Grüner Wasserstoff

Unsere Vision für eine kohlenstoffarme Zukunft

Grüner Wasserstoff beflügelt die Idee von einer klimaneutralen Zukunft, die ohne fossile Energieträger auskommt, erklärt Jürgen Wollschläger, Geschäftsführer von Raffinerie Heide.

Unsere Vision für eine kohlenstoffarme Zukunft

Grüner Wasserstoff ist zum Schlüsselelement der Energiewende geworden. Produziert aus nichts weiter als Wasser und Strom aus erneuerbaren Quellen, beflügelt er inzwischen die Idee von einer klimaneutralen Zukunft, die ohne fossile Energieträger auskommt.

So kann grüner Wasserstoff etwa eine klimaneutrale Wärmeversorgung in Stadtquartieren sicherstellen oder in Brennstoffzellen für nachhaltige Mobilität sorgen. Und tatsächlich sind es die Anwendungen im Energie- und Mobilitätssektor, die dem Multitalent der Energiewende derzeit große Aufmerksamkeit be­scheren.

Vielfältige Möglichkeiten

Doch grüner Wasserstoff kann weitaus mehr. Er ist so etwas wie das Schweizer Taschenmesser der Energiewende, das nicht nur fossile Energieträger überflüssig macht, sondern auch die Türen in völlig neue Anwendungsgebiete öffnen kann. Wagen wir zum Beispiel einen Blick auf eine Industrie, die wie keine andere mit ihren Produkten unseren Alltag prägt – die Chemie. Als größter industrieller Verbraucher von Öl und Gas sowie drittgrößter Erzeuger globaler Treibhausgase zählt die chemische Industrie zu den Sektoren, die besonders schwierig zu dekarbonisieren sind. Dabei wäre dieser Schritt gerade für die Produktion wichtiger Basischemikalien wichtig, die ganz am Anfang der Lieferketten stehen und eine enorme Anwendungsvielfalt besitzen. Wer hier den Weg in eine kohlenstoffarme Zukunft beschleunigen will, muss bestehende Systeme und Prozesse abseits von Öl und Gas neu denken und Chancen für Innovationen identifizieren. An der Nordseeküste Schleswig-Holsteins ist alles, was es dazu braucht, bereits vorhanden: Man nehme eine Raffinerie und werfe einen vorurteilsfreien Blick auf die Möglichkeiten der industriellen Chemie. Dann kombiniere man Prozesse und Stoffströme so geschickt miteinander, dass anstelle von Erdöl künftig grüner Wasserstoff und das Treibhausgas Kohlendioxid zur neuen Rohstoffbasis werden, und voilà: Die Raffinerie der Zukunft geht an den Start. In unserer Raffinerie in Heide im Landkreis Dithmarschen wollen wir zeigen, dass diese fantastisch klingende Vision im großtechnischen Maßstab machbar ist.

Die ersten Schritte dazu sind bereits gemeinsam mit unseren Partnern im Projekt Westküste 100 angelaufen. Auch in Heide beginnen wir beim grünen Wasserstoff. Dazu soll zunächst eine 30 Megawatt-Elektrolyse auf dem Unternehmensgelände der Raffinerie in Betrieb gehen. Geplant ist, die Kapazität im Laufe des Jahrzehnts auf 700 Megawatt auszubauen, so dass in Summe rund eine Million Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Der Trick besteht nun darin, den grünen Wasserstoff durch Reaktion mit dem Treibhausgas CO2 in grünes Methanol zu verwandeln. Dieser Alkohol ist ebenfalls ein Tausendsassa der Chemie. Verarbeitet zu Olefinen oder Aromaten, öffnet er die Tür zu einer Vielzahl von wichtigen Basischemikalien wie Ethylen, Propylen, Toluol oder Xylol, die anschließend von industriellen Abnehmern weiterverarbeitet werden. Zusätzlich erproben wir die Produktion von klimaneutral hergestelltem synthetischem Flugbenzin durch die Methanol-Synfuels-Synthese – ebenfalls im großtechnischen Maßstab.

Jetzt die Weichen stellen

Grüner Wasserstoff als Hoffnungsträger für die Dekarbonisierung der Chemie – diese Vision kann Realität werden, wenn Industrie, Wissenschaft und Politik an einem Strang ziehen und mutig neue Wege bestreiten. Auch wenn die Bundesregierung mit den Reallaboren der Energiewende erste wichtige Meilensteine gesetzt hat: Das unbe­strittene Potenzial von grünem Wasserstoff wird sich nur dann im industriellen Maßstab entfalten können, wenn die regulatorischen Voraussetzungen für Investitionssicherheit geschaffen sind. Dazu gehört etwa, dass die Produktion von grünem Wasserstoff auf Dauer und vollständig von der EEG-Umlage befreit wird. Hier sind noch nicht alle Unsicherheiten ausgeräumt, und auch die Umsetzung der Renewable Energy Directive (RED II) in nationales Recht wirft noch Fragen auf.

Zudem muss auf EU-Ebene sichergestellt werden, dass grüner Strom auch aus bereits geförderten regenerativen Anlagen für die Herstellung von grünem Wasserstoff genutzt werden kann. Wenn wir weiterhin mit vereinten Kräften daran arbeiten, Antworten auf die komplexen Umweltherausforderungen unserer Zeit zu finden, werden wir eine saubere Zukunft für unseren Planeten sichern. Deutschlands kleinste Raffinerie will hier mit großen Schritten vorangehen.