Traton nimmt zweiten Anlauf an die Börse
Von Joachim Herr, MünchenDie Zusammenarbeit des Vorstands von Traton mit dem Management und Aufsichtsrat von Volkswagen ist – vorsichtig formuliert – holprig. Anzeichen dafür gibt es seit längerem, offensichtlich wurde die nicht problemlose Beziehung zwischen dem Nutzfahrzeugunternehmen und dem Mutterkonzern am Mittwoch vor einer Woche auf der Hauptversammlung von MAN in München. Aktionärsschützer der DSW und SdK wetterten gegen den Verkauf des MAN-Geschäfts mit Schiffsmotoren und Turbomaschinen sowie des Getriebeherstellers Renk an VW. Aus Sicht der Kritiker geschah dies zum Schnäppchenpreis und somit zum Nachteil der Kleinaktionäre, die noch 5,6 % der MAN-Aktien besitzen.Andreas Renschler, der Aufsichtsratsvorsitzende von MAN und Vorstandschef von Traton, versteckte sich mit seiner Antwort nicht hinter Floskeln. Der geradlinig auftretende Manager verriet, der Aufsichtsrat habe sich nach kontroverser Diskussion gegen einen Verkauf der Konzernteile von MAN ausgesprochen. Jedoch: Dann gab es eine andere “Anweisung von Volkswagen”, wie Renschler, selbst im Vorstand von VW, bekannte.Renschler strebt mit Traton eine möglichst große Unabhängigkeit von VW an. Ein Börsengang wäre auf diesem Weg ein wichtiger Schritt, auch wenn der Mutterkonzern zunächst die Mehrheit behielte. Zudem erhofft sich das Management, dass die Aussicht auf mehr Eigenständigkeit von Traton die Bereitschaft der stolzen Schweden von Sancia und der traditionsbewussten Deutschen von MAN zur Kooperation miteinander fördert.Im vergangenen Jahr bereitete sich das Unternehmen, zu dem auch Volkswagen Caminhoes e Onibus (Lkw und Busse in Südamerika) gehört, auf einen Börsengang vor. Genauer gesagt ging es darum, “kapitalmarktfähig” zu werden. Ende 2018 war dieses Ziel erreicht, ein Initial Public Offering (IPO) die bevorzugte Option. Abstriche am Erlös erwartetIm vergangenen Herbst gab es erste Gespräche mit großen Investoren, etwa in New York, Boston, London und Stockholm. Und die Märkte stellten sich auf einen Börsengang vor Ostern ein, als VW Mitte März die Vorbereitungen überraschend abbrachen. Begründet wurde die Entscheidung mit dem “gegenwärtigen Marktumfeld”. Intern war der Beschluss umstritten, wie es heißt. Besonders das Management von Traton soll gegen ein Verschieben gewesen sein.VW beteuerte, in einem besseren Marktumfeld werde ein Börsengang unverändert angestrebt. Nur zwei Monate später, Mitte Mai, kündigte VW den Schritt an die Börse vor der Sommerpause an. In den nächsten Tagen müsste also die Emissionsankündigung (Intention to Float) folgen. Der Vorstand in Wolfsburg erklärte den schnellen Sinneswandel mit ermutigenden Markteinschätzungen. Dabei schwelt noch immer der Handelskonflikt zwischen den USA und China, das Risiko für einen harten Brexit ist nach wie vor hoch. Zudem stand der Dax gerade einmal 2,6 % höher als zum Zeitpunkt der Entscheidung für eine Verschiebung. VW hat sich mit dem Hin und Her in eine schwächere Position gelenkt. Den Börsenplan nochmals zu verschieben, wäre schädlich für das Vertrauen in das Projekt. Volkswagen wird sich das kaum leisten, und Investoren werden diese Lage für sich nutzen. Danach sieht es aus: Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters – wohl von Banken – wird VW nur 10 bis 15 % der Anteile für rund 2 Mrd. Euro platzieren. Basis wäre eine Bewertung für Traton in der Größenordnung von 15 Mrd. Euro – viel weniger als erhofft. Renschler hatte sich das ungefähr Doppelte vorgestellt und einen Erlös von mindestens 6 Mrd. Euro.Traton will den Erlös – nun wohl weniger – für sein Ziel einsetzen, globaler Champion zu werden. Dieser Titel bedeutet allerdings nicht, am Umsatzkrösus Daimler Trucks vorbeizuziehen, der im vergangenen Jahr 38,8 Mrd. Euro erzielte. Hinzu kamen 4,5 Mrd. Euro der Bussparte. Angesichts des mehr als 17 Mrd. Euro großen Rückstands von Traton wäre es nahezu aussichtslos. Die Position des globalen Champion misst Renschler an drei anderen Kriterien: Umsatzrendite, Innovationskraft und weltweite Präsenz. Kompromisse im Aufsichtsrat Was die Profitabilität betrifft, ist noch Luft nach oben, vor allem für MAN (siehe Grafik). Der Münchner Konzernteil arbeitet nach den Worten von Vorstandschef Joachim Drees “mit Hochdruck an einer nachhaltigen Verbesserung”. Dank des guten Starts von Scania ins Jahr 2019 zog Traton an Daimler Trucks vorbei. Volvo liegt allerdings weit vorn.Für Investoren sei aber nicht nur die Rentabilität wichtig, heißt es im Vorstand von Traton. Ein wesentlicher Punkt für sie sei auch der Grad der Freiheit, den VW der Tochterfirma gestatte, um sich aus dem Korsett von VW-Gesetz und Dieselskandal zu befreien. Wäre es nach Renschler gegangen, wären im Aufsichtsrat von Traton weder das Land Niedersachsen noch die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch vertreten.Als Kompromiss mit der Politik zog der Speditionsunternehmer Wolf-Michael Schmid, ein Mitglied der CDU, ins Kontrollgremium ein. Die Familien sind mit der jüngeren Generation präsent: Julia Kuhn-Piëch (38) und Christian Porsche (45). Beide seien weniger mit der Historie von VW vorbelastet, heißt es.