"Unser Markt brummt"
Die Aktie des Gabelstaplerherstellers Kion ist in den vergangenen Monaten schwer unter die Räder gekommen. Mit dem operativen Geschäft des MDax-Konzerns hat dies offenbar nichts zu tun, wie sich jetzt im Quartalsbericht zeigt. Im Interview führt die neue Finanzchefin Anke Groth, die von Eon nach Frankfurt gekommen ist, den volatilen Verlauf auf die wachsenden Unsicherheiten am Kapitalmarkt allgemein zurück, das Geschäft von Kion brumme.- Frau Groth, Sie sind am 1. Juni als Finanzchefin von Kion gestartet. Vorschusslorbeeren gab es offenbar keine vom Kapitalmarkt, der Aktienkurs hat sich seit April nahezu halbiert. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?Wir bewegen uns in einem schwierigen Kapitalmarktumfeld: Die Dissonanzen in den internationalen Handelsbeziehungen, das unklare Brexit-Szenario, die Diskussionen über den italienischen Haushalt, Zinserhöhungen der US-Notenbank und die Umfragewerte der Einkaufsmanager, das alles führt zu Verunsicherungen am Kapitalmarkt mit der Folge wachsender Volatilität. Investitionsgüterwerte wie Kion werden traditionell von solchen Rahmenbedingungen stärker in Mitleidenschaft gezogen – auch ganz unabhängig von der operativen Performance der Unternehmen.- Aber der Kurs des soliden Maschinenbauers hat schlechter performt als der MDax.Die breite Mehrheit der Analysten sieht für die Kion-Aktie Kursziele deutlich über dem aktuellen Level. Sie schätzen die Aktie also als unterbewertet ein.- Gabelstapler gelten ja gemeinhin als Frühindikator. Was ist Ihre Markterwartung?Fast 12 % mehr Aufträge in den ersten neun Monaten sprechen eine deutliche Sprache und zeugen von der Robustheit unseres Geschäfts. Unser Markt brummt und wächst weltweit dynamisch – sowohl für automatisierte Lager als auch für Stapler. Treiber sind insbesondere der E-Commerce, aber auch die branchenübergreifende Notwendigkeit, in den Logistikketten effizienter zu werden.- Welche Rolle spielt der Handelsstreit, den die USA losgetreten haben – Logistik ist ja schließlich ein globales Geschäft? Spüren Sie Abkühlung? Sehen Sie sich unter Druck, Teile der Produktion in die USA zu verlagern? Gibt es Probleme wegen Ihres chinesischen Großaktionärs?Wir sind sehr international aufgestellt und verfügen in allen relevanten Weltregionen über eigene Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Service. Regionale Kundennähe ist in unserem Geschäft essenziell. Heute erweist sie sich auch unter politischen Gesichtspunkten als äußerst positiv. Und unser chinesischer Ankeraktionär Weichai Power hilft uns dabei, im weltweit größten Einzelmarkt für Gabelstapler – China – als auch nationaler Anbieter wahrgenommen zu werden.- Kion will die Zyklizität möglichst reduzieren, wo stehen Sie da?Durch den Erwerb von Dematic im Jahr 2016 sind wir heute ein anderes Unternehmen. Wir sind regional noch einmal deutlich breiter aufgestellt. Und wir haben ein zweites starkes Segment, das weniger zyklisch ist als das Staplergeschäft. Aber wir haben auch intern sehr intensiv daran gearbeitet, auf Marktschwankungen optimal reagieren zu können, um immer profitabel zu bleiben.- Seit 2016 gab es einige Rückschläge bei Dematic. Wann zahlt sich das Investment nachhaltig aus nach Ihrer Einschätzung?Dematic betreibt ein Projektgeschäft, das trotz des langfristigen Wachstumstrends aus E-Commerce von Quartal zu Quartal im Auftragseingang Schwankungen aufweist. Das war für den Kapitalmarkt neu, ist aber für ein Projektgeschäft völlig normal. In den ersten neun Monaten hat Dematic bei den Auftragseingängen um fast ein Drittel zugelegt. Dieses Wachstum zeigt: Die Akquisition war der absolut richtige Schritt, um noch globaler zu werden und gleichzeitig auch in Supply Chain Solutions eine führende Position einzunehmen, wie wir sie auch bei Staplern haben.- Sie haben schon länger mit Lieferengpässen zu kämpfen auch infolge der Neuen Hallberg Guss. Ist das behoben?Lieferengpässe bei einzelnen Zulieferern beschäftigen uns in diesem Jahr in der Tat stark. Wir sind damit in unserer Branche aber nicht allein. Wir sind auf gutem Weg zu nachhaltiger Lieferstabilität. Die Sondersituation bei Halberg Guss betrifft uns bislang nicht oder nur geringfügig, da wir aktuell nur eine geringe Zahl der betroffenen Motoren verbauen.- Ende Juni ist die Vereinbarung ausgelaufen, wonach Weichai Power die Schwelle von 49,9 % an Kion nicht überschreiten darf. Übernahmefantasie spielt der Markt jedenfalls nicht.Die Beteiligung von Weichai Power an Kion gilt zu Recht als Musterbeispiel chinesischer Investitionen in Deutschland. Sie verschafft uns einen sehr stabilen, langfristig orientierten Ankeraktionär und deutlich besseren Marktzugang in China. Weichai beschäftigt sich im Übrigen mit vielen neuen Technologien, die auch für uns hoch relevant sind – ich denke zum Beispiel an Brennstoffzellen-Technik für mobile Anwendungen.—-Die Fragen stellte Walther Becker.