Corporate Governance

Unternehmen lehnen hybride HV ab

Mit der dauerhaften gesetzlichen Regelung der virtuellen Hauptversammlung sind viele Unternehmen nach Abflauen der Pandemie nicht zum traditionellen Präsenzformat der Aktionärstreffen zurückgekehrt. Eine Umfrage der Kanzlei Taylor Wessing und der PR-Beratung Edelman Smithfield zeigt Trends auf, wie es künftig weitergehen könnte.

Unternehmen lehnen hybride HV ab

Unternehmen lehnen hybride HV ab

Konzerne wollen laut einer Umfrage mehrheitlich am jeweiligen Format ihrer Aktionärstreffen festhalten

swa Frankfurt
Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Mit der dauerhaften gesetzlichen Regelung der virtuellen Hauptversammlung sind viele Unternehmen nach Abflauen der Pandemie nicht zum traditionellen Präsenzformat der Aktionärstreffen zurückgekehrt. Nach einer Umfrage der Kanzlei Taylor Wessing und der PR-Beratung Edelman Smithfield will die Mehrheit der Gesellschaften am 2023 gewählten HV-Format erst mal festhalten.

Nach der ersten Saison im neuen Gesetzesrahmen zeigen sich die Unternehmen großteils zufrieden mit dem Format ihrer Hauptversammlung (HV). Das gilt nach einer Umfrage der Kanzlei Taylor Wessing und der PR-Beratung Edelman Smithfield gleichermaßen für das virtuelle Format wie für die Präsenzversammlung. Befragt wurden 229 Unternehmen, die ihr Aktionärstreffen nach deutschem Recht abhalten; geantwortet haben 110 Unternehmen aus Dax-Familie und Prime Standard.

Die Verteilung auf virtuelle HV und Präsenzversammlung war in der Gruppe der befragten Unternehmen in etwa gleich, mit einem leichten Übergewicht des reinen Online-Formats.

Unternehmen mit höherer Marktkapitalisierung haben die virtuelle HV bevorzugt, allein im Dax 40 war es eine deutliche Mehrheit von 71% der Indexmitglieder. Dagegen sind Firmen mit niedrigerem Börsenwert der Analyse zufolge nach der Pandemiezeit wieder zur klassischen Präsenzversammlung zurückgekehrt.

"Hohe Zufriedenheit"

Mit Blick auf die kommende HV-Saison zeichnet sich wenig Veränderung ab. "Bei allen Unternehmen ist die Bereitschaft groß, an dem von ihnen gewählten Format auch in den kommenden Jahren festzuhalten", sagt Nikolaus Plagemann, Kapitalmarktrechtler bei Taylor Wessing. Aufgrund der "hohen Zufriedenheit" der Unternehmen mit der virtuellen HV zeichnet sich dieses Format nach Einschätzung des Anwalts als "eine dauerhafte Lösung ab, wobei alle Beteiligten kontinuierlich weitere Erfahrung aufbauen" würden.

Der Anteil der Unternehmen, die das virtuelle Format nutzen, könnte sich der Umfrage zufolge weiter erhöhen. So hätten sich 9% der Unternehmen, die ihre HV in Präsenz durchgeführt haben, einem Wechsel gegenüber aufgeschlossen gezeigt. "Einige Unternehmen dürften abgewartet haben, wie sich die virtuelle HV zunächst bei den großen Unternehmen und First-Movern bewährt. Der Anteil der virtuellen HV könnte also, vor allem auch bei kleineren Gesellschaften, zunehmen", meint Plagemann.

Der Umfrage zufolge sind aber immerhin 30% aller Befragten noch unentschlossen, ob sie das 2023 gewählte Format (virtuell und physisch) beibehalten wollen. Aus Sicht der Ersteller der Studie "hat die neue virtuelle HV den Praxistest bestanden".

Wunsch nach Rechtssicherheit

Wenig Akzeptanz findet im Emittentenkreis die von vielen Investoren präferierte hybride HV. "Unternehmen sind wenig überzeugt von dem hybriden Format, aus ihrer Sicht vereint es das Schlechteste aus beiden Welten", sagt Taylor-Wessing-Anwalt Sebastian Beyer. "Es führt zu zusätzlicher Komplexität, ist aufwendiger und damit teurer. Rechts- und Prozesssicherheit steht hier für die Unternehmen im Vordergrund", fasst der Jurist das Meinungsbild zusammen. Es werde auf Investorenseite "zwar viel darüber geredet", die Hybrid-HV sei "als solche aber gesetzlich nicht geregelt".

Die beiden Anwälte können, anders als Investoren, keine Vorteile des Präsenzformats erkennen. "Die Vorstellung von Aktionärsschützern, Management und Aktionäre müssten sich einmal im Jahr in die Augen schauen, wird nicht von allen Beteiligten geteilt", sagt Beyer. Diese Einschätzung rühre aus alten Zeiten und müsse heutzutage, auch unter Nachhaltigkeitsaspekten, kritisch hinterfragt werden. Es ist nach Meinung des Anwalts "nicht ersichtlich, dass die gegenseitige Wahrnehmbarkeit in einer Video-Kommunikation weniger intensiv sein soll als in einer großen Halle".

Ob die lebhafte Diskussion über das passende HV-Format weitergehen wird, lässt sich aus Sicht der Anwälte schwer abschätzen. "In der nächsten Saison werden wir das noch erleben, vermutlich nicht in der gleichen Intensität", vermutet Beyer. Es sei aber mit einem gewissen Gewöhnungseffekt zu rechnen, "so dass die Debatte über die virtuelle HV über die Zeit abebben sollte", meint er.   

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