Tui droht eine lange Durststrecke

Reisen bis 30. April abgesagt - Ratingagenturen senken den Daumen - Kreditauflagen im Risiko

Tui droht eine lange Durststrecke

Von Heidi Rohde, FrankfurtDie Tui verlängert ihre Auszeit. Alle Reisen bis zum 30. April sind nun abgesagt. Der Konzern betrachtet sich mit liquiden Reserven von 1,4 Mrd. Euro als gut gerüstet für die Coronakrise, die die gesamte Wirtschaft, aber vor allem die Reisebranche vor nie dagewesene Herausforderungen stellt. Die Ratingagenturen sehen das etwas anders. Sowohl Standard & Poor’s (S&P) als auch Moody’s haben den Reisekonzern herabgestuft. Moody’s senkte das Corporate-Family-Rating auf “B2” von zuvor “Ba3”, S&P hatte schon zuvor reagiert und die langfristigen Tui-Verbindlichkeiten auf “B-” zurückgestuft. Beide Agenturen versahen ihre Bewertungen mit einem negativen Ausblick.Die Experten betrachten die Verschuldung des Konzerns, in die sie auch die operativen Leasingverpflichtungen und Pensionszusagen einrechnen, als relativ hoch. Moody’s geht zudem davon aus, dass Tui, die aufgrund ihres saisonal üblichen Geschäftsverlaufs zu Jahresbeginn ohnehin immer Geld verbrennt, im Jahresverlauf womöglich ihre Kreditauflagen verletzen könnte. Im ersten Geschäftsquartal (per 31.12.) erzielte der Reisekonzern einen negativen Cash-flow von 1,5 Mrd. Euro.Angesichts des operativen Stillstands der Reiseaktivitäten rechnen die Ratingagenturen mit einem deutlich größeren Mittelabfluss in den kommenden Monaten als erwartet. Tui werde auf staatliche Liquiditätshilfen angewiesen sein, mutmaßen die Experten, da eine Kapitalerhöhung kaum in Betracht komme. Jedoch seien die möglichen Bedingungen für eine solche Hilfe bisher unklar. Tatsächlich hat sich die niedersächsische Landesregierung schon für entsprechende Hilfen starkgemacht. Allerdings stellt sich bei der Reisebranche insgesamt und bei der Tui im Besonderen die Frage der Überbrückungsdauer.Wenn sich die noch immer eskalierende Krise wieder entspannen sollte, ist damit zu rechnen, dass sich zunächst das Segment der Individualreisen erholt, weil diese weniger mit Massenveranstaltungen verbunden sind als etwa Pauschalreisen, die in Hotelburgen mit 1 000 Betten oder auf riesige Kreuzfahrtschiffe mit bis zu 5 000 Passagieren führen. Derlei Aktivitäten dürften sowohl in der Kette behördlicher Lockerungsübungen als auch im Kundenvertrauen ziemlich weit hinten rangieren. Und selbst wenn die Ozeanriesen von Seiten der Behörden wieder in See stechen dürfen, ist schwer vorstellbar, dass die Staaten und Städte, die sie anlaufen wollen, schon bald wieder bereit sind, sich von einer geballten Ladung von Kreuzfahrern überrollen zu lassen.Dies umso weniger, als inzwischen bekannt wurde, dass diese Schwärme nur wenig Geld in den besuchten Städten lassen, weil die Budgets von den teuren Ausflugspauschalen absorbiert werden.Nicht wenige Beobachter gehen davon aus, dass sich die Kreuzfahrtbranche erst durchgreifend erholt, wenn Medikamente und Impfstoff gegen die Seuche verfügbar sind. Das ist für dieses Jahr nicht abzusehen. Die Tui, die stark vom Pauschaltourismus abhängt, wird zum Stützungsfall. Aber falls die staatliche Liquidität doch nicht unendlich ist, dürfte sich auch noch die Frage nach der Akzeptanz von Hilfen für Luxus wie Kreuzfahrten stellen.