Umsatz im Einzelhandel kommt kaum von der Stelle
Umsatz im Einzelhandel kommt kaum von der Stelle
Verband rechnet für 2025 mit nominalem Wachstum von 2 Prozent – Schwache Investitionsneigung in der Branche
md Frankfurt
Nach einem schwachen Jahr 2024 wird der Einzelhandel seine Umsätze auch in diesem Jahr wohl nur geringfügig erhöhen können. Der Handelsverband Deutschland (HDE) geht im Vergleich zum Vorjahr von einem nominalen Umsatzanstieg von 2% auf etwa 677 Mrd. Euro aus; real – also bereinigt um die erwartete Inflationsrate – ergibt das ein Plus von 0,5%. Hauptgrund für das Ausbleiben stärkeren Wachstums sei die große Verunsicherung bei den Verbrauchern sowie die konjunkturelle Flaute. Hinzu kämen viele Unwägbarkeiten auf politischer Ebene, teilt der Verband mit.
60 Prozent der Händler ohne E-Commerce
„Der Konsum und der Einzelhandel in Deutschland kommen auch 2025 nicht richtig in Schwung", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth in der Jahrespressekonferenz. „Nach einem für viele Handelsunternehmen schwierigen letzten Jahr werden die Herausforderungen für die Branche damit immer größer.“
Entsprechend schwach ist die Investitionsneigung: Befragt nach der Veränderung des geplanten Investitionsvolumen für das erste Halbjahr 2025 im Vergleich zur Vorjahreszeit gaben 53% an, es habe keine Veränderung gegeben; immerhin 30% sagten, das Volumen sei zurückgegangen und lediglich 17% äußerten, das Investitionsvolumen sei gestiegen. Für den stationären Handel sagt der HDE ein Plus von 1,8% (real: 0,3%) auf rund 586 Mrd. Euro voraus. Der Online-Handel wird nach Verbandsschätzungen deutlicher zulegen: Hier wird ein Wachstum von 3% (real: 2%) auf circa 91 Mrd. Euro prognostiziert. Unverändert würden etwa 60% der Einzelhändler den E-Commerce nicht als Absatzkanal nutzen, sagte Genth. Für kleine und Kleinst-Geschäfte mache das oft auch keinen Sinn, führte der Lobbyist aus, da diese häufig die Kosten für die notwendige Technik, Online-Liefersicherheit, Logistik oder Retouren „nicht in den Griff bekommen“.
Die jüngste HDE-Unternehmensumfrage unter knapp 700 Händlern aus ganz Deutschland zeige, dass nur 22% der Befragten mit einem Umsatzplus in diesem Jahr rechnen. Dagegen erwarte knapp die Hälfte (48%) Erlöse unterhalb des Vorjahresniveaus. „Es ist schlicht zu viel Unsicherheit im System. Unkalkulierbare Kriege und Konflikte, hohe Energiekosten und eine gesamtwirtschaftliche Stagnation sind ein toxischer Cocktail für den Konsum“, so Genth. Deshalb müsse die nächste Bundesregierung bessere Rahmenbedingungen für die Handelsunternehmen schaffen.
Zehn-Punkte-Plan zur Bundestagswahl
In einem Zehn-Punkte-Plan zur Bundestagswahl macht der HDE die drängendsten Forderungen der Branche deutlich: „Es braucht endlich mehr unternehmerische Freiheit und weniger Bürokratie", insistierte Genth. Die Politik brauche wieder mehr Zutrauen in die positiven Effekte der Marktwirtschaft. "Ein innovationsfreundlicher Rechtsrahmen ist Pflicht, damit die Wirtschaft wieder auf die Beine kommt“, so der HDE-Hauptgeschäftsführer.
Zudem ständen für die Branche eine Stärkung des Arbeitsmarkts, die Sicherung von Fachkräften und der Erhalt der Tarifautonomie im Fokus. Dabei betont der HDE, dass die Festlegung des Mindestlohnes Sache der entsprechenden Kommission unter Beteiligung der Tarifpartner ist; politische Einmischungen sieht der Verband als „gefährlichen Irrweg“.
Zudem machen dem Einzelhandel die nach wie vor hohen Energiekosten zu schaffen. Dieser Posten mache laut Genth im langfristigen Durchschnitt 1,0 bis 1,5% vom Umsatz aus; besonders bei kleinen Unternehmen liege die Quote zwischen 2,0 und 2,5%. Da die Gewinnmarge bei kleinen bis mittelständischen Einzelhändler im Non-Food-Bereich von 3 bis 5% reiche, gehe der Energiekostenanstieg an in Substanz. Der HDE setzt sich deshalb für eine Absenkung der Stromsteuer für alle ein - und nicht nur für das produzierende Gewerbe.
Außerdem fordert der HDE eine strategischere Ausrichtung der Europapolitik der Bundesregierung, einen bedarfsgerechten und nutzerfreundlichen Ausbau der Elektroladeinfrastruktur, die Vitalisierung des Handelsstandortes Innenstadt, eine Reform der Unternehmenssteuer sowie die Harmonisierung und Reduzierung der unzähligen Berichts- und Sorgfaltspflichten auf EU- und Bundesebene.
„Plattformen aus Fernost wie Temu und Shein halten sich nicht an die hier gültigen Regelungen und Gesetze. Das darf nicht länger geduldet werden.“
Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland
Genth machte seinem Unmut über das Gebaren insbesondere chinesischer Online-Marktplätze Luft: Der faire Wettbewerb müsse erhalten bleiben. „Aktuell halten sich Plattformen aus Fernost wie Temu und Shein nicht an die hier gültigen Regelungen und Gesetze. Das darf nicht länger geduldet werden“, sagte er. "Hier ist entschlossenes Handeln gefragt.“
Vorjahr und Weihnachtsgeschäft insgesamt besser als erwartet
Überraschend war die Feststellung von Genth, dass das Gesamtjahr 2024 und auch das vergangene Weihnachtsgeschäft letztlich besser ausgefallen sind als vom HDE erwartet. Daher sei 2024 "kein dramatisch katastrophales Jahr“ gewesen. Im Vorjahr war der gesamte Einzelhandel im Vergleich zu 2023 um nominal 2,2% (real: 0,9%) auf 663,8 Mrd. Euro gewachsen. Anfang November vorigen Jahres hatte der Verband wegen der „schwierigen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ seine Wachstumsschätzung für 2024 noch drastisch von 3,5% auf 1,3% gesenkt. Im Weihnachtsgeschäft, das der HDE als Umsätze im November und Dezember definiert und für das ein nominales Plus von 1,3% (real: 0%) vorausgesagt worden war, stiegen die Erlöse den Angaben zufolge um 3,1% auf 123,5 Mrd. Euro.