US-Kartellwächter entdecken die Technologiebranche
Von Stefan Paravicini, New YorkDie Wettbewerbshüter der Federal Trade Commission (FTC) haben vor einigen Wochen für mächtig Aufsehen gesorgt. Ende Februar kündigte die Kartellbehörde an, dass sie der Technologiebranche mit einer eigenen Taskforce zu Leibe rücken werde. Die neue Einheit soll aus bestehenden Mitarbeitern der Behörde zusammengestellt werden und zunächst 17 Anwälte der FTC umfassen. Sie haben grünes Licht, auch bereits genehmigte Übernahmen in dem Sektor zu überprüfen. Die Wettbewerbshüter könnten unter anderem die Milliardenzukäufe von Instagram oder Whatsapp durch das soziale Netzwerk Facebook oder die Übernahmen von Youtube und Doubleclick durch den Internetkonzern Alphabet unter die Lupe nehmen. “Wir sind begeistert, dass sich die FTC engagiert”, sagte Robert Engel, ein Sprecher der Aktivistengruppe Free and Fair Markets Initiative, zu der Ankündigung.Dass die FTC, die den Technologiefirmen in den vergangenen Jahren fast durchweg freie Fahrt zu Übernahmen eingeräumt hat, deren Wirkung auf den Wettbewerb gemessen an herkömmlichen Kriterien zu vernachlässigen war, jetzt mit der Rückabwicklung von Milliardendeals in dem Sektor beginnt, halten Beobachter freilich für unwahrscheinlich. “Die Idee, ein Unternehmen aufzuspalten, erst recht eine Firma mit schwer zu trennenden Assets wie ein Technologiekonzern, ist die nukleare Option und wird daher fast nie gebraucht”, ist sich Mark Ostrau sicher, der sich bei Fenwick & West auf Wettbewerbsrecht spezialisiert hat. Die Einrichtung der neuen Taskforce wertet er eher als ein Zeichen dafür, dass sich die FTC jetzt auch mit neuen Theorien zum Wettbewerbsrecht beschäftigen will.Bislang steht bei der Bewertung von Auswirkungen für den Wettbewerb durch die Kartellbehörden meist im Fokus, ob der Zugang der Verbraucher zu Produkten und Dienstleistungen teurer wird oder sonst eingeschränkt ist. Facebook, Google und Co., die ihre Leistungen kostenlos zur Verfügung stellen und im Gegenzug die Daten ihrer Nutzer versilbern, können die Kartellwächter so nicht in ihre Schranken weisen. Neuere Wettbewerbstheorien fragen deshalb nach, ob Nutzer überhaupt noch die Möglichkeit haben, auf einen alternativen Dienst auszuweichen, wenn sie zum Beispiel mit den Bestimmungen zum Datenschutz eines Anbieters nicht zufrieden sind, und ob Netzwerkeffekte entstehen, die den Einstieg von neuen Wettbewerbern unterbinden.Ob die FTC demnächst Jagd auf zurückliegende Technologie-Merger macht oder erst einmal nur ein paar Arbeitspapiere aus der jüngeren Forschung zum Kartellrecht sichtet, mit der neuen Taskforce reagiert sie zweifelsohne auch auf den wachsenden öffentlichen und politischen Druck. Eine Umfrage von Morning Consult unter knapp 2 000 wahlberechtigten Amerikanern aller Schattierungen zeigte kurz nach der Ankündigung der neuen Taskforce eine breite Zustimmung über die Parteigrenzen hinweg. In der gleichen Befragung gaben immerhin 44 % an, dass sie den Einfluss von Technologiefirmen wie Facebook oder Google für zu groß halten und eine strengere Regulierung befürworten. Die Befragten aus dem konservativen Lager sprachen sich sogar noch deutlicher für mehr Regulierung aus (siehe Grafik).Aber auch die US-Demokraten, die unter dem ehemaligen Präsidenten Barack Obama ein äußerst freundschaftliches Verhältnis zum Silicon Valley pflegten, knöpfen sich die Branche vor. Das wurde erst vor wenigen Tagen auf dem Festival South by Southwest (SXSW) in Austin, Texas, deutlich, wo sich Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr die Klinke in die Hand gaben. Die größte Welle machte die demokratische Senatorin Elizabeth Warren, die eine Aufspaltung und strengere Regulierung für Technologiefirmen wie Facebook, Google und Amazon ankündigte, sollte sie 2020 zur US-Präsidentin gewählt werden. Die Technologiekonzerne bereiten sich mit Rekordausgaben für Lobbying in Washington vor (siehe Grafik). Rekordstrafe für Facebook?Dass die FTC auf die Aufspaltung von Technologiekonzernen hinarbeitet, bleibt auch nach dem Start der neuen Taskforce unwahrscheinlich. “Es zeigt, dass sie das Gefühl haben, irgendwie auf den wachsenden öffentlichen Druck reagieren zu müssen”, sagt Sarah Miller vom Open Markets Institute in Washington. Bislang sei die Taskforce nicht mehr als eine PR-Geschichte.Wie ernst es die FTC mit der Wettbewerbskontrolle und dem Verbraucherschutz im Technologiesektor wirklich meint, könnte schon in den nächsten Tagen ein Vergleich mit Facebook im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Nutzerdaten durch die Politmarketingfirma Cambridge Analytica zeigen. Die Untersuchung dazu läuft seit fast einem Jahr. Auf Facebook kommt laut Insidern eine Milliardenstrafe zu. Für einen ähnlichen Verstoß hatte die Wettbewerbsbehörde 2011 eine Rekordbuße von 22,5 Mill. Dollar gegen den Internetkonzern Google verhängt.