Corona-Folgen

Unternehmen rechnen mit weniger Geschäfts­reisen

Nicht nur coronabedingt, sondern auch unter Nachhaltigkeitsaspekten sind Telefon-/Web- oder Videokonferenzen laut VDR bei nahezu allen Unternehmen zum Alltag geworden.

Unternehmen rechnen mit weniger Geschäfts­reisen

lis Frankfurt

Die Corona-Pandemie hat die Ausgaben deutscher Unternehmen und öffentlicher Institutionen für Geschäftsreisen im Jahr 2020 auf ein historisches Tief sinken lassen. Zu diesem Ergebnis kommt die Geschäftsreiseanalyse des deutschen Geschäftsreiseverbandes VDR, die in dieser Woche veröffentlicht wurde. Die Ausgaben reduzierten sich danach im Vergleich zu 2019 um fast 82% und erreichten mit 10,1 Mrd. Euro den niedrigsten Stand seit Beginn der Datenerhebung vor 19 Jahren. Insgesamt habe es im vergangenen Jahr 32,7 Millionen Geschäftsreisen (–83,3%) und 3,3 Millionen Geschäftsreisende (–74,9%) gegeben.

 „Die Ergebnisse zeigen schmerzlich, mit welcher Wucht die Pandemie die Unternehmen und Anbieter aus der Geschäftsreisebranche getroffen hat“, sagt VDR-Vizepräsidentin Inge Pirner. Die Analyse belege zudem noch einmal, welche Bedeutung Geschäftsreisen für den Wirtschaftsstandort Deutschland besitzen. In den Jahren vor der Pandemie haben Firmen und ihre Geschäftsreisenden neben den Ausgaben für Transport und Beherbergung einen stetig steigenden Beitrag zur regionalen Wertschöpfung etwa in Gastronomie, Einzelhandel, Dienstleistungssektor und Kultur geleistet. „Diese Umsätze in direkt und indirekt profitierenden Branchen sind im Coronajahr fast komplett weggebrochen“, so Pirner.

Nicht nur coronabedingt, sondern auch unter Nachhaltigkeitsaspekten sind Telefon-/Web- oder Videokonferenzen laut VDR bei nahezu allen Unternehmen zum Alltag geworden. Die Anzahl von Geschäftsreisen wird aktuell oder künftig deshalb in 87% aller Unternehmen reduziert. Auf innerdeutschen Strecken sind 73% der befragten Unternehmen vom Flugzeug auf die Bahn umgestiegen und 13% planen dies für die Zukunft. Der Mehrwert einer Geschäftsreise werde in Zukunft noch stärker geprüft. Eine dauerhafte Reduktion der Geschäftsreisetätigkeit erwarten 80% der größeren, 72% der kleineren Unternehmen und 81% der Interviewten aus dem öffentlichen Sektor. Wie hoch diese Reduktion ausfällt, bleibt abzuwarten, doch wenn ihre Prognosen eintreffen, wird sie durchschnittlich 30% be­tragen.

„Die persönliche Begegnung wird auch in Zukunft nicht vollständig durch Videokonferenzen zu ersetzen sein. Vielmehr wird es darauf ankommen, situationssensible Alternativen zu finden. Für notwendige Reisen wird es gerade in der Übergangsphase zur ‚Postpandemiezeit‘ zu einem größeren Planungsaufwand kommen“, glaubt Pirner.  

Auch eine Erhebung der KPMG kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass Geschäftsreisen wohl künftig stärker auf ihre Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit hinterfragt werden. Über die Hälfte der von der KPMG Befragten (53%) geht für das Jahr 2021 bei begründbaren Reisen von keinen Budgeteinschränkungen aus. Jedoch glauben nur 13%, dass die Reisebudgets wieder auf das Vorkrisenniveau zurückkehren werden, während knapp ein Drittel ein deutlich bewussteres Reisen für die Zukunft voraussagt.

Die Erhebungen dürften nicht nur bei den Verantwortlichen in der Hotel- und Gastronomiebranche für schlechte Stimmung sorgen. So ist etwa auch die Luftfahrtbranche in hohem Maße vom Geschäftsreiseverkehr abhängig. Zwar hatte zuletzt etwa der Lufthansa-Ableger Eurowings in diesem Segment von einer deutlichen Erholung berichtet, noch ist allerdings unklar, ob überhaupt und wann das Vorkrisenniveau in diesem Segment erreicht wird. Dabei belasten neben der Zurückhaltung der Unternehmen auch die nach wie vor vorhandenen Reiserestriktionen, etwa in Richtung USA, die Nachfrage. Der Chef des größten deutschen Flughafens in Frankfurt, Stefan Schulte, hatte kürzlich darauf hingewiesen, dass sich die Geschäftsstruktur in seiner Branche nach der Coronavirus-Pandemie deutlich verändert haben dürfte. Das stärkste Wachstum werde von Urlaubern und anderen Privatreisenden kommen, glaubt der Manager. Bis das Geschäftskundensegment wieder alte Größen erreicht, werde es deutlich länger dauern, sagte Schulte. Das werde nicht vor 2025/2026 sein, „oder auch ein, zwei Jahre später“.