RECHT UND KAPITALMARKT

Upstream-Sicherheiten werden aufwendiger

BGH-Entscheid wirkt sich auf Finanzierungspraxis aus - Persönliche Haftung

Upstream-Sicherheiten werden aufwendiger

Von Christian Nordholtz und Jan Hupka *)Eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs (II ZR 93/16) verändert den Pflichtenkanon für Vorstände und Geschäftsführer bei der Bestellung von Sicherheiten durch Kapitalgesellschaften an ihre Gesellschafter – die sogenannten aufsteigenden Sicherheiten oder Upstream-Sicherheiten – und hat Auswirkungen auf die Finanzierungspraxis. Nach der jüngsten BGH-Rechtsprechung haben Geschäftsleiter ausschließlich zum Zeitpunkt der Bestellung abzuschätzen, ob die Sicherheiten den strengen Kapitalerhaltungsvorschriften entsprechen. Die weitere Entwicklung des Ausfallrisikos ist laut BGH nicht relevant. Klarheit über den ZeitpunktSomit herrscht nun Klarheit über den maßgeblichen Zeitpunkt, Geschäftsleiter werden aber vor die schwierige Aufgabe der richtigen Bewertung gestellt. Verstoßen sie bei der Bestellung von aufsteigenden Sicherheiten gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften, droht ihnen zivil- und strafrechtlich eine persönliche Haftung. Relevant ist die jüngste BGH-Rechtsprechung in zahlreichen Konstellationen, z. B. im Rahmen der Konzernfinanzierung für die Sicherheiten einer Tochtergesellschaft oder wenn Sicherheiten im Rahmen der Akquisitionsfinanzierung bei M & A/Private-Equity-Transaktionen erforderlich sind. Für die Finanzierungspraxis hat diese BGH-Rechtsprechung drei wesentliche Auswirkungen.Erstens dürfte die Bestellung von Sicherheiten mehr Zeit in Anspruch nehmen und kostspieliger werden. Angesichts der drohenden persönlichen Haftung ist den handelnden Managern zu raten, der Sicherheitenbestellung nur zuzustimmen, wenn sie sich selbst von der Einhaltung der Kapitalvorschriften zum Zeitpunkt der Bestellung überzeugt haben oder sie dies von internen oder externen Beratern haben prüfen lassen. Die genauen Anforderungen an die Prüfung eines Kapitalerhaltungsverstoßes zur Haftungsvermeidung hat der BGH jedoch nicht abschließend festgelegt. Ein externes Rating kann ein Indiz für die Risikoeinschätzung geben. Es wird aber nicht für jede betroffene Kapitalgesellschaft vorliegen. Umsichtige Geschäftsführer dürften aus Vorsichtserwägungen bei komplexen oder größeren Finanzierungen stets eine externe Prüfung und Dokumentation durch Rechts- und Steuerberater durchführen lassen, um sich so weit wie möglich abzusichern. Solche Abstimmungsprozesse kosten Zeit und Beraterhonorare. Vor allem mittelständischen und kleineren Unternehmen dürften ein eigenes, professionelles Risikomanagement und die erforderlichen Informationen fehlen, so dass die Vorgaben von deren Managern verhältnismäßig schwer zu erfüllen sind. Die Limitation LanguageZweitens bleibt abzuwarten, ob die neue BGH-Rechtsprechung Auswirkungen auf die in Finanzierungsverträgen bislang vorgesehene Limitation Language hat. Damit werden solche Klauseln bezeichnet, die die Haftung der Gesellschaft bei einem später drohenden Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften beschränken und in diesem Fall keine Sicherheit mehr gewähren. Insbesondere von Seiten der Kreditgeber, aus deren Sicht die Limitation Language ein Zugeständnis ist, wird nun argumentiert, derartige Beschränkungen seien nicht mehr erforderlich.Schließlich werde für die Betrachtung nun auch nach dem BGH allein auf den Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit und nicht auf den der Verwertung abgestellt. Ein Schutz gegen spätere Veränderungen sei daher obsolet. Die Kreditnehmerseite und insbesondere die Geschäftsführer erwidern jedoch häufig, dass zu ihrer Haftungsvermeidung eine angepasste Limitation Language weiterhin erforderlich sei, um ihr persönliches Haftungsrisiko zu vermindern. In der bisherigen Finanzierungspraxis scheint die Mehrheit der Parteien an der Limitation Language festzuhalten und diese nur im Wortlaut anzupassen. Klar ist jedoch, dass die Limitation Language in den letzten Jahren im Textumfang erheblich zugenommen hat. Die jüngste BGH-Rechtsprechung mag ein passender Anlass sein, die vorhandenen Musterklauseln zu überdenken und auf das erforderliche Maß zu kürzen. Standard erarbeitenDrittens wird die Finanzierungsszene in den nächsten Monaten auch einen Markt- und Industriestandard für die Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten wirtschaftlicher Szenarien im Zusammenhang mit Upstream-Sicherheiten erarbeiten, um eine Haftung des Sicherungsgebers und von dessen Verwaltungsorganen auszuschließen. Insbesondere für Rechts- und Steuerberater sowie Wirtschaftsprüfer dürfte dies ein neues Beratungsfeld sein. Erste Orientierungsmuster für einen Marktstandard könnten die etablierten Standards des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW-Standards) gewähren. Mangels Vorgaben der Rechtsprechung bleibt abzuwarten, in welchem Umfang Dokumentations- und Beratungsleistung hierzu im Detail erforderlich sind.—-*) Dr. Christian Nordholtz ist Partner bei Göhmann Rechtsanwälte in Hannover und Dr. Jan Hupka Notarassessor am Notariat Rathausmarkt in Hamburg.