Und tschüss: Wenn der Boss die Seiten wechselt
ds Frankfurt – Haltung bewahren beim Abgang: Das ist für CEOs, die ihren Platz unfreiwillig räumen, nicht einfach. Topmanager müssen negative Gefühle im Griff haben. Enttäuschung, Ärger, Groll, Trauer, Neid, Verachtung und Zorn mögen groß sein, aber sie haben im offiziellen Teil von CEO-Abtritten nichts zu suchen. Das Ritual gebietet es, dass der Trennungsschmerz durch warme Worte gelindert wird, auch wenn diese nah an der Heuchelei liegen und nur mit geballter Faust in der Tasche über die Lippen kommen können.Wie sieht es aber aus, wenn die Rollen vertauscht sind und der CEO dem Unternehmen den Rücken kehrt, weil er bei der Konkurrenz einen besseren Posten erhalten kann? Tatsache ist: Wenn sich CEOs abwerben lassen, werden sie oft ausgesprochen kühl verabschiedet, wie eine Analyse des Forschungsdienstleisters Exechange (siehe Fußnote oben) zeigt. Als der Energieversorger CMS Energy aus Michigan am 18. November bekannt gab, dass CEO Patti Poppe zum kalifornischen Konkurrenten PG&E wechselt, verabschiedete CMS-Chairman John Russell die Topmanagerin mit sieben eiskalten Worten: “Ich wünsche Patti dabei ganz viel Glück.” Es fällt schwer, das nicht als vergifteten Wunsch zu lesen. Schlechter Stil ist schädlichEs geht auch anders, und eine angemessene Anerkennung des scheidenden CEO ist wichtig. Es ist nicht nur eine Frage des guten oder schlechten Stils, sondern auch des professionellen Verhaltens und der Abwendung von potenziellem Schaden für das Unternehmen. Denn wenn die Leistungen eines scheidenden Chefs nicht gewürdigt werden, besteht die Gefahr, dass dessen Anhänger, deren Loyalität das Unternehmen bewahren möchte, entfremdet werden. Allein schon deshalb sieht es das Ritual vor, auch abgeworbenen Chefs für ihre Dienste zu danken, ihre Erfolge zu loben und ihnen auf dem neuen Posten weiterhin viel Erfolg und alles Gute zu wünschen.Genauso war es, als der Geländewagenhersteller Polaris am 17. November bekannt gab, dass CEO Scott Wine zum Traktorhersteller CNH wechselt – wobei der scheidende Chef vom Lead Independent Director mit 81 netten Worten hinausgeleitet wurde. Doch viele warme Worte für einen Boss, der andernorts Karriere macht, sind die Ausnahme, wie eine Auswertung von 1 068 CEO-Abgangsmeldungen von Unternehmen aus dem Russell-3 000-Index aus den vergangenen vier Jahren (Januar 2017 bis November 2020) durch Exechange zeigt.CEOs, die die Seiten wechselten, erhielten im Schnitt nur 55 persönliche Abschiedsworte. Knapper verabschiedet wurden nur jene CEOs, die aufgrund von Meinungsverschiedenheiten (durchschnittlich 51 Worte), “persönlichen Gründen” (50 Worte), Leistungsproblemen (45 Worte) und Fehlverhalten (14 Worte) gehen mussten. Sterile DankesworteMonro-CEO Brett Ponton, der im August 2020 ging, um Chef von Servicemaster zu werden, erhielt zum Abschied nur kurzen Dank mit 20 sterilen Worten. Unterkühlt verabschiedet wurde auch BNY-Mellon-CEO Charlie Scharf, der im September 2019 abtrat, um Chef von Wells Fargo zu werden. Chairman Joseph Echevarria gab ihm auf dem Weg nach draußen nur 16 knappe Dankesworte mit, die er distanziert “im Namen des Boards” aussprach.Jeder CEO-Abtritt beinhaltet eine Botschaft. Wenn CEOs die Karriere wechseln, sind viele Subtexte möglich. Sie reichen von “Schade, dass er geht” über “Wie kann er uns nur so im Stich lassen” bis zu “Gut, dass wir den los sind – und tschüss”.