RECHT UND KAPITALMARKT

Transaktionssicherheit wird groß geschrieben

Heterogene Struktur von Bieterkreisen bei Auktionsprozessen führt zu neuartiger Komplexität

Transaktionssicherheit wird groß geschrieben

Von Dennis Froneberg undXianbei Li *)Entkoppelt vom globalen Trend liegen die M & A-Aktivitäten in Deutschland aktuell auf einem überdurchschnittlichen Niveau und bestechen durch eine hohe Frequenz an Transaktionen sowie ein gesteigertes Engagement von Private-Equity-Häusern. Als besonders beliebtes Investitionsziel gilt Deutschlands starker Mittelstand: Ausländische Geldgeber schätzen die Möglichkeit der sicheren und soliden Geldanlage.Dennoch haben Eigentümer von Unternehmen eine Vielzahl von Herausforderungen zu bewältigen, bis eine Veräußerung erfolgreich abgeschlossen ist. Die heterogene Struktur des Bieterkreises bei Auktionsprozessen führt zu einer neuartigen Komplexität und in der Folge auch dazu, dass Unternehmen besonderen Wert auf Transaktionssicherheit legen, wobei das Interesse an deutschen Unternehmen seitens US-amerikanischer und asiatischer Investoren hervorzuheben ist. KatalysatorUS-Investoren etwa bestehen auch hierzulande häufig auf einer Vertragsgestaltung, die in ihrem eigenen Heimatmarkt als üblich gilt. Aus der Gruppe der asiatischen Investoren stechen besonders chinesische Investoren hervor, die ein überdurchschnittlich hohes Absicherungsbedürfnis haben. Das Instrument der Warranty & Indemnity-Versicherung (W & I) ist in besagten Fällen mittlerweile ein Standard und kann als Deal-Katalysator bei Cross-Border-Transaktionen wirken.Insgesamt hat die W & I-Versicherung als Transaktionstool den M & A-Markt gravierend verändert. Bei Veräußerungen durch Private-Equity-Investoren liegt der Anteil an Transaktionen, die durch W & I-Versicherungen abgesichert werden, bei knapp 40 %, schätzt Latham & Watkins. Bei M & A-Transaktionen im Allgemeinen liegt der Anteil inzwischen bei knapp 30 %. Wird eine W & I-Versicherung eingesetzt, lässt sich die Haftung des Verkäufers auf ein Minimum reduzieren oder sogar vollständig ausschließen. Der Veräußerungserlös muss somit nicht mehr bis zum Ablauf der Gewährleistungsfristen als Sicherheit für etwaige Garantieansprüche des Erwerbers dienen, sondern steht unmittelbar und in voller Höhe zur Verfügung. US-Standards relevantDeutschland ist für US-Unternehmen ein wichtiger Investitionsstandort. Für US-Investoren, die hierzulande als Käufer aktiv sind, ist es oftmals substanziell, dass gewisse US-Standards für M & A-Kaufverträge Eingang in die Vertragsdokumentation finden. Ein Beispiel ist die in US-Kaufverträgen übliche Regelung, den Inhalt des Datenraums nicht pauschal als offengelegt gelten zu lassen, so dass der Verkäufer Garantieverletzungen nicht ohne Weiteres mit dem Einwand abwehren kann, die jeweilige Information sei im Datenraum bereitgestellt worden.Auch der Umfang des ersatzfähigen Schadens ist nach US-Standard deutlich weiter und umfassender als unter Kaufverträgen aus dem deutschsprachigen Raum. Beide Regelungen haben für den Käufer erhebliche Vorteile und werden deshalb von US-Investoren gerne mit Nachdruck durchgesetzt. MaßgeschneidertFinden derartige Elemente Eingang in den Kaufvertrag für ein deutsches Zielunternehmen, lassen sich besagte Besonderheiten vollumfänglich in einer W & I-Police reflektieren. Diese Police folgt somit nicht mehr strikt einem US-amerikanischen oder deutschen Standard, sondern wird für den jeweiligen Kaufvertrag maßgeschneidert, so dass konzeptionell eine lückenlose Deckung sichergestellt ist.Durch diese Flexibilität schlägt die W & I-Versicherung eine Brücke zwischen M & A-Standards aus unterschiedlichen Jurisdiktionen. Das von den Parteien bevorzugte Haftungskonzept kann auf Ebene der W & I-Versicherung flankiert werden: eine Maßnahme, die letztlich grenzüberschreitende Investitionen erleichtert.Laut EY spielen chinesische Auslandsinvestitionen insbesondere in Deutschland eine stark wachsende Rolle und haben im Jahr 2016 einen neuen Rekord erreicht. Branchenübergreifend gibt es inzwischen bei fast allen Auktionsprozessen mindestens einen chinesischen Bieter.Die Teilnahme chinesischer Käufer bringt jedoch zusätzliche Herausforderungen, weil Auktionsprozesse mittlerweile regelmäßig mit einer “Stapled Insurance” eingeleitet werden. Diese Strategie ermöglicht dem Verkäufer, seine Haftung im Kaufvertrag von vornherein zu minimieren oder gar auf null abzusenken, indem er den Verkaufsprozess schon mit einer vorabgestimmten W & I-Versicherungslösung initiiert, wobei nach dem “Seller Buyer Flip” schlussendlich der Käufer Versicherungsnehmer wird.Aus Sicht chinesischer Investoren ist eine vom Verkäufer vorgegebene Haftungsreduzierung im Kaufvertrag besonders schwierig zu akzeptieren: Im Vergleich zu anderen Akteuren besteht hier meist ein deutlich höheres Absicherungsbedürfnis, was zum einen an mangelnder Vertrautheit mit den marktüblichen Gegebenheiten hierzulande liegt. Auf der anderen Seite gibt es ganz klare regulatorische Anforderungen der chinesischen Regierung, Transaktionen ausreichend abzusichern. ProfessionalisierungDie W & I-Versicherung ist für chinesische Bieter häufig der Schlüssel zum Erfolg, ohne den eine Teilnahme an der jeweiligen Auktion sinnvollerweise nicht möglich wäre. Unabhängig vom Kaufvertrag ist es dem Käufer entsprechend möglich, unter der W & I-Police auch die Höhe der Absicherung autonom und ohne Verhandlungen mit dem Verkäufer zu bestimmen. Laut einer aktuellen Verwaltungsanordnung der chinesischen Kommission zur Kontrolle und Verwaltung von Staatsvermögen (SASAC) vom 7. Januar 2017 wird eine angemessene Nutzung von W & I-Versicherungen sogar ausdrücklich empfohlen.Die W & I-Versicherung ist als Instrument zur weiteren Professionalisierung und Effizienzsteigerung des M & A-Prozesses zu sehen. Als Lösung ermöglicht sie im derzeitigen Verkäufermarkt einen “Clean Exit” für Verkäufer und somit eine optimale Kapitalnutzung. Gleichzeitig können Verkäufer durch Aufrechterhaltung der Kompetitivität im Verkaufsprozess von der Erzielung eines höheren Verkaufserlöses profitieren.Darüber hinaus wird in vielen Fällen die Teilnahme aus bestimmten Investorenkreisen erst ermöglicht, für die eine geringe Haftung des Verkäufers andernfalls inakzeptabel wäre.—-*) Dr. Dennis Froneberg ist Head of M & A North Europe und Leiter des Bereichs Cyber für die Region Deutschland, Schweiz, Österreich, Dr. Xianbei Li ist Senior Underwriter M & A bei AIG Europe Limited in Deutschland.