US-Rentner profitieren am meisten von deutschen Start-up-Erfolgen
US-Rentner profitieren am meisten von deutschen Start-up-Erfolgen
Von Michael Brehm, Marcus Schroeder und Frederike Wolff *)
Deutschland und Europa sind weiterhin Heimat erfolgreicher Technologieunternehmen, wie der kumulierte Wert der in den letzten 30 Jahren gegründeten Firmen zeigt. Dieser ist seit 2012 um etwa 2,5 Bill. Euro gestiegen und unterstreicht damit die Attraktivität des europäischen Start-up-Ökosystems. Trotzdem profitieren deutsche Rentner von diesen immens positiven Dynamiken nur wenig.
Eine umfangreiche Analyse der Eigentümerstruktur deutscher Start-ups durch das Venture-Capital-Unternehmen Redstone offenbart, dass deutsche Pensions- und Rentenkassen im Vergleich zu US-amerikanischen Pensionfonds deutlich weniger in europäische Zukunftstechnologien investieren. Deutsche Pensions- und Rentenkassen spielen bei der Investorenbasis deutscher VC-Fonds nur eine untergeordnete Rolle. Während US-amerikanische Pensionfonds etwa 27% der Investorenbasis bei amerikanischen VC-Fonds ausmachen, beträgt der Anteil deutscher Pensions- und Rentenkassen bei deutschen VC-Fonds weniger als 1%. Somit profitieren deutsche Rentner kaum vom Wachstum neuer innovativer Unternehmen, obwohl sowohl deutsche als auch europäische Risikokapitalfirmen äußerst erfolgreich darin sind, die aufstrebenden Technologiestars, sogenannte Unicorns, auszuwählen.
Fallstudie Flix Mobility
US-amerikanische Pensionfonds halten über Investitionen in VC-Fonds indirekt etwa 10% an deutschen Start-ups. Damit entfallen von den 47 Mrd. Euro des Wertes deutscher Start-ups mit Unicorn-Bewertung etwa 4,7 Mrd. Euro auf US-amerikanische Pensionfonds. Im Gegensatz dazu profitieren deutsche Pensions- und Rentenkassen lediglich mit etwa 94 Mill. Euro. Das entspricht lediglich ca. 0,2% des Gesamtwertes der großen deutschen Start-ups.
Die Rendite von Investitionen in Risikokapitalanlagen (VC) war in den letzten Jahrzehnten nicht nur höher als bei anderen Anlageklassen, sondern führte auch zu einer deutlich geringeren Schwankungsbreite (Volatilität) bei ähnlicher oder besserer Rendite, wenn man verschiedene Vermögenswerte (Assetklassen) in das Portfolio aufnahm und so für Diversifikation sorgte. Das macht VC-Investitionen für langfristig orientierte Pensionsfonds besonders attraktiv.
Ein Beispiel des verschwendeten Investitionspotenzials zeigt der deutsche Bus-Weltmarktführer Flix Mobility. Deutsche Investoren halten insgesamt immer noch ca. 34% an dem Unternehmen. Aufgrund der fehlenden Partizipation deutscher Pensions- und Rentenkassen profitieren deutsche Rentner jedoch so gut wie gar nicht. Amerikanische Rentner hingegen freuen sich über einen signifikanten Wert über die beteiligten US-amerikanischen Investoren.
Fallstudie Planradar
Gleiches gilt für andere europäische Länder, wie etwa den Weltmarktführer für cloudbasierte Bau-Software aus Österreich, Planradar. Hier halten deutsche und österreichische Investoren gemeinsam noch 24%. Diese immense Wertschöpfung bleibt allerdings ohne positive Effekte für deutsche oder österreichische Rentner.
Die Fallstudien von Flix Mobility und Planradar verdeutlichen das ungenutzte Investitionspotenzial. Deutsche Rentner profitieren kaum von den Beteiligungen an diesen erfolgreichen Unternehmen, während amerikanische Rentner über die beteiligten US-Investoren einen signifikanten Wert erzielen.
“Es besteht ein sehr großes ungenutztes Potenzial für deutsche und europäische Pensions- und Rentenkassen, um von dem Erfolg des europäischen Start-up-Ökosystems zu profitieren. Eine stärkere Beteiligung von Pensionsfonds an VC-Fonds könnte dazu beitragen, dass deutsche Rentner zukünftig von dem Erfolg des deutschen und europäischen Start-up-Ökosystems profitieren und somit den Wohlstand ihrer Mitglieder sichern”, sagt Michael Brehm, Gründungspartner bei Redstone.
Schließlich sollten auch die Rentner selbst stärker in die Diskussion einbezogen werden, um ihre Interessen bei der Ausgestaltung der Anlagestrategien von Pensions- und Rentenkassen zu berücksichtigen. Durch eine bessere Kommunikation und Transparenz können Pensions- und Rentenkassen ihre Mitglieder über die Chancen und Risiken von Risikokapitalinvestitionen aufklären und so ein besseres Verständnis für die Bedeutung von Start-ups und Risikokapital in ihrem Anlageportfolio schaffen.
Insgesamt zeigt die Analyse von Redstone, dass es dringend notwendig ist, dass deutsche Pensions- und Rentenkassen ihre Anlagestrategien überdenken und sich stärker für Risikokapitalinvestitionen öffnen. Nur so können sie sicherstellen, dass deutsche Rentner von den Erfolgen des europäischen Start-up-Ökosystems profitieren und somit ihren Wohlstand langfristig sichern. Es ist an der Zeit, dass sowohl die Pensions- und Rentenkassen als auch die politischen Entscheidungsträger diesen dringenden Handlungsbedarf erkennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um die Zukunft der Rentner und des Start-up-Ökosystems in Deutschland und Europa nachhaltig zu gestalten.
*) Michael Brehm ist Mitgründer und Partner von Redstone, Marcus Schroeder ist Partner und CSO bei dem Venture-Capital-Unternehmen und Frederike Wolff ist Teil des Investmentteams von Redstone.