„Unsere Zuversicht ist eher noch gewachsen“
Antje Kullrich.
Herr Toepfer, die Preisausschläge im Geschäft von Covestro und damit auch die Ergebnisschwankungen sind enorm. Ist die Volatilität in Ihrem Geschäft nochmals gestiegen, und wird das Ihrer Ansicht nach so bleiben?
Im ersten Quartal haben gleich zwei Effekte die Preise getrieben: Wir haben einen deutlichen pandemiebedingten Erholungseffekt im ersten Quartal in Asien gesehen, und die Winterstürme in den USA haben Kapazitäten verknappt. Das hat zu einem deutlichen Anstieg der Margen geführt. Und wir sehen, dass sich dieses hohe Margenniveau im zweiten Quartal fortsetzt. Was mir wichtig ist: Wir erwarten, dass sich das Ebitda der Zyklusmitte kontinuierlich nach oben bewegt, trotz der Hochs und Tiefs in den Ergebnissen der letzten Jahre. Wir profitieren von Langfristtrends wie Gebäudemodernisierungen, Elektromobilität und Windkraftanlagen für erneuerbare Energien.
Covestros Potenzial wurde im ersten Quartal durch die wetterbedingten Stillstände von Raffinerien und Chemieanlagen in Texas und Rohstoffengpässe gehemmt. Wie viel mehr Geschäft wäre ohne diese Einschränkungen möglich gewesen?
Der Wintersturm hat uns Kapazitäten gekostet, weil unsere eigenen Anlagen genau wie die von Wettbewerbern etwa zwei Wochen stillgestanden haben. Das zeigt, dass das Wachstum von 5,3%, das wir in unseren Kernvolumina erzielt haben, noch höher hätte ausfallen können. Das Ebitda wurde mit einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag belastet. Unsere Gesamtjahresprognose wird davon aber nicht beeinflusst, da wir den negativen Effekt durch höhere Preise kompensieren konnten.
Sie haben gerade Ihr Gewinnziel für das Geschäftsjahr 2021 deutlich angehoben. Ist das jetzt ein konservativer oder ein ambitionierter Ausblick?
Wir haben den Ausblick deswegen angehoben, weil sich das gute Momentum aus dem ersten Quartal im zweiten Quartal fortgesetzt hat. Das war Mitte April. Jetzt sind wir zwei Wochen weiter, und unsere Zuversicht ist eher noch gewachsen. Wir glauben, dass wir den angehobenen Ausblick sehr gut erreichen können. Wir wollen 2021 nicht nur die Pandemieeffekte wieder aufholen, sondern das Vorkrisenniveau von 2019 wieder übertreffen.
Auf der Hauptversammlung kürzlich haben Sie erneut mit einem üppigen Kapitalrahmen den Ärger vieler institutioneller Investoren auf sich gezogen und verhältnismäßig viele Gegenstimmen kassiert. Ist es das wert, und warum brauchen Sie so viel genehmigtes Kapital?
Immerhin haben ja mehr als 80% der Aktionäre zugestimmt. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Kapitalia im besten Sinne des Unternehmens sind, und halten uns damit vor allem strategische Optionen offen. Das zeigt zum Beispiel die Akquisition des Geschäftsbereichs RFM aus dem vergangenen Jahr sehr gut, als wir damit eine extrem wichtige strategische Übernahme realisieren konnten. Wir haben aber auch gezeigt, dass wir sehr restriktiv bei der Nutzung des Kapitalrahmens sind, denn wir haben den damaligen Kapitalrahmen ja bei Weitem nicht ausgeschöpft. Er war stattdessen so bemessen, dass wir unser solides Investment-Grade-Rating erhalten konnten.
Wie läuft die Integration von RFM, des gerade übernommenen DSM-Geschäftsbereichs? Es war ja die größte Akquisition der bisherigen kurzen Unternehmensgeschichte.
Es war mit 1,6 Mrd. Euro die größte Übernahme unserer Geschichte, und wir haben sie erfolgreich am 1. April abgeschlossen. Organisatorisch ist die Integration auch schon weitgehend geschafft. Der Start ist ausgesprochen gut geglückt. Besonders wichtig ist für uns aber auch, dass es nicht nur strategisch eine absolut bestechende Logik gibt, sondern die beiden Unternehmen auch kulturell sehr gut zusammenpassen. Jetzt liegt unser Fokus auf der weiteren Integration und darauf, die Synergien wie geplant zu realisieren.
Stehen weitere Portfolioumbauten bei Covestro an?
Akquisitionen sind Bestandteil unserer Strategie. In diesem Jahr liegt unser Fokus aber auf der Integration des RFM-Geschäfts. Das heißt, dass wir erst einmal keine nennenswerten Zu- oder Verkäufe planen. Wenn wir das RFM-Geschäft dann erfolgreich integriert haben, werden wir uns 2022 auch wieder umschauen. Dabei sind wir aber generell sehr selektiv, und es muss sowohl strategisch als auch finanziell optimal passen.
Das Interview führte