MARIKA LULAY UND ZOHAR HOD

„Unser Idee ist, eine Art Wirbelsäule für das Internet zu schaffen“

Das US-Start-up One Creation will das Datenrechte-Management revolutionieren. Programmiert hat die Plattform die deutsche GFT. Deren Chefin und Firmengründer Zohar Hod haben große Hoffnungen.

„Unser Idee ist, eine Art Wirbelsäule für das Internet zu schaffen“

Von Sebastian Schmid, Frankfurt

Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts, heißt es so schön. Doch der Vergleich hinkt. Während das Öl tendenziell immer weniger wird und zudem immer schwerer zugänglich, womit die Förderung tendenziell aufwendiger wird, sind Daten im Überfluss vorhanden. Und es werden immer mehr. Um mit Daten und digitalen Rechten Geld zu verdienen, braucht es indes nicht nur viele Daten, sondern auch die Fähigkeit, diese zu analysieren und zu verwertbaren Paketen zu verpacken.

Doch auch dann gibt es noch ein Problem, das mit der zunehmenden Verbreitung immer schwerer zu lösen ist. Wer erhält Zugriff auf die Daten und wie lässt sich Missbrauch verhindern? Das Datenrechtemanagement ist eine wachsende Herausforderung. Das US-Start-up One Creation glaubt, mit seiner Datenrechtemanagement-Plattform eine Lösung für das Problem geschaffen zu haben – mit Unterstützung des deutschen Softwarekonzerns GFT Technologies, der die Plattform programmiert hat und sich statt einer Bezahlung lieber einen Anteil an dem erst 2019 gegründeten Unternehmen auszahlen ließ.

Aufstockoption

„Unser Anteil beträgt derzeit 2,65%. Wir haben außerdem immer wieder im Rahmen der Partnerschaft in Bezug auf Vertrieb und Weiterentwicklung der Plattform zu entscheiden, nehmen wir unseren Anteil an Vertriebsumsätzen in bar oder ziehen wir die Option, weiter aufzustocken“, erklärt GFT-Chefin Marika Lulay im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Firmengründer Zohar Hod hat GFT kennengelernt, als er für Digital Asset Holdings gearbeitet hat. GFT war damals ein wichtiger Partner für diverse IT-Projekte und habe ihn schon da überzeugt, erzählt der nahe New York ansässige Hod in der Videokonferenz. Schon kurz nach der Gründung von One Creation im Dezember 2019 habe er daher die GFT-Chefin und ihr Team kontaktiert. Aufgrund der Pandemie-Situation sei es bislang noch nicht einmal zu einem persönlichen Treffen gekommen. Hod erzählt, dass mehrere Situationen im beruflichen und privaten Umfeld ihn auf die Idee gebracht hätten, eine Plattform für Datenrechte zu entwickeln. Als Partner eines Unternehmens namens Super Derivatives, eine Quant-Data-Firma, die 2014 vom Börsenbetreiber Intercontinental Exchange (ICE) übernommen wurde, sei er erstmals auf die Idee gebracht worden, dass hier eine Marktlücke bestehe.

Bei der ICE leitete er den Vertrieb der Datendienstleistungssparte. „Ein Problem waren beispielsweise Datenlecks. Da mussten wir stetig hinterhergehen, um zu prüfen, ob jemand die Daten korrekt nutzt oder nicht.“ Das sei extrem aufwendig und teils gar nicht möglich gewesen. Dabei sei es nicht um klassischen Datenraub gegangen, sondern um das Teilen von Daten, die eigentlich nur für die eigene Nutzung vorgesehen sind. Die nächste Situation sei eine persönliche gewesen. „Mein Sohn hat Diabetes und er nutzt unter anderem Sensoren, die Daten weitergeben, aber keinen ausreichenden Datenschutz aufweisen. Wir bekamen Werbung von Pharma- und Medizintechnikunternehmen, die wir nie kontaktiert hatten und fragten uns, wo sie die Daten herhaben. Da haben wir also festgestellt, dass die digitalen Rechte meines Sohnes nicht geschützt sind.“ Die Idee, wie diese Probleme adressiert werden könnten, sei ihm dann bei seiner nächsten beruflichen Station bei der Firma Digital Asset Holdings gekommen, bei der er als Chief Strategy Officer angeheuert hatte. Digital Asset hatte eine auf Blockchain basierende Open Source Smart Contract Sprache (DAML) entwickelt. Hod hatte die Idee, die Smart-Contract-Technologie mit dem digitalen Rechteaustausch zu verknüpfen. „Ein Grund, warum Apple von der Bezahlung je Song auf ein Streaming-Angebot gewechselt ist, war auch, dass sich das digitale Rechtemanagement auf einer Per-Song-Basis damals noch nicht skalieren ließ. Dafür gab es keine geeignete Technologie“, erzählt Hod.

Fast unmittelbar nach der Gründung kam GFT ins Spiel. „One Creation hat von uns eine Dienstleistung erhalten, nämlich, dass wir die Plattform bauen. Die hätte dann im Herbst bezahlt werden sollen. Allerdings hatten wir uns die Option vorbehalten, unsere Bezahlung in einen Anteil wandeln zu lassen, unter der Bedingung, dass das Unternehmen auch noch andere Investoren findet“, erinnert sich GFT-Chefin Lulay. „Wir haben das im Sommer programmiert und schon im August/September hat One Creation zwei große Kunden aus dem Fortune 100 dafür gewonnen, für sie ein Proof of Concept zu erstellen. Das hat uns überzeugt, dass das Unternehmen nicht nur eine gute Idee hat, sondern auch vertriebsseitig gut aufgestellt ist.“ Inzwischen gebe es auch weitere Investoren und erste Umsätze mit den Kunden. „Wir haben uns deshalb entschieden, statt der Bezahlung lieber einen Anteil zu nehmen, und sind zudem natürlich auch weiter Entwicklungs- und Vertriebspartner.“

Die Ziele sind in jedem Fall hoch gesteckt. „Unsere Idee ist, eine Art Wirbelsäule für das Internet zu schaffen, über die Smart Contracts die Verteilung digitaler Rechte über multiple Ökosysteme nicht nur zu managen, sondern auch zu wahren helfen“, erklärt Hod. Die Herausforderung sei nicht das Datenmanagement in geschlossenen Systemen, sondern die Rechte von Daten zu wahren, die zwischen Ökosystemen stetig hin und her wanderten.

Nicht nur für Finanzbranche

„Das Thema digitale Rechte und deren Nachverfolgung ist sicher insbesondere in der Finanzbranche ein wichtiges“, erzählt Lulay. Das Gros der GFT-Kunden ist in diesem Sektor beheimatet, so dass die Kooperation auch vertriebsseitig gute Voraussetzungen hat. Aber auch für andere Branchen sei die Plattform geeignet.

„Beispielsweise kann über die Plattform gemanagt werden, dass von ihren Gesundheitsdaten nur ein bestimmter relevanter Anteil an einen behandelnden Arzt freigegeben wird, und das auch nur für einen begrenzten Zeitraum.“ Kunde sei nicht der Patient, sondern etwa die Krankenkasse, die dann einen besseren Service anbieten können.

„Die Smart Contracts sind wie kleine Bots, die genau wissen, wem das digitale Recht gehört und jeden, der es nutzen will, an Regeln bindet, die vom Eigner aufgestellt wurden und der registriert, wer wann, wie und wo darauf zugegriffen hat“, erläutert Hod die Funktionsweise. „Zum Anfang testen wir drei Hauptanwendungsfälle. Erstens: Schutz, Kontrolle und Monetarisierung von Daten, die das Unternehmen verlassen. Zweitens: Interner Digitalrechteaustausch. Dabei geht es darum, nachvollziehen zu können, wie intern Daten von den verschiedenen Datenbanken genutzt werden und wozu. Drittens: Echte Transparenz für die Nutzung der Daten von Kunden schaffen. Das kann etwa helfen, dass Kunden ihre Daten bei einem Anwenderwechsel – etwa im Mobilfunk – wirklich mitnehmen können und dem alten Anbieter alle Zugriffsrechte entziehen.“ Zu den ersten fünf Kunden zählen Versicherer, eine Schmuck-Handelsplattform und eine Börse, deren Namen Hod „lieber nicht nennen will“. Lulay geht davon aus, dass im nächsten und übernächsten Jahr dann zunehmend auch Unternehmen aus anderen Branchen als der Finanzindustrie dazu kommen.

Genug Kapital für zwei Jahre

„Wir erwarten im ersten Jahr keine allzu hohen Umsatzbeiträge. Also 1 Mill. Euro wären schon ein Achtungserfolg“, so Lulay. „Höhere Erwartungen habe ich für die Jahre 2022 und später.“ Zwar gebe es in diesem Bereich schon einige Wettbewerber. Allerdings seien viele davon Start-ups. „Da ist noch viel freies Feld.“ In Deutschland habe GFT bereits Gespräche mit zwei großen Kunden aus der Finanzbranche geführt. Namen will aber auch Lulay noch nicht nennen. Die Ziele für das überwiegend nutzungsbasierte Produkt sind vorerst überschaubar. „2021 wollen wir vor allem mit unseren frühen Partnern so weit kommen, dass sie Ende des Jahres ganz begeistert von dem Wert sind, den sie aus unserer Zusammenarbeit gewonnen haben“, sagt Hod. One Creation hat aber offenbar auch Zeit für den Aufbau. „Wir haben genug Kapital gesammelt, um in den nächsten 18 bis 24 Monaten zu tun, was wir tun wollen“, so der Gründer. „Aber das heißt nicht, dass wir nicht noch einmal Kapital aufnehmen werden.“