Kostendruck im Gesundheitswesen

Auf dem Rücken der Patientinnen

Gefeilsche um den Preis neuer Medikamente wie Enhertu ist durchaus angebracht. Es wirkt nur übertrieben hart, wenn der NHS auf der anderen Seite Gehaltserhöhungen mit der Gießkanne verteilt.

Auf dem Rücken der Patientinnen

Kommentar

Auf dem Rücken der Patientinnen

Enhertu ist dem britischen Gesundheitswesen NHS zu teuer

von Andreas Hippin

Britische Brustkrebspatientinnen, die auf das marode öffentliche Gesundheitswesen NHS angewiesen sind, werden vorerst nicht mit dem Medikament Enhertu von AstraZeneca und Daiichi Sankyo behandelt.

Über solche Dinge befindet in Großbritannien das National Institute for Health & Care Excellence, für das ein Orwell'sches Akronym existiert: NICE. Dort rechnet man in qualitätskorrigierten Lebensjahren (QALY). Dafür wird die verbleibende Zeit mit einem Qualitätsfaktor multipliziert.

Knallhartes Kalkül

Lebt ein Patient noch vier Jahre mit einer Lebensqualität von 0,5, ergibt sich ein QALY von 2. Eine Therapie, die mehr als 30.000 Pfund pro QALY kostet, ist aus Sicht des Instituts nicht kosteneffektiv und wird in der Regel vom NHS nicht bezahlt.

Man sei „zutiefst enttäuscht“, dass man Enhertu nicht zur Behandlung empfehlen könne, sagte Helen Knight, die bei NICE die Evaluation neuer Medikamente verantwortet. „Wie wir immer klargemacht haben, ist der schnellste und einzig garantierte Weg, Medikamente wie Enhertu zu den Patienten zu bringen, die sie benötigen, dass Unternehmen sie zu einem fairen Preis anbieten.“ Man habe sich so flexibel wie möglich gezeigt, aber die Unternehmen hätten nicht nachgegeben.

Harte Verhandler

Es war das erste Mal seit sechs Jahren, dass NICE ein Brustkrebsmedikament nicht empfehlen wollte. Das Institut hat einen Ruf wie Donnerhall. Es verhandelt hart und hat für den National Health Service (NHS) oft erhebliche Rabatte herausgeholt.

Für Enhertu haben die Hersteller dem NHS sicher nicht den Listenpreis abverlangt. Es könnte im Vergleich zur traditionellen Chemotherapie die Zeit verdoppeln, in der der Krebs nicht weiter fortschreitet. Den Schaden haben die Patientinnen, die nicht privat versichert oder wohlhabend genug sind.

Zweierlei Maß

Natürlich will man Big Pharma nicht unnötig öffentliche Gelder in der Rachen werfen. Das Gefeilsche ist angebracht. Doch das Vorgehen der Erbsenzähler von NICE wirkt übertrieben hart, wenn die Regierung andererseits exorbitante Gehaltserhöhungen für Krankenhausärzte und deutlich über der Teuerungsrate liegende Lohnerhöhungen für andere NHS-Mitarbeiter durchwinkt.

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