RECHT UND KAPITALMARKT

Unbegrenzte Möglichkeiten für Kapitalgesellschaften?

Der Richtlinienvorschlag zu grenzüberschreitenden Umwandlungsvorhaben

Unbegrenzte Möglichkeiten für Kapitalgesellschaften?

Von Stefan Wilhelm Suchan und Martin Trayer *)Die Europäische Union plant mit dem “Company Law Package” einen weiteren Schritt in Richtung eines einheitlichen Rechtsrahmens für grenzüberschreitende Umwandlungsvorhaben von Kapitalgesellschaften. Geregelt werden sollen nunmehr auch Formwechsel und Spaltungen über die Grenzen eines Mitgliedsstaates hinweg. Der gewonnenen Flexibilität für die Unternehmen stehen jedoch auch deutlich strengere Regelungen zum Schutz von Gläubigern, (Minderheits-)Gesellschaftern und Arbeitnehmern sowie zur Bekämpfung von Missbrauch durch “Briefkastenfirmen” gegenüber.Mit dem geplanten Vorhaben würde die EU die bestehenden Möglichkeiten für Umwandlungen von Kapitalgesellschaften deutlich erweitern. Erfahrungen mit grenzüberschreitenden Verschmelzungen bestehen seit 2005. Spaltungen und Formwechsel waren bislang nicht geregelt. Allerdings hatte der Europäische Gerichtshof zuvor entschieden, dass eine Sitzverlegung innerhalb der Europäischen Union aufgrund der Niederlassungsfreiheit möglich sein muss. Mit einem einheitlichen Rechtsrahmen soll die Rechtssicherheit für alle Beteiligten erhöht werden. Die im Company Law Package vorgesehenen Änderungen sollen in die “Richtlinie über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts” (EU) 2017/1132 vom 14. Juni 2017 aufgenommen werden.Mit den neuen Möglichkeiten für Kapitalgesellschaften soll nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers ein besserer Schutz vor Umgehungen nationaler Regelungen, etwa zur Besteuerung oder zur Mitbestimmung von Arbeitnehmern, verknüpft werden. So sollen die Anforderungen des Zuzugsstaats an die Gründung einer Gesellschaft nicht durch einen Zuzug aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union umgangen werden können. Der Umgehungsschutz greift etwa für das Erfordernis, im Zuzugsstaat seinen Sitz zu begründen oder für bestimmte Tätigkeitsverbote für die Mitglieder der Leitungsorgane.Den berechtigten Schutzanliegen der von der Umwandlung betroffenen Personen soll durch die Auferlegung einer Pflicht zur Offenlegung eines umfassenden Plans mit den wesentlichen Kerninformationen zum Vorhaben und den voraussichtlichen Auswirkungen Rechnung getragen werden. Vorgesehen ist eine obligatorische Prüfung des Plans durch einen unabhängigen Sachverständigen.Gesellschafter, die ihre Zustimmung zu dem Umwandlungsvorhaben verweigert haben, sollen berechtigt sein, ihre Anteile gegen Zahlung einer angemessenen Barabfindung zu veräußern. In Deutschland war dies schon bislang bei grenzüberschreitenden Umwandlungen geltendes Recht. Nun soll das Recht auf Barabfindung zum europäischen Standard werden.Auch die Gläubiger der Gesellschaft sollen besser vor den Folgen einer “Flucht” in das europäische Ausland geschützt werden. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, bei den zuständigen Behörden Sicherheiten zu beantragen, wenn sie den von der Gesellschaft im Plan dargestellten Schutz für nicht ausreichend erachten. Ferner sollen die Gläubiger für einen Zeitraum von zwei Jahren Forderungen noch im Wegzugsstaat gegen die Gesellschaft geltend machen können. Die Mitgliedsstaaten können vorsehen, dass die Gesellschaft eine “Solvenzerklärung” abgeben muss.Ein Streitpunkt zwischen Kommission und Parlament war die Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Die befürchtete “Flucht” aus der Mitbestimmung soll dadurch erschwert werden, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmer ins Vorfeld der Umwandlung verlagert wird. Hat die durchschnittliche Arbeitnehmerzahl bereits vier Fünftel des jeweiligen nationalen Schwellenwerts erreicht, wird die Umwandlung erst nach Durchführung entsprechender Verhandlungen mit den Arbeitnehmern möglich sein. Umwandlungswillige deutsche Kapitalgesellschaften müssten sich damit ab 400 Arbeitnehmern auf entsprechende Verhandlungen einstellen. Nicht durchsetzen konnte sich das Parlament mit der Festlegung eines europäischen Mindeststandards für die Mitbestimmung, auf den die europäischen Gewerkschaften gedrungen hatten. MissbrauchskontrolleSchließlich soll eine behördliche Missbrauchskontrolle eingeführt werden, um die Umgehung von Rechtsvorschriften durch Briefkastenfirmen einzudämmen. Das Umwandlungsvorhaben soll nicht abgeschlossen werden können, ohne dass eine Vorabbescheinigung der Behörden des Wegzugsmitgliedsstaats vorgelegt wird. Die Vorabbescheinigung soll versagt werden, wenn der Wegzug der Umgehung nationaler Rechtsvorschriften etwa zur Mitbestimmung von Arbeitnehmern oder zur Besteuerung oder gar kriminellen Zwecken dient.Das Company Law Package eröffnet neue Handlungsmöglichkeiten für Umwandlungen innerhalb der Europäischen Union und bringt nach der erforderlichen Umsetzung in deutsches Recht einen Zuwachs an Rechtssicherheit. Allerdings könnten die geplanten Schutzmaßnahmen vor Umgehungen zu einer deutlichen “Bürokratisierung” der Umwandlungsvorhaben führen. *) Dr. Stefan Wilhelm Suchan und Dr. Martin Trayer sind Partner der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft.