TELEKOMRIESE KAUFT MEDIENKONZERN

US-Netzbetreiber im Übernahmefieber

Ehemalige Bausteine von AOL Time Warner finden alle einen Abnehmer - Harter Wettbewerb im Mobilfunk

US-Netzbetreiber im Übernahmefieber

Von Sebastian Schmid, FrankfurtIm US-Telekommunikationsgeschäft grassiert das Übernahmefieber weiter. Diesmal heizt AT & T die Temperatur an. Für mehr als 100 Mrd. Dollar inklusive Schulden verleibt sich der amerikanische Telekomriese den TV-Medienkonzern Time Warner mit seinen Kabelsendern CNN und TNT sowie dem Pay-TV-Kanal HBO ein. Noch im September waren beide Gesellschaften als potenzielle Käufer des Kurznachrichtendienstes Twitter gehandelt worden. Nun schließen sie sich zusammen – gut fünfeinhalb Monate nachdem sich AT & T-Konkurrent Verizon den Internetkonzern AOL für nur noch 4,4 Mrd. Dollar gesichert hat, den Time Warner zuvor verlustreich im Dezember 2009 an seine Aktionäre abgestoßen hatte. Mit Time Warner Cable (TWC) war der dritte Baustein des einstigen Megakonzerns AOL Time Warner im vergangenen Jahr von Time Warner für 80 Mrd. Dollar an Charter Communications veräußert worden. Im April hatte die Transaktion nach monatelangem Gezerre grünes Licht von den Aufsichtsbehörden bekommen. Damit werden alle drei ehemaligen AOL-Time-Warner-Sparten wieder fusioniert – allerdings allesamt als Juniorpartner. Verizon mit kleinen DealsDie Telekomkonzerne AT & T und Verizon fürchten noch immer, zum reinen Bandbreitenversorger zu verkommen, und kaufen deshalb Medieninhalte zu, die dann auch über den eigenen Kanal verbreitet werden können. US-Mobilfunkmarktführer Verizon hat sich hier zuletzt mit mittelgroßen und kleineren Deals im einstelligen Milliardenbereich hervorgetan. Nach AOL soll noch der Internetdienstleister Yahoo geschluckt werden. Im Juli wurde ein Kaufpreis von knapp 5 Mrd. Dollar vereinbart. Mittlerweile hängt die Transaktion allerdings wieder in der Schwebe. Yahoo hatte im Rahmen des bislang wohl größten Datendiebstahls der Internetgeschichte die Informationen von einer halben Milliarde Nutzer verloren. Vergangene Woche hatte CFO Fran Shammo erklärt, man sei dabei, zu evaluieren, was der Datenklau für die Transaktion bedeute.Die Mobilfunknetzbetreiber liefern sich in den USA einen knallharten Preiskampf, der vor einigen Jahren von T-Mobile US mit der Entkopplung des Smartphone-Kaufs vom Mobilfunkvertrag gestartet wurde. Die Telekom-Tochter hat mit innovativen Produktideen und aggressiver Preispolitik rasant Marktanteile aufgeholt. AT & T und Verizon haben nachgezogen. Sprint hat als derzeit schwächster Wettbewerber unlängst noch einen draufgesetzt und versucht mit noch günstigeren Angeboten Kunden zu locken.Derweil hat sich der Wettstreit längst auf den Ausbau von Inhalteangeboten ausgeweitet. Während Verizon und AT & T dafür mächtig Geld in die Hand nehmen, bleibt T-Mobile bei ihrer Kernkompetenz und bietet den US-Kunden einen Tarif, der ihnen nicht nur unbegrenzte Gesprächsminuten, Kurznachrichten und LTE-Daten bietet, sondern auch noch unlimitiertes Musik- und Videostreaming von Drittanbietern. So viel Entertainment-Angebot werden AT & T und Verizon kaum einkaufen können. Zugleich hilft T-Mobile damit Firmen wie Netflix, Hulu oder Amazon Video, deren Angebot attraktiver zu machen. Der Videostreamingdienst Netflix gilt als größte Bedrohung für das Geschäftsmodell von Pay-TV-Sendern wie der Time-Warner-Tochter HBO, die AT & T sich nun einverleiben will. Kaum eine WahlDass die großen US-Telekomgesellschaften das bei AOL Time Warner krachend gescheiterte Geschäftsmodell wieder aufgreifen und einen neuen Anlauf wagen, geschieht allerdings nicht ganz freiwillig. AT & T hätte vor einigen Jahren gerne die Konzentration im Kerngeschäft vorangetrieben. Die versuchte Übernahme der Telekom-Tochter T-Mobile US scheiterte aber krachend an den Wettbewerbshütern. So blieb Verizon und AT & T kaum eine andere Wahl, als in das Medieninhaltegeschäft einzusteigen, um das gefürchtete Ende als reiner Versorger abzuwenden. Mit der Übernahme von DirecTV wurde 2015 bereits ein Megadeal durchgezogen, der AT & T zur Nummer 1 unter US-Pay-TV-Anbietern machte.Bei den Kabelnetzbetreibern rollt derweil noch die Konsolidierungswelle. Die Übernahme von Time Warner Cable durch Charter ist lediglich der größte Deal. Der französische Kabelkonzern Altice hat sich mit den Übernahmen von Suddenlink für 9 Mrd. Dollar und Cablevision für 18 Mrd. Dollar im vergangenen Jahr ein Standbein in den USA geschaffen. Ein wenig gegen den Strom schwamm Comcast 2009 mit der Übernahme der GE-TV-Tochter NBC Universal für knapp 17 Mrd. Dollar. Allerdings hat auch Comcast mittlerweile umgeschwenkt und scheiterte nur knapp im Bieterwettstreit mit Charter um Time Warner Cable.