Kegelradmaschinen setzen konnte. Im Gegensatz zu Stirnrädern, die sich parallel verzahnen, greifen Kegelräder winklig ineinander, was die Übertragung von Drehbewegungen erlaubt. Dieser Markt ist deutlich kleiner als jener für Stirnräder aber technisch anspruchsvoller. Die kegelförmigen Zahnräder werden mit speziellen Fräs- und Schleifmaschinen hergestellt und müssen vielfältigen Anforderungen an Laufgenauigkeit, Geräuscharmut und Effizienz genügen. Ein Rolls-Royce im Sortiment ist die Werkzeugschleifmaschine Oerlikon B 27, deren Vorgängermodelle einst in der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon gefertigt wurden. Kernstück der Klingelnberg-Technologie ist der integrierte und vollautomatisierte Produktionsprozess, in dem die Werkstücke nach jedem Produktionsschritt in einem eigenen Verfahren getestet und danach nachbearbeitet werden. Von der Ausweitung dieses Closed-Loop-Konzepts verspricht sich die Firma auch im Markt für Stirnräder besondere Wachstumschancen. Der Markt sei stark fragmentiert, und es könnten sich in absehbarer Zeit etliche Übernahmegelegenheit bieten, erklärte Unternehmenschef und Ko-Inhaber Jan Klingelnberg vor der Presse am Hauptsitz in Zürich-Oerlikon. Die Firma Klingelnberg erwirtschaftete im vergangenen Jahr mit einem Umsatz von 257 Mill. Euro einen bereinigten Betriebsgewinn (Ebit) von 23 Mill. Euro. Das Unternehmen litt bis vor kurzem unter den gedrückten Preisen im Rohstoffsektor, was einen Investitionsrückstau im Bergbau ausgelöst habe. Die Betriebsgewinnmarge bewegte sich in den besten Zeiten deutlich im zweistelligen Prozentbereich. Zuletzt hat sich das Wachstum des Unternehmens beschleunigt und lag im zurückliegenden Jahr mit 11 % beim Umsatz bzw. mit 23 % beim Ebit über dem Mehrjahresmittel von 6,4 % bzw. 15,5 %. Hälfte StreubesitzKlingelnberger zielt beim IPO auf einen Streubesitz von 50 % der Aktien. Jan Klingelnberger und sein Vater Diether beabsichtigen einen Teil ihrer Anteile zu verkaufen und gleichzeitig neue Aktien auszugeben. Zurzeit weist die Bilanz eine Nettoverschuldung von 20 Mill. Euro aus. In gleicher Höhe bewegt sich der angestrebte Erlös aus dem Börsengang. Zu dessen genauem Zeitplan machte das von den Banken Credit Suisse und Berenberg begleitete Unternehmen keine Angaben. Die Familie Klingelnberg wurde vom Schweizer Magazin “Bilanz” in den vergangenen Jahren mehrfach in die Liste der 300 Reichsten aufgenommen. Diether Klingelnberg verließ Deutschland 1996, um der hohen Erbschaftsteuer zu entgehen. Er habe das Geld für Investitionen in das Unternehmen gebraucht rechtfertigte er sich in Interviews. Die Firma zählt aktuell 1 300 Mitarbeiter, davon 1 000 in zwei Produktionswerken in Deutschland. Am Sitz in Zürich sind 50 Leute angestellt.