Triebwerkbauer MTU schreibt tiefrote Zahlen
Triebwerkrückruf drückt MTU in Verlustzone
Dax-Konzern verhandelt über Schadenausgleich von Geschäftspartner Pratt & Whitney
sck München
Der umfangreiche Triebwerksrückruf infolge von Fertigungsproblemen beim US-Geschäftspartner Pratt & Whitney (P&W) hat bei MTU Aero Engines für einen hohen Verlust gesorgt. Zum Wochenschluss teilte das Münchner Dax-Mitglied mit, dass auf Basis des berichteten Nettoergebnisses im zurückliegenden Quartal ein Minus von 568 Mill. Euro verbucht worden sei nach einem Gewinn von 92 Mill. Euro ein Jahr zuvor. Nach neun Monaten ergab sich daraus ein Defizit von 312 Mill. Euro. Ein Jahr zuvor verzeichnete MTU noch einen Überschuss von 212 Mill. Euro. Vor Zinsen und Steuern ergab sich im Sommerquartal für MTU sogar ein Fehlbetrag 793 Mill. Euro.
Gesamtbelastung von 1 Mrd. Euro durch notwendige Kontrollen
Die tiefroten Zahlen von Juli bis September sind eine Folge der zuvor bezifferten Gesamtbelastung von 1 Mrd. Euro für MTU aufgrund notwendiger Nachinspektionen infolge eines fehlerhaften Einsatzes von Pulvermaterial bei der Produktion von Triebwerken.
Laut Finanzvorstand Peter Kameritsch ist die Belastung vollständig im dritten Quartal als Rückstellung für Rückerstattungsverbindlichkeiten gegenüber den betroffenen Luftfahrtgesellschaften verbucht worden. Diese Rückerstattungsschulden führten dazu, dass im zurückliegenden Dreimonatsabschnitt der berichtete Konzernumsatz um 789 Mill. auf 560 Mill. Euro einbrach. Nach neun Monaten lagen die berichteten Erlöse bei 3,65 Mrd. Euro (−4%).
Aktie gewinnt 1,5 Prozent
Fürs laufende Jahresschlussquartal war der CFO positiv gestimmt. „Das vierte Quartal wird ein sauberes sein“, sagte er in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Als Grund verwies Kameritsch auf die bekräftigte Jahresprognose, die auf um Sondereffekte bereinigten Ergebnissen und Umsätzen beruht. Demnach peilt MTU 2023 firmeneigene Rekorde an. Das heißt, in diesem Ausblick ist die Rückstellung wegen der Fertigungsprobleme nicht enthalten. Vorstandschef Lars Wagner verwies bei dieser Bilanzierungsmethodik darauf, dass die herausgerechneten Sondereffekte dazu dienten, die Zahlen vergleichbar zu halten. Dies habe sich am Kapitalmarkt „bewährt“.
Trotz dieses bilanziellen Rückschlags reagierten die Anleger auf das Zahlenwerk wohlwollend. Die Aktie von MTU gewann am Freitag im Xetra-Handel zeitweise 1,5% auf 182,60 Euro an Wert. Bei den bereinigten operativen Eckdaten übertraf MTU die Analystenschätzungen. Die operative Krise bei P&W brachte das Papier zuvor unter Abgabedruck. Seit Ende Juli büßte der Titel ein Viertel an Wert ein.
"Wir sind da dran"
Wagner signalisierte, dass MTU einen Schadenausgleich von P&W für die Belastungen anstrebt. „Wir sind da dran“, antwortete er auf die Frage, ob mit Kompensationen vonseiten der Amerikaner zu rechnen sei.
Im dritten Quartal sprang der freie Cashflow um 70 Mill. auf 122 Mill. Euro. Nach neun Monaten verzeichnete MTU einen Zuwachs auf 257 Mill. Euro nach 219 Mill. Euro Ende September 2022. Dem CFO zufolge werden die Nachinspektionen den freien Mittelzufluss vor allem in den Jahren 2024 bis 2026 belasten.
"Teil der Lösung"
Aufgrund der Probleme bei P&W werden in den nächsten Jahren hunderte Airbus-Jets am Boden bleiben. Infolge des Materialmangels müssen 600 bis 700 Triebwerke von Mittelstreckenmaschinen der Modellreihe A320neo zusätzlich in die Wartung, teilte der P&W-Mutterkonzern RTX im September mit. MTU ist an diesem Getriebefan-Triebwerkprogramm von P&W mit 18% beteiligt. GTF-Triebwerke vom TypPW1100G-JM sind die am häufigsten eingesetzten Triebwerke beim Airbus-Verkaufsschlager A320neo.
„MTU ist nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung“, sagte Wagner. Theoretisch ständen die betroffenen Flugzeuge 300 Tage nicht zur Verfügung. „MTU will diese Wartezeiten deutlich reduzieren.“ Ein Großteil der zusätzlichen Wartungen werde 2024 „abgearbeitet“. Der Zeitplan werde Ende 2023 überarbeitet.