US-Ölriesen bekommen Preisverfall zu spüren
US-Ölriesen bekommen Preisverfall zu spüren
xaw New York
Amerikas Ölriesen stehen nach Jahren der sprudelnden Cash-flows vor einem Einschnitt. So haben die Branchenführer ExxonMobil und Chevron am Freitag Gewinnrückgänge im dritten Quartal vermeldet: Bei der Nummer eins des Sektors sank der Überschuss gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 5% auf 8,6 Mrd. Dollar, beim zweitgrößten Förderer der Vereinigten Staaten sackte er um 31% auf 4,5 Mrd. Dollar ab. Auch wenn die Konzerne damit noch die Erwartungen der Wall Street übertrafen: Sie bekommen den Preisverfall am Ölmarkt und die engeren Margen im Raffineriegeschäft deutlich zu spüren.
WTI-Kursrutsch lastet auf Gewinnen
Denn die Befürchtungen, dass der Krieg im Nahen Osten den Öloutput in der Region tief beschneidet, haben sich zuletzt gelegt. So hat Israel in einer Reaktion auf groß angelegte Raketenangriffe Teherans zuletzt zwar militärische Ziele im Iran attackiert, aber keine Energieanlagen. Darauf rutschte der Terminkontrakt auf die führende US-Rohölsorte West Texas Intermediate (WTI) zu Beginn der alten Börsenwoche ab und notierte zeitweise nur knapp über einem Dreijahrestief.
Die Zeiten, in denen die russische Invasion in der Ukraine die Notierungen auf eine Rekordrally schickte, sind angesichts angeschwollener globaler Lagerbestände lange vorbei. Zugleich lastet die schwächere Wirtschaftsaktivität in China auf der Ölnachfrage. Die Blicke im Sektor richten sich in der Folge auch auf die US-Präsidentschaftswahlen: Bei einem Sieg Donald Trumps wäre laut Ökonomen mit neuen Strafzöllen und einer damit einhergehenden neuerlichen Konjunktureintrübung im Reich der Mitte zu rechnen.
Damit geht unter Anlegern und Analysten allerdings die Sorge um, dass die Ölmultis ihre großzügigen Aktienrückkaufprogramme schon bald zurückfahren müssen. BP teilte am Dienstag bereits mit, ihre Buyback-Pläne für 2025 überprüfen zu wollen, worauf der Kurs absackte. ExxonMobil und Chevron haben seit Anfang 2022 über Rückkäufe und Dividenden mehr als 155 Mrd. Dollar an ihren Investoren zurückgeführt. Noch verfügen die beiden Riesen über tiefe Taschen: Laut Exxon dürften die Cash-Bestände von derzeit 27 Mrd. Dollar mehr als ausreichen, um die Buyback-Zusagen von jährlich 20 Mrd. Dollar abzudecken. Chevron sitzt auf 4,7 Mrd. Dollar an liquiden Mitteln und will ihre Versprechen an Investoren ebenfalls einhalten.
Chevron will über Assetverkäufe Milliarden einspielen
Doch der Liquiditätsdruck nimmt zu. Chevron will im Schlussquartal laut CEO Mike Wirth Assetverkäufe im Volumen von mehreren Mrd. Dollar abschließen. Der Cash-flow werde die Dividende und Investitionsausgaben abdecken und zumindest zum Buyback-Programm beitragen, sagte der Vorstandschef gegenüber dem „Wall Street Journal“.
Allerdings räumte er auch ein, dass eine etwaige Rücknahme von Produktionskürzungen des Ölkartells Opec und seiner Verbündeten, die zuletzt noch als Kursstützte wirkten, den Markt weiter belasten dürften. Der saudische Ölminister Abdelaziz bin Salman hatte laut Delegierten zuletzt bereits davor gewarnt, dass die Preise auf bis zu 50 Dollar pro Barrel absacken könnten, wenn einige Mitglieder der Opec plus weiterhin mehr förderten, als die ihnen zugewiesenen Quoten zuließen. Beobachter verstanden dies als versteckte Drohung, gemäß der Saudi-Arabien sich auf einen Preiskampf vorbereitet.
Produktion zieht an
Zugleich ist die US-Rohölproduktion im August auf das Rekordniveau von 13.401 Barrels pro Tag geschnellt, während auch Kanada, Brasilien und Guyana mehr fördern. Angesichts des bereits hohen Angebots im Markt wäre ein Abwärtszyklus laut Wirth „keine Überraschung“. Bei ExxonMobil klingen indes noch optimistischere Töne: Finanzchefin Kathy Mikells fühlt sich nach eigenen Angaben „sehr wohl mit der Position, in der wir uns befinden“ und betont dabei die deutlich gesunkene Nettoverschuldung: Infolge von 4,7 Mrd. Dollar schweren Kreditrückzahlungen im bisherigen Jahresverlauf ist die Net-Debt-to-Capital-Ratio auf 5% gefallen. Und CEO Darren Woods verweist auf Einsparungen von 11,3 Mrd. Dollar und deutliche Profitabilitätssteigerungen in der Förderung, mit denen sich der Konzern seit 2019 für Abschwünge gerüstet habe.
Allerdings haben viele US-Schieferölproduzenten ihre wertvollsten Reservoirs bereits nahezu erschöpft. Die Zahl der Quellen, die zu niedrigeren Preisniveaus noch profitabel zu bewirtschaften sind, geht ebenfalls zurück. Unterdessen sind die umfangreichen Mittel, die Ölkonzerne für Buybacks aufwenden, den Demokraten in Washington ein Dorn im Auge. Präsident Joe Biden fordert, dass Unternehmen ihr Kapital stattdessen in Zukunftsinvestitionen stecken sollten. Im Rahmen von Bidens Inflation Reduction Act gilt seit Januar 2023 deshalb eine Buyback-Steuer von 1%, die sich laut den Analysten von S&P Dow Jones bisher aber als weitgehend wirkungslos erwiesen hat.
Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris unterstützt indes Pläne, die Steuer auf 4% anzuheben. Dies könnte laut der Wharton School der University of Pennsylvania über zehn Jahre 265 Mrd. Dollar in die Staatskassen spülen und die Steuervorteile von Buybacks im Vergleich zu Dividendenausschüttungen fast vollständig ausradieren. Für Amerikas Ölriesen und ihre Anleger könnten die Champagnerjahre also schon bald vorbei sein.